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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: III ZR 21/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 839 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 21/05

Verkündet am: 21. Juli 2005

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das im Bereich audiovisueller Medien der Sparten Informationstechnologie, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik tätig ist. Sie produziert insbesondere auch Geräte zum Empfang und zur Verarbeitung von Fernsehsignalen. Im Jahre 1998 erhob sie vor dem Landgericht Mainz gegen die damalige Beklagte zu 1, die Zugangshardware für den Bereich des digital und verschlüsselt ausgestrahlten Fernsehens herstellt und Inhaberin der Rechte an der "d-box"-Technologie sowie an dem zugehörigen Verschlüsselungssystem ist, sowie gegen die Deutsche Telekom AG als Beklagte zu 2 Klage mit den Anträgen, festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, ihr eine Lizenz zur Herstellung der "d-box" zu den üblichen Preisen und Konditionen der Beklagten - die auch anderen Lizenznehmern gewährt würden - zu erteilen, sowie mit weiteren gestaffelten Haupt- und Hilfsanträgen auf Feststellung von Schadensersatz- und Unterlassungspflichten. Das Landgericht gab der Klage gegen die Beklagte zu 1 zum geringeren Teile statt, wies sie jedoch weit überwiegend ab. Dementsprechend wurde die Klägerin mit dem größten Teil der Kosten belastet. Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz endete durch Rechtsmittelrücknahme, nachdem die Parteien sich außergerichtlich verglichen hatten.

Bereits vor der ersten mündlichen Verhandlung hatte das Landgericht durch Beschluß vom 20. Mai 1999 den Gebührenstreitwert auf 20 Mio. DM festgesetzt. Hiergegen erhob die Klägerin Streitwertbeschwerde, mit der sie eine Herabsetzung auf den - auch in der Klageschrift angegebenen - Wert von 5 Mio. DM begehrte. Dieses Rechtsmittel wurde durch Beschluß des für die Hauptsache zuständigen Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz zurückgewiesen; auch zwei spätere "Wiederaufnahmeanträge und Gegenvorstellungen" blieben erfolglos.

Die Klägerin nimmt nunmehr das beklagte Land auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen der an den Entscheidungen über den Streitwert beteiligten Richter des Landgerichts Mainz und des Oberlandesgerichts Koblenz in Anspruch. Sie macht geltend, die Wertfestsetzung auf 20 Mio. DM sei bei weitem überhöht; der Wert hätte nach den objektiv angemessenen Lizenzgebühren zuzüglich eines "Sicherheitszuschlages" auf höchstens 5 Mio. DM festgesetzt werden dürfen. Ihren auf 194.789,42 € bezifferten Schaden erblickt sie in der Kostenmehrbelastung, die sie aufgrund der Streitwertfestsetzung auf 20 Mio. DM gegenüber einer solchen auf 5 Mio. DM getroffen hatte.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) gegen das beklagte Land nicht zu.

1. Beide Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, daß die in dem hier in Rede stehenden (Gebühren-)Streitwertfestsetzungsverfahren ergangenen gerichtlichen Beschlüsse keine "urteilsvertretenden Erkenntnisse" waren und dementsprechend nicht dem Spruchrichterprivileg (Richterspruchprivileg) des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB unterfallen (vgl. Senatsurteil BGHZ 36, 144, 146; Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 333 m.w.N.). Dies hat die Konsequenz, daß vom rechtlichen Ansatzpunkt her für eine Amtshaftung wegen Pflichtverletzungen der beteiligten Richter nicht nur unter den engen Voraussetzungen des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB Raum ist.

2. Das Landgericht hat es - ohne sich indessen insoweit abschließend festzulegen - für möglich und naheliegend gehalten, daß die seinerzeitige Wertfestsetzung auf 20 Mio. DM - objektiv - überhöht gewesen sei. Das Berufungsgericht hat diese Frage zugunsten des beklagten Landes restriktiver beurteilt, sie jedoch im Ergebnis ebenfalls offengelassen. Sie bedarf hier in der Tat keiner Entscheidung.

3. Denn nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats ist bei richterlichen Amtspflichtverletzungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten (vgl. zu den sich daraus ergebenden haftungsrechtlichen Folgerungen: Senatsurteil BGHZ 155, 306, 309 f m.w.N.). Eine Haftung der beteiligten Richter, sei es in erster oder zweiter Instanz, wegen der hier in Rede stehenden Streitwertfestsetzung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich nicht feststellen läßt, daß diese unvertretbar gewesen wäre.

Die Wertfestsetzung unterlag dem freiem Ermessen des Gerichts (§ 3 Halbs. 1 ZPO). Bei der Ausübung dieses Ermessens hatte sich das Landgericht an dem von der Klägerin in deren Klageschrift mitgeteilten Zahlenwerk orientiert, daraus das mit der Klage geltend gemachte Interesse geschätzt und dies in den Gründen des Beschlusses ausführlich erläutert. Diese Sachbehandlung läßt bereits objektiv keine Pflichtverletzung erkennen. Das Landgericht und sodann das Beschwerdegericht hatten sich von den hiergegen gerichteten Angriffen der Klägerin nicht überzeugen lassen, sondern an dieser Berechnung festgehalten. Das Beschwerdegericht hat sich in den Gründen seiner Entscheidung mit dem Vorbringen der Klägerin sachlich auseinandergesetzt. Anhaltspunkte dafür, daß beide Gerichte die Grenzen der ihnen durch den Vertretbarkeitsmaßstab eingeräumten erweiterten Beurteilungsspielraums nicht eingehalten haben, sind nicht erkennbar. Erst eine Überschreitung dieser Grenzen hätte eine amtshaftungsrechtliche Verantwortlichkeit begründen können (vgl. Senatsurteil BGHZ 155, 306, 311).

Ende der Entscheidung

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