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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.05.1998
Aktenzeichen: III ZR 286/97
Rechtsgebiete: WHG, HessWassG F. 22.01.1990


Vorschriften:

WHG § 19
HessWassG § 92 F. 22. Januar 1990
WHG § 19; HessWassG § 92 F: 22. Januar 1990

Zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks im Sinne von § 19 Abs. 4 WHG gehört nicht die Errichtung baulicher Anlagen.

BGH, Urt. v. 14. Mai 1998 - III ZR 286/97 - OLG Frankfurt LG Kassel

LG Kassel Entsch. v. 2.5.96 - 8 O 1321/95

OLG Frankfurt in Kassel Entsch. v. 27.5.97 - 14 U 104/96

III ZR 286/97


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 286/97

Verkündet am: 14. Mai 1998

Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne, die Richter Dr. Werp, Streck, Schlick und die Richterin Ambrosius

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den beklagten Rechtsanwälten Schadensersatz.

Der Kläger ist Inhaber eines in erster Linie auf Viehwirtschaft ausgerichteten landwirtschaftlichen Betriebes, der seit 1981 in der Schutzzone II eines Wasserschutzgebiets liegt. Die Verordnung über das Wasserschutzgebiet (HessStAnz 1981 S. 2126) untersagt in der Zone II unter anderem Bebauung, insbesondere gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe, Stallungen, Gärfuttersilos, Veränderung von Bauwerken oder die Veränderung in der Benutzungsart der Bauwerke, sofern dadurch eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers oder sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaft zu besorgen ist; Ausnahmen von den Schutzbestimmungen können gewährt werden, wenn eine Verunreinigung des Grundwassers nicht zu besorgen ist.

Der Kläger erhielt 1992 für den Neubau eines Fahrsilos und einer Mistensickersaftgrube mit Vergrößerung der vorhandenen Dungplatte unter bestimmten Auflagen eine solche Ausnahmegenehmigung sowie eine entsprechende Bauerlaubnis. Er beauftragte die Beklagten, wegen der ihm durch die wasserschutzrechtlichen Anordnungen entstandenen Baumehrkosten Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche nach § 19 WHG geltend zu machen. Nach Ablehnung dieser Ansprüche durch die zuständigen Wasserbeschaffungsverbände erhoben die Beklagten für den Kläger Klage, die das Landgericht mit der Begründung abwies, daß Entschädigungsansprüche (§ 19 Abs. 3 WHG) nicht gegeben und Ausgleichsansprüche (§ 19 Abs. 4 WHG) jedenfalls nicht innerhalb der Notfrist des § 92 Abs. 4 Satz 3 HWG gerichtlich geltend gemacht worden seien. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

Im vorliegenden Rechtsstreit trägt der Kläger zur Begründung seines Schadensersatzbegehrens vor, daß ihm bei rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung seiner Ansprüche durch die Beklagten eine Ausgleichszahlung nach § 19 Abs. 4 WHG hätte zuerkannt werden müssen. Die Beklagten sind dem entgegengetreten.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die auf Zahlung von zuletzt noch 36.858,11 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Klägers, die die Beklagten zurückzuweisen begehren.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob die Beklagten ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt haben. Es hat die Schadensersatzklage abgewiesen, weil ein etwaiges Fristversäumnis der Beklagten jedenfalls keinen Schaden des Klägers verursacht habe, denn auch bei rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung wäre dem Kläger keine Ausgleichszahlung nach § 19 Abs. 4 WHG zuerkannt worden: Durch die wasserschutzrechtlichen Anordnungen im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen des Klägers seien keine erhöhten Anforderungen festgesetzt worden, die im Sinne des § 19 Abs. 4 WHG die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung der Betriebsgrundstücke des Klägers beschränkt hätten.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. In Wasserschutzgebieten können nach § 19 Abs. 2 WHG bestimmte Verbote, Beschränkungen und Duldungspflichten angeordnet werden. Stellt eine solche Anordnung eine "Enteignung" dar, so ist nach § 19 Abs. 3 WHG "dafür Entschädigung zu leisten" (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 133, 271). Setzt die Anordnung erhöhte Anforderungen fest, die die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks beschränken, so ist nach § 19 Abs. 4 WHG für die dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteile ein angemessener Ausgleich nach Maßgabe des Landesrechts zu leisten, soweit nicht eine Entschädigungspflicht nach § 19 Abs. 3 WHG besteht. In Hessen ist diese Ausgleichspflicht in § 92 des Hessischen Wassergesetzes - HWG - i.d.F. vom 22. Januar 1990 (GVBl. I S. 114, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Juli 1997, GVBl. I S. 232, 241) und durch Verordnung vom 28. März 1991 (GVBl. I S. 118) geregelt.

Einen Anspruch auf Entschädigung nach § 19 Abs. 3 WHG hat das Landgericht dem Kläger im Vorprozeß gegen die zuständigen Wasserbeschaffungsverbände rechtskräftig versagt, weil die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben seien. Auch zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist außer Streit, daß die wasserschutzrechtlichen Anordnungen im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen des Klägers keine "Enteignung" im Sinne des § 19 Abs. 3 WHG darstellen. Die Parteien streiten (nur) darum, ob dem Kläger ein (Billigkeits-)Ausgleich nach § 19 Abs. 4 WHG zugestanden hätte, wenn dieser fristgerecht innerhalb der Notfrist des § 92 Abs. 4 Satz 3 HWG von den Beklagten gerichtlich geltend gemacht worden wäre (vgl. zum Verhältnis der Ansprüche aus § 19 Abs. 3 und Abs. 4 WHG Senatsurteil BGHZ 133, 271, 275, 280).

2. Die mit Wirkung vom 1. Januar 1987 in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügte Bestimmung des § 19 Abs. 4 WHG (vgl. zur Entstehungsgeschichte Czychowski AgrarR 1988, 297 ff) gewährt in Verbindung mit den zu ihrer Ausfüllung ergangenen Vorschriften des Landesrechts Land- und Forstwirten, denen in Wasserschutzgebieten Beschränkungen der ordnungsgemäßen land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung ihrer Grundstücke auferlegt werden, die aber noch keine Entschädigung nach § 19 Abs. 3 WHG auslösen, einen Rechtsanspruch auf einen Billigkeitsausgleich (vgl. dazu BT-Drucks. 10/5727 S. 33 ff; Czychowski WHG 7. Aufl. § 19 Rn. 118 ff; Sieder/Zeitler/Dahme WHG § 19 Rn. 54 a ff; Drost WHG § 19 Rn. 118 ff; Roth in Wüsthoff, Hdb. d. deutschen Wasserrechts, WHG § 19 Rn. 12).

Durch diesen einfachgesetzlichen Ausgleichsanspruch für Nachteile im Vorfeld der Enteignung soll der besonderen Situation der Land- und Forstwirtschaft und insbesondere deren Belastung durch wasserwirtschaftlich gebotene Schutzanordnungen auch dann Rechnung getragen werden, wenn eine "Enteignung" und damit eine Pflicht zur "Entschädigung" im Sinne des § 19 Abs. 3 WHG (noch) nicht vorliegen. Die Regelung ist nicht als Subventionierung der Land- und Forstwirtschaft zu verstehen, sondern enthält - als wasserhaushaltsrechtliche Nachteilsausgleichsklausel - eine flankierende Maßnahme des Gesetzgebers bei der Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung (vgl. BT-Drucks. 10/5727 S. 35; VerfGH RhPf DÖV 1992, 706, 707 = ZfW 1993, 23, 25 f; Czychowski aaO § 19 Rn. 121). Als Sonderregelung mit Ausnahmecharakter (vgl. BT-Drucks. 10/5727 S. 33, 35) ist § 19 Abs. 4 WHG, wenn nicht auf "unabweisbare Problemfälle zu beschränken" (vgl. BT-Drucks. 10/5727 S. 33, 38), so doch jedenfalls eng auszulegen (vgl. Czychowski aaO § 19 Rn. 119 a.E. m.w.N.).

3. Der erkennende Senat tritt dem Berufungsgericht darin bei, daß hier dem Kläger ein Ausgleichsanspruch nach § 19 Abs. 4 WHG nicht zusteht, d.h. auch bei rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung durch die Beklagten nicht hätte zuerkannt werden dürfen (vgl. insoweit BGH Urteil vom 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93 = BGHWarn 1994 Nr. 13 = NJW 1994, 1211, 1212 f unter II 2 b aa m.w.N.).

a) Mit dem Berufungsgericht kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, daß der Kläger die von ihm geltend gemachten höheren Baukosten bei der Errichtung des Fahrsilos und der Mistensickersaftgrube nur aufgewandt hat, um den - erhöhten - Anforderungen Rechnung zu tragen, die durch die wasserschutzrechtlichen Anordnungen festgesetzt worden sind.

Der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers liegt in der Schutzzone II eines Wasserschutzgebiets. Nach der Verordnung über das Wasserschutzgebiet (HessStAnz 1981 S. 2126) und aufgrund der dem Kläger anläßlich seines Bauvorhabens auferlegten wasser- und baubehördlichen Anordnungen mußte der Kläger besondere Vorkehrungen treffen, die - wie er geltend macht zusätzliche Baukosten von 36.858,11 DM mit sich brachten.

b) Ein Ausgleich für diese wirtschaftlichen Nachteile ist dem Kläger bei der gebotenen engen Auslegung des § 19 Abs. 4 WHG gleichwohl nicht zuzubilligen. Es fehlt an der Voraussetzung einer Beschränkung der ordnungsgemäßen land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden hat.

Im Wasserhaushaltsgesetz wird dieser unbestimmte Rechtsbegriff nicht näher erläutert. Im Gesetzgebungsverfahren ist auf den entsprechenden Begriff in anderen Landes- und Bundesgesetzen hingewiesen worden, auf den zurückgegriffen werden könne (vgl. BT-Drucks. 10/5727 S. 34; vgl. allerdings den Hinweis bei Czychowski aaO Rn. 126 auf den besonderen Zweck des Wasserhaushaltsgesetzes).

Das Bundesverwaltungsgericht hat zu § 8 Abs. 7 BNatSchG entschieden, daß zur land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung (die im Sinne dieses Gesetzes nicht als Eingriff in Natur und Landschaft anzusehen ist) die Errichtung von Gebäuden grundsätzlich nicht gehört, weil nur die "Bodennutzung" selbst, die "tägliche Wirtschaftsweise" des Landwirts, nicht als Eingriff in die Natur anzusehen und von naturschutzrechtlichen Anordnungen freigestellt ist (vgl. BVerwG NVwZ 1986, 639 m.w.N.).

In Rechtsprechung und Schrifttum zu § 19 Abs. 4 WHG wird, soweit darauf überhaupt eingegangen wird, weitgehend angenommen, daß die Ausgleichsregelung Beschränkungen der baulichen Nutzung nicht erfaßt, und zwar selbst dann nicht, wenn sie - wie hier - im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs erfolgt (vgl. LG Köln ZfW 1996, 338; Sieder/Zeitler/Dahme WHG § 19 Rn. 54 d; Dieterich, Eigentum und Grundwasserschutz, Diss. Marburg 1990 S. 98, Honert/Rüttgers/Sanden LWG NW 4. Aufl. § 15 Anm. 4 S. 66/67; Beile LWG RhPf 2. Aufl. § 15 Erl. 2.1; auch Czychowski aaO § 19 Rn. 126, 127). Dem ist zu folgen.

Unter Beschränkung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks im Sinne des § 19 Abs. 4 WHG ist nur die Beschränkung der eigentlichen, unmittelbar agrarwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks zu verstehen, bei der die Ausnutzung der Bodenfruchtbarkeit und die damit verbundene Viehwirtschaft im Vordergrund stehen, bei Landwirtschaft also insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft sowie die darauf beruhende Viehhaltung. Nicht darunter fallen bauliche Nutzungen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Daß der Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung hier enger zu verstehen ist und weitere Tätigkeiten, die dieser engeren Nutzung lediglich mittelbar dienen, wie z.B. bauliche Maßnahmen, nicht zu einer Ausgleichsleistung führen sollen, entspricht der gesetzgeberischen Konzeption, die dem § 19 Abs. 4 WHG zugrunde liegt. Sinn und Zweck der Regelung ist es, einen angemessenen Ausgleich gerade - und nur - für die besonderen wasserschutzgebietsspezifischen Nachteile der Landwirtschaft zu schaffen, wie sie insbesondere etwa durch Düngebeschränkungen oder sonstige laufende agrarwirtschaftliche Erschwernisse der Nutzung der landwirtschaftlichen Bodenflächen selbst entstehen können (vgl. BT-Drucks. 10/5727 S. 33 ff). Wirtschaftliche Nachteile, die sich daraus ergeben, daß Bauauflagen zu einer einmaligen höheren finanziellen Belastung bei der Errichtung von Anlagen im Wasserschutzgebiet führen, werden von der Regelung nicht erfaßt.

Einem solchen Normverständnis entspricht auch die ausfüllende hessische Regelung in § 92 HWG in Verbindung mit der Verordnung über die Ausgleichspflicht vom 28. März 1991 (GVBl. I S. 118). Diese Regelung setzt voraus, daß die auszugleichenden wirtschaftlichen Nachteile jährlich, also laufend anfallen. Auf einmalige Aufwendungen ist sie ersichtlich nicht zugeschnitten. Die Verordnung befaßt sich mit dem Ausgleich für Düngebeschränkungen und die Beschränkung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, nicht auch mit einem Ausgleich für Mehrkosten bei baulichen Anlagen. Auch wenn die Landesverordnung die Ausgleichspflicht nicht unbedingt abschließend regelt, so kann ihr doch entnommen werden, daß der Verordnungsgeber einen Billigkeitsausgleich nur für solche Beschränkungen schaffen wollte und auch geschaffen hat, die sich auf die unmittelbare land- oder forstwirtschaftliche Bodennutzung selbst beziehen.

Ende der Entscheidung

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