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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: III ZR 237/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 839 (A)
Der Ersatzkassenverband nimmt bei der Zulassung von Leistungserbringern für die Abgabe von Hilfsmitteln und bei deren Widerruf (§ 126 SGB V) als "Beliehener" hoheitliche Aufgaben wahr; für Amtspflichtverletzungen des Verbandes haftet die Bundesrepublik Deutschland, da die Beleihung unmittelbar auf Bundesgesetz beruht.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 237/00

vom

25. Oktober 2001

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2001 durch den Vositzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

beschlossen:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. August 2000 - 16 U 234/99 - wird nicht angenommen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 350.000 DM

Gründe:

I.

Die Klägerin, die ein Augenoptiker- und Hörgerätefachgeschäft betreibt und für die Abgabe dieser Hilfsmittel gemäß § 126 SGB V zugelassen war, nimmt den Beklagten, einen Verband der Ersatzkassen in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, auf Schadensersatz wegen Widerrufs dieser Zulassung in Anspruch. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 554 b ZPO). Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (BVerfGE 54, 277).

1. Nach § 126 Abs. 1 SGB V dürfen Hilfsmittel an Versicherte, wie sie auch von der Klägerin vertrieben werden, nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Nach dieser Bestimmung ist zuzulassen, wer eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel gewährleistet und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt. Die Zulassung wird, wie sich aus der Verweisung in § 126 Abs. 3 auf § 124 Abs. 5 SGB V ergibt, jeweils für die einzelnen Kassenarten von den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen sowie der See-Krankenkasse erteilt. Die Landesverbände der Krankenkassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 207 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Für die hier in Rede stehenden Ersatzkassen besteht nur die Regelung in § 212 Abs. 5 SGB V, wonach diese sich zu Verbänden zusammenschließen, die in der Satzung ihre Zwecke und Aufgaben festzusetzen haben. Die Satzungen bedürfen der Genehmigung, der Antrag auf Eintragung in das Vereinsregister der Einwilligung der Aufsichtsbehörde.

Das Bundessozialgericht sieht in der Zulassung wie in deren Widerruf einen Verwaltungsakt im Sinn des § 54 SGG. Aus dem Umstand, daß weder dem Gesetz (§§ 124 und 126 SGB V) noch den Gesetzesmaterialien ein Hinweis darauf zu entnehmen sei, daß die Zulassung ausnahmsweise dann nicht durch Verwaltungsakt erfolgen soll, wenn sie von privatrechtlich organisierten Verbänden der Ersatzkassen für deren Bereich ausgesprochen wird, schließt das Bundessozialgericht, daß die Ersatzkassenverbände bei Erlaß des Verwaltungsakts der Zulassung und bei dessen Widerruf als sogenannte "Beliehene" tätig sind (BSGE 77, 108, 109 f). In der angeführten Entscheidung hat es weiter ausgesprochen, daß § 126 SGB V mit Rücksicht auf Art. 12 GG verfassungskonform dahin auszulegen ist, daß die berufsrechtlichen Voraussetzungen für Zulassung, Widerruf und Untersagung vorrangig von den nach dem Bundesrecht zuständigen Behörden zu prüfen sind, und zwar mit Tatbestandswirkung für das Kassenzulassungsrecht (BSGE 77, 108, 114). So ist es zu erklären, daß der Beklagte im Verfahren vor dem Landessozialgericht, nachdem inzwischen die genannte Entscheidung des Bundessozialgerichts ergangen war, den Bescheid vom 4. März 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1992 aufgehoben und sich verpflichtet hat, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

2. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Bundessozialgerichts an. Geht man demnach davon aus, daß eine hoheitliche Tätigkeit des Beklagten in Frage steht, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch nur § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht. Eine Haftung nach § 823 BGB, wie sie die Revision im Auge hat, ist dann nicht gegeben. Die Revision stellt zur Überprüfung, ob hier überhaupt eine Beleihung vorliege. Sie führt hierzu aus, die Haftung der übergeordneten Körperschaft werde allgemein damit begründet, daß diese den Handelnden beaufsichtige und kontrolliere, damit den von der Verwaltung Betroffenen kein Schaden entstehe. Im Umkehrschluß bedeute dies eine Haftung der Körperschaft nur in den Fällen, in denen sie ihre Aufsichtspflicht gegenüber dem Beauftragten verletzt habe. Das sei vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr habe der Beklagte vollkommen unabhängig und autonom gehandelt, weshalb eine Verlagerung der Haftung auf eine andere Körperschaft oder Person nicht gerechtfertigt sei.

Dem ist nicht beizutreten. Daß hier eine Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen vorliegt, kann nicht zweifelhaft sein. Daß die Beleihung nicht durch einen besonderen Verwaltungsakt vorgenommen oder ausgesprochen wird, sondern sich unmittelbar aufgrund gesetzlicher Vorschrift ergibt, ändert nichts an dem übereinstimmenden und wesentlichen Gesichtspunkt, daß eine private Person mit bestimmten hoheitlichen Aufgaben und Befugnissen ausgestattet ist. Die Haftung der Körperschaft, die die in Rede stehende Aufgabe übertragen hat, beruht auch keineswegs auf den Gesichtspunkten der Aufsicht und Kontrolle, sondern geht allein auf die Aufgabenübertragung zurück.

Daß der Beliehene für Amtspflichtverletzungen, die er in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit begeht, nicht selbst haftet, sondern die Körperschaft, die ihm die entsprechende Aufgabe übertragen hat, ist ständige Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 2. November 2000 - III ZR 261/99 - NVwZ-RR 2001, 147 m.w.N.).

3. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend nach § 139 ZPO darauf hingewiesen, daß es das Land Niedersachsen für passivlegitimiert halte, und es sei verpflichtet gewesen, dem gewillkürten Parteiwechsel Folge zu geben, ist nicht begründet.

Der Beklagte hatte seine Passivlegitimation in der Berufungserwiderung geleugnet. Es wäre daher Sache der anwaltlich vertretenen Klägerin gewesen, dem aus ihrer Sicht erst in zweiter Linie Haftenden den Streit zu verkünden, was zur Wahrung ihrer Rechte ausgereicht hätte. Dem beantragten gewillkürten Parteiwechsel mußte das Berufungsgericht nicht Folge geben. Es kommt daher nicht darauf an, daß der Hinweis des Berufungsgerichts, das Land Niedersachsen sei passivlegitimiert, nicht richtig war. Da die Beleihung des Beklagten mit hoheitlichen Aufgaben hier unmittelbar auf Bundesgesetz (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) beruht, hätte für Amtspflichtverletzungen des Beklagten die Bundesrepublik Deutschland einzustehen.

Ende der Entscheidung

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