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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: III ZR 306/06
Rechtsgebiete: KAGG, AuslInvestmG, BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

KAGG § 20 Abs. 5
AuslInvestmG § 12 Abs. 5
BGB § 31
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
StGB § 264a
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 306/06

vom 20. Dezember 2007

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. November 2006 - 15 U 1775/06 - zugelassen, soweit es die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage betrifft.

Auf die Revision des Klägers wird das genannte Urteil im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 - und insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Beschwerde des Klägers gegen das genannte Urteil wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Gerichtskosten der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit sie zurückgewiesen wurde, und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen.

Beschwerdewert : bis 35.000 €.

Gründe:

I.

Der Kläger zeichnete am 15. Dezember 2000 - unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage über 60.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.

Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrt der Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des eingezahlten Betrags von noch 31.291,06 € nebst Zinsen. Im Hinblick auf eine Ausschüttung von 920,33 € nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Der Kläger hält die Beklagte zu 1 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, nimmt der Kläger wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklagten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts in Anspruch.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil.

II.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nur hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage vor.

1. Das Berufungsgericht lässt es offen, ob die Beklagte zu 1 als Prospektverantwortliche angesehen werden kann. Denn etwaige Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn seien verjährt, weil zwischen der Zeichnung der Anlage und der Klageeinreichung gegen die Beklagte zu 1 mehr als drei Jahre vergangen seien. Eine darüber hinausgehende Haftung der Beklagten zu 1 scheide deshalb aus, weil der Emissionsprospekt keine Fehler erkennen lasse. Dabei nimmt das Berufungsgericht im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts Bezug und hebt ergänzend hervor, es entstehe nicht der Eindruck eines lückenlosen "Sicherheitsnetzes" und das Gesamtrisiko der Beteiligung werde nicht unzulässig verharmlost. Die Beklagte zu 2, die in dem Prospekt nicht nach außen namentlich in Erscheinung getreten sei, unterliege nicht der Prospekthaftung im engeren Sinn. Ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung der Prospektprüfungspflicht scheitere daran, dass der Prospekt keine fehlerhaften Angaben enthalte.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Beziehung stand.

a) Der Senat hat - nach der Entscheidung des Berufungsgerichts - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden, dass der Emissionsprospekt im Hinblick auf die im Abschnitt "Risiken der Beteiligung" angeführte, als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" den Anleger nicht deutlich genug darauf hinweist, dass seine Beteiligung dem Risiko eines Totalverlustes und nicht lediglich eines begrenzten Verlustes unterliegt, und hat darin einen Prospektmangel gesehen (III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f). Er hat ferner eine Haftung der mit der Erstellung des Prospektprüfungsgutachtens betrauten Beklagten zu 2 nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für möglich gehalten, wenn sich der Anleger das Prospektprüfungsgutachten hat aushändigen lassen (Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 300/05 - WM 2007, 1507, 1510 Rn. 21), und sie verneint, wenn der Anleger nur darauf vertraut, dass seinem Vermittler der Inhalt des Prüfberichts bekannt sei und dieser ihn über etwaige Unzulänglichkeiten des Prospekts aufklären würde, falls Beanstandungen in dem Gutachten enthalten seien (Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1507 Rn. 28 f). Der Senat hat diese Rechtsprechung in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2007 (III ZR 298/05 - WM 2007, 2281) dahin fortgeführt, zur Inanspruchnahme einer solchen Schutzwirkung sei es regelmäßig erforderlich, dass der Anleger den Bericht vor seiner Anlageentscheidung anfordere und von dessen Inhalt Kenntnis nehme.

b) Auch wenn das Berufungsgericht im Widerspruch zu dieser Senatsrechtsprechung davon ausgegangen ist, der Emissionsprospekt sei nicht zu beanstanden, trifft seine Entscheidung insoweit zu, als es Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn als verjährt ansieht. Dabei hat es seiner Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt, dass diese Ansprüche bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in - seinerzeit - sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch in drei Jahren nach dem Beitritt verjähren (vgl. BGHZ 83, 222, 224; BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420, 3421; Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007 - III ZR 258/05 Rn. 7; Senatsurteil vom 22. November 2007 - III ZR 210/06 Rn. 13). Dass die Frist von drei Jahren nach dem Beitritt bei Einreichung der Klage gegen die Beklagte zu 1 bereits lange verstrichen war, wird auch von der Beschwerde nicht bezweifelt.

c) Die Beschwerde rügt jedoch mit Recht, dass sich das Berufungsgericht mit zum Teil präzisiertem, zum Teil aber auch neuem Vorbringen in der Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt hat. Insoweit hat der Kläger unter anderem unter Bezugnahme auf eine Beweisaufnahme in einem Verfahren von Anlegern gegen die hiesige Beklagte zu 1 vor dem Landgericht F. behauptet, schon bei dem Schwesterfonds, der VIP KG, sei im Jahr 1999 mit Produktionen begonnen worden, ehe Einzelpolicen einer Erlösausfallversicherung vorgelegen hätten; ein Abschluss von Einzelversicherungen sei daran gescheitert, dass seitens des Versicherers Bedingungen nachgeschoben worden seien. Die Beklagte zu 1 habe von der Tatsache, dass mit den Produktionen bereits vor Abschluss einer Erlösausfallversicherung begonnen worden sei, Kenntnis gehabt. Sollte dieser Vortrag, für den der Kläger Beweis angetreten hat, richtig sein, läge nicht nur ein weiterer Prospektmangel vor, weil dieser Umstand das gesamte der vorgesehenen Tätigkeit der Fondsgesellschaft zugrunde liegende Konzept verändert hätte und im Prospekt klar und eindeutig hätte dargestellt werden müssen. Vielmehr dürfte bei der behaupteten Kenntnis der Beklagten zu 1 - unabhängig vom Grad ihrer Einflussnahme auf die Gestaltung des Prospekts - ihre deliktsrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 31, 826, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB nahe liegen (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1506 Rn. 23).

Gründe des Prozessrechts, dieses Vorbringen unberücksichtigt zu lassen, hat das Berufungsgericht nicht angeführt. Sie sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger war mit diesem Vorbringen nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die zum Gegenstand seines Beweisantritts gemachten Tatsachen sind dem Kläger, wie er belegt hat, erst am 3. Februar 2006, also nach der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 26. Oktober 2005, zur Kenntnis gelangt. Er hat ferner sein Bemühen hinreichend dargelegt, von den Vorgängen aus dem Verfahren vor dem Landgericht F. zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis zu erhalten. Wenn der Kläger nicht Gefahr laufen wollte, Behauptungen ohne eine hinreichende Grundlage in das laufende Verfahren einzuführen, war er auf eine Akteneinsicht, der sich die Beklagte zu 1 widersetzt haben soll, oder eine Übersendung von Protokollen angewiesen. Beide Wege entsprachen einer sachgerechten Prozessführung und verletzten die prozessuale Sorgfalts- und Förderungspflicht nicht.

Dass das Berufungsgericht dieses Vorbringen unberücksichtigt und in seinen Entscheidungsgründen unerwähnt gelassen hat, verletzt den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG und zwingt nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, soweit es um die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage geht. Da nicht auszuschließen ist, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens anders entschieden hätte, macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, mit der Zulassung der Revision zugleich das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).

d) Demgegenüber kommt eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht in Betracht, so dass das angefochtene Urteil insoweit im Ergebnis bestehen bleiben kann. Der Kläger, der sich das Prospektprüfungsgutachten nicht vor seiner Anlageentscheidung hat aushändigen lassen, kann eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht mit seinem Vortrag begründen, der Anlageberater N. habe ihm die Beteiligung empfohlen und mitgeteilt, dass es ein beanstandungsfreies Prospektprüfungsgutachten gebe; er habe von dem Inhalt des Gutachtens Kenntnis gehabt und hätte die Beteiligung ohne das beanstandungsfreie Gutachten nicht empfohlen; er - der Kläger - habe auf die im Prospektprüfungsgutachten enthaltenen Angaben vertraut und hätte sich mangels Empfehlung durch den Berater nicht beteiligt. Wie der Senat unter Heranziehung früherer Entscheidungen befunden hat, kommt es für die Erstreckung der Schutzwirkung und die Haftung nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Bereich der Expertenhaftung entscheidend darauf an, dass der Anleger von dem Gutachten Gebrauch macht und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wird (Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1507 Rn. 28). Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Maß der Erstreckung der Schutzpflicht nicht allein aus der Sicht des am Vertrag nicht beteiligten Dritten zu bestimmen, sondern dass dies in erster Linie Sache der Vertragsparteien ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 138, 257, 261). Im vorliegenden Fall ist insoweit darauf abzustellen, was zu dem Prospektprüfungsgutachten - für alle Anleger lesbar - in dem Prospekt verlautbart worden ist. Wenn es dort heißt, dass "der Bericht nach Fertigstellung den von den Vertriebspartnern vorgeschlagenen ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt" werde, kann der Anleger den Drittschutz grundsätzlich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er das Gutachten für seine Zwecke anfordert und es auf diese Weise zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Solchen Sachvortrag weist die Beschwerde auch in ihrem Schriftsatz vom 17. August 2007 nicht auf.

Ende der Entscheidung

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