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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: III ZR 219/06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 219/06

Verkündet am: 6. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Juli 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zeichnete am 15. Dezember 2000 eine Kommanditeinlage über 100.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. Dritte KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.

Die Klägerin nimmt die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wegen behaupteter Fehler in dem von ihr im Auftrag der Streithelferin erstatteten Prospektprüfungsgutachten vom 14. August 2000 über die Prüfung des Emissionsprospekts auf Schadensersatz in Anspruch und begehrt Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung unter Berücksichtigung einer Ausschüttung von 1.533,88 € Zahlung von jetzt noch 52.151,77 € nebst Zinsen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht verneint unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 20. Juni 2005 (21 U 5633/04) Schadensersatzansprüche der Klägerin. Als nicht verjährte Anspruchsgrundlagen kämen nur eine Verletzung des Prospektprüfungsvertrags oder des Mittelverwendungskontrollvertrags in Betracht. Das Prospektprüfungsgutachten sei nicht zu beanstanden, weil der Prospekt keinen unrichtigen Eindruck vermittle und insbesondere deutlich werde, dass Erlösausfallversicherungen erst für einzelne, konkrete Filmprojekte abzuschließen seien. Dem Prospektprüfungsgutachten sei ebenfalls zu entnehmen, dass im Zeitpunkt der Prüfung noch keine Versicherungen abgeschlossen gewesen seien. Es werde schließlich nicht erkennbar, wieso die Beklagte Kenntnis davon gehabt haben müsse, dass nach der Behauptung der Klägerin für die Einzelproduktionen kein Versicherer mehr zur Verfügung gestanden habe. Unter Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung ist das Berufungsgericht der Auffassung, die Beklagte habe auch nicht auf die Einführung einer Mittelfreigabekontrolle hinwirken müssen. Die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen bei der nachträglichen Mittelverwendungskontrolle könnten den geltend gemachten Anspruch auf Rückabwicklung der Beteiligung nicht begründen.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem maßgebenden Punkt nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Prospekt nicht zu beanstanden sei.

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH, Urteile vom 29. Mai 2000 - II ZR 280/98 - NJW 2000, 3346; vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04 - NJW 2006, 2042, 2043 Rn. 7). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 - VII ZR 376/89 - NJW 1992, 228, 230 <insoweit ohne Abdruck in BGHZ 115, 213>). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81 - NJW 1982, 2823, 2824). Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91 - NJW-RR 1992, 879, 881).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts in einem maßgebenden Punkt nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Bei seiner Sicht berücksichtigt es nämlich nicht hinreichend den in den Leitgedanken vorbereiteten und durch die als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" vermittelten Gesamteindruck, dass der Anleger mit seiner Beteiligung ein nur begrenztes Risiko eingehe. Dies hat der Senat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden (III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f). An dieser Beurteilung, die dem erkennenden Senat des Berufungsgerichts aus dem Verfahren III ZR 300/05 bekannt ist und auf die wegen der maßgebenden Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Senat - nach erneuter Überprüfung - auch in seinem Urteil vom 22. November 2007 (III ZR 210/06) festgehalten.

III.

Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Wie der Senat durch Urteil vom 14. Juni 2007 (III ZR 300/05 - aaO S. 1331 f Rn. 18 ff) entschieden hat, liegt eine Haftung der Beklagten wegen einer Verletzung des Prospektprüfungsvertrags nahe. Insoweit hat der Senat bemängelt, das Prospektprüfungsgutachten trete im Zusammenhang mit seiner Bewertung der auf das worst-case-Szenario bezogenen Aussagen des Prospekts über die Risiken der Beteiligung dem durch den Prospekt vermittelten Eindruck nicht hinreichend entgegen, der Anleger gehe - trotz der Risiken einer unternehmerischen Beteiligung - ein insgesamt nur begrenztes Risiko ein (aaO S. 1332 Rn. 20). An dieser Beurteilung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

2. a) Auf die Verletzung des Prospektprüfungsvertrags kann sich auch die Klägerin als vertragsfremde Dritte berufen, denn sie ist nach ihrem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Vorbringen nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Schutzbereich dieses Vertrags einzubeziehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 127, 378, 380; 138, 257, 261; vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04 - NJW-RR 2006, 611, 612 Rn. 12; BGHZ 167, 155, 161 f Rn. 12; vom 14. Juni 2007 - III ZR 300/05 aaO Rn. 21; Urteile des X. Zivilsenats BGHZ 145, 187, 197 f; 159, 1, 4 f; vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420, 3421). Die Beklagte wird, was für die Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Prospektprüfungsvertrags entscheidend ist, durch die Formulierung auf S. 39 des Prospekts hinreichend darauf hingewiesen, dass ihr Bericht ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt wird, um - was sich hieraus ohne weiteres ergibt - Grundlage für deren Anlageentscheidung zu werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 aaO für eine ähnliche Formulierung im Prospekt; Senatsurteil vom 14. Juni 2007 aaO). Darüber hinaus war ihr bekannt, dass die Streithelferin ihr diesen Auftrag als Vertriebsorganisation erteilte, also zu dem Zweck, mit dem Prospekt Anleger für eine Beteiligung zu gewinnen.

b) Wie die Klägerin sowohl in ihrer Klagebegründung als auch in ihrer Berufungsbegründung behauptet und unter Beweis gestellt hat, hat sie der Vermittler A. beim Vermittlungsgespräch darauf hingewiesen, dass es ein beanstandungsfreies Gutachten gebe. Daraufhin hätten sie und ihr Ehemann K. am 15. Dezember 2000 je eine Beteiligung über 100.000 DM gezeichnet. Sie hätten jedoch noch das Prospektprüfungsgutachten angefordert und mit Schreiben des Vermittlers vom 21. Dezember 2000 erhalten. Weil es keine Beanstandungen enthalten habe, hätten sie und ihr Ehemann davon abgesehen, ihre Beteiligung innerhalb der noch laufenden Frist von zwei Wochen zu widerrufen, über die sie im Zeichnungsschein belehrt worden seien. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag, was die Anforderung des Gutachtens angeht, durch die Anlage K 1c belegt ist, hat die Beklagte nur bestritten, dass die Klägerin das Gutachten vor ihrer Anlageentscheidung erhalten habe. Danach hat die Klägerin - anders als der Anleger in der Sache III ZR 300/05 - das Gutachten zwar noch nicht bei ihrer Anlageentscheidung zur Verfügung gehabt; da sie sich aber bis zum Ablauf der Widerrufsfrist wieder von der Beteiligung lösen konnte, könnte - anders als in Fällen, in denen eine Anforderung des Gutachtens ganz unterblieben ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - aaO S. 1507 Rn. 28 f; Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007 - III ZR 298/05 - WM 2007, 2281 Rn. 6) - die Inanspruchnahme der Schutzwirkung und die Kausalität des unvollständigen Prospektprüfungsberichts nicht verneint werden, wenn der Inhalt dieses Berichts für die Nichtausübung des Widerrufsrechts ausschlaggebend gewesen war. Sollte sich das Berufungsgericht hiervon überzeugen, spricht eine auf die Lebenserfahrung gegründete tatsächliche Vermutung dafür, dass sich die Klägerin bei einer deutlichen Aufdeckung des Risikos eines Totalverlustes gegen eine Beteiligung entschieden hätte (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05 - NJW-RR 2006, 685, 688 Rn. 24, 28; vom 22. März 2007 - III ZR 218/06 - NJW-RR 2007, 925, 926 f Rn. 11).

Ende der Entscheidung

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