Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.02.2008
Aktenzeichen: III ZR 76/07
Rechtsgebiete: BGB, DDR: StHG, VwGO


Vorschriften:

BGB § 426 Abs. 1
BGB § 840 Abs. 1
DDR: StHG § 1 Abs. 1
DDR: StHG § 3 Abs. 2
VwGO § 63
VwGO § 65
VwGO § 78
VwGO § 79
VwGO § 113 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 5
VwGO § 121
Ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über eine Verpflichtungsklage entschieden worden, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Erlass eines ihm günstigen Bescheids zusteht, und werden diesem Anspruch entgegenstehende Bescheide der Ausgangs- und der Widerspruchsbehörde aufgehoben, ist nach Schadloshaltung des Antragstellers durch den Rechtsträger der Ausgangsbehörde der Rechtsträger der Widerspruchsbehörde im Verfahren über seine mögliche Ausgleichspflicht nach § 426 Abs. 1 BGB an das verwaltungsgerichtliche Urteil auch im Verhältnis zum Rechtsträger der Ausgangsbehörde gebunden.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

III ZR 76/07

Verkündet am: 7. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Februar 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht aus auf sie übergegangenem Recht der Landeshauptstadt Dresden einen Anspruch auf hälftigen Innenausgleich gegen den beklagten Freistaat geltend. Dem liegt Folgendes zugrunde:

Eigentümer des Hausgrundstücks F. in D. war seit 1940 A. . Das Grundstück wurde am 28. März 1952 aufgrund der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. September 1951 (GBl. DDR S. 839) unter staatliche Verwaltung gestellt. Seit dieser Zeit wurde das ursprüngliche Mietswohnhaus ausschließlich für Verwaltungszwecke genutzt. Der Rat des Stadtbezirks D. ließ verschiedene Arbeiten an dem Gebäude vornehmen, darunter den Einbau einer gemeinsamen Heizungsanlage für dieses und ein unmittelbar angrenzendes Gebäude. Mit Beschluss des Rates der Stadt D. vom 30. September 1982 wurde das Grundstück auf der Grundlage von § 14 AufbauG i.V.m. § 3 der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz in Volkseigentum überführt.

Die Erbin des früher eingetragenen Eigentümers machte im Juli 1990 Restitutionsansprüche geltend, die sie am 5. August 1994 an Y. (im Folgenden: Antragsteller) abtrat. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen der Landeshauptstadt Dresden sah den Rückübertragungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG als ausgeschlossen an und wies den Restitutionsantrag durch Bescheid vom 21. November 1995 zurück. Das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen wies den Widerspruch des Antragstellers durch Bescheid vom 28. Februar 1996 zurück. Auf die Verpflichtungsklage des Antragstellers hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 21. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesamtes vom 28. Februar 1996 durch Urteil vom 9. September 1998 auf und verpflichtete das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, das Grundstück an den Antragsteller zurück zu übertragen. Der entsprechende Restitutionsbescheid vom 2. November 1998 wurde am 8. Dezember 1998 bestandskräftig. Das Grundstück wurde dem Antragsteller im Juni 2000 zurückgegeben.

Im Vorprozess nahm der Antragsteller die Landeshauptstadt Dresden wegen verzögerter Restitution auf Ersatz von Mietausfallschäden in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 1.123.485,34 € nebst Zinsen statt. Im Berufungsverfahren, in dem die beklagte Stadt dem Freistaat den Streit verkündet hatte, schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, nach dem der Antragsteller 440.000 € erhalten sollte. Der Kommunale Schadensausgleich der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen entrichtete hierauf 153.716,30 € und trat alle Ansprüche aus dem Haftpflichtschaden an die Klägerin ab. Diese hat behauptet, die Zahlung habe sich auf den Ersatz des Mietausfallschadens bezogen, der dem Antragsteller seit Rückgabe des Grundstücks ab Juni 2000 entstanden sei.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei im Hinblick auf den rechtswidrigen Widerspruchsbescheid des Landesamtes verpflichtet, als Gesamtschuldner die Hälfte des entrichteten Schadensersatzes auszugleichen. Ihre demnach auf Zahlung von 76.858,15 € nebst Zinsen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht verneint eine Gesamtschuldnerstellung des Beklagten, weil dieser dem Antragsteller weder nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG noch nach § 1 DDR-StHG hafte. Denn der Widerspruchsbescheid des Landesamtes sei nicht nur vertretbar, sondern stehe mit dem Restitutionsausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG in Einklang. Dies könne das Berufungsgericht ohne Bindung an das rechtskräftige Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts beurteilen. Zwar binde die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig sei, auch den Beklagten als Träger der Widerspruchsbehörde. Diese Wirkung schließe jedoch den hier in Rede stehenden Innenausgleich zwischen der Landeshauptstadt bzw. ihrem Versicherer und dem Beklagten nicht ein, sondern beziehe sich nur auf den Amtshaftungsprozess zwischen dem Antragsteller und der Landeshauptstadt. Das landgerichtliche Urteil in diesem Verfahren und die während des Berufungsverfahrens vorgenommene Streitverkündung an den Beklagten könnten diesen im Hinblick darauf, dass die Parteien des Vorprozesses einen Prozessvergleich geschlossen hätten, nicht binden.

Dem Antragsteller habe kein Restitutionsanspruch, sondern lediglich ein Entschädigungsanspruch zugestanden, weil Gebäude und Grundstück mit erheblichem baulichen Aufwand in ihrer Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert worden seien und ein öffentliches Interesse an ihrer Nutzung bestehe. Dabei spiele es nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG, wie das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 13. Dezember 2005 (8 C 13/04 - ZOV 2006, 136) entschieden habe, keine Rolle, dass die Investitionen hier schon vor der endgültigen Entziehung des Eigentums vorgenommen worden seien.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem maßgebenden Punkt nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, dass das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts für dieses Verfahren keine Bindungen entfalte.

1. a) Nach ständiger, seit langem bestehender Rechtsprechung des Senats sind die Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsgerichten im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gebunden (vgl. nur BGHZ 9, 329, 330 ff <zu § 80 MilRegVO Nr. 165>; 103, 242, 244 f; 119, 365, 368; 134, 268, 273; 146, 153, 156; 161, 305, 309). Die Bindungswirkung erfasst in persönlicher Hinsicht die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 VwGO) und ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf dessen Streitgegenstand beschränkt. In diesem Rahmen folgt die Bindung der Zivilgerichte aus der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Gerichtszweige.

b) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sich in dem Vorprozess über den Schadensersatzanspruch des Antragstellers gegen die Landeshauptstadt die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegenüberstanden. In ihrem Verhältnis zueinander war aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zugrunde zu legen, dass dem Antragsteller im maßgebenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ein Anspruch auf Erlass eines Restitutionsbescheids zustand. Auch wenn die diesem Verfahren vorausgehenden Versagungsbescheide nicht unmittelbar Streitgegenstand der Verpflichtungsklage waren (vgl. BVerwGE 89, 354, 355 f; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn. 63 f; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 121 Rn. 51; Kuntze, in: Bader, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 121 Rn. 19), ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten der Behörde, dem Antragsteller die begehrte Restitution zu versagen, gerade unter Auseinandersetzung mit den ablehnenden Bescheiden vom Verwaltungsgericht geprüft worden ist. Das Verwaltungsgericht hat daher auch, wie es vielfach üblich ist (vgl. hierzu Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 113 Rn. 33, 36), im Tenor seiner Entscheidung den Bescheid vom 21. November 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes vom 28. Februar 1996 aufgehoben und die Landeshauptstadt verpflichtet, das Grundstück an den Antragsteller zurück zu übertragen. Infolge dieser Verknüpfung, bei der man die Versagungsbescheide durchaus als im Lebenssachverhalt mit angelegte Teile des Streitgegenstands betrachten kann, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung auch bei Verpflichtungsklagen angenommen, dass sich die Bindung der Zivilgerichte - soweit keine Veränderung der entscheidungserheblichen Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen ist - auch auf die Beurteilung der Verwaltungsgerichte erstreckt, dass die jeweils ablehnenden Bescheide rechtswidrig gewesen sind (vgl. Senatsurteile vom 26. April 1979 - III ZR 100/77 - NJW 1980, 387; BGHZ 119, 365, 368; vom 17. März 1994 - III ZR 27/93 - NJW 1994, 3158 f; vom 21. November 2002 - III ZR 278/01 - NVwZ-RR 2003, 403; zum Übergang von einer erledigten Verpflichtungsklage zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag bei unveränderter Sach- und Rechtslage vgl. BVerwGE 89, 354, 356).

c) Das verwaltungsgerichtliche Verfahren war auch geeignet, Bindungen zu Lasten des Beklagten zu entfalten, die in einem anschließenden Schadensersatzprozess zu beachten gewesen wären, wenn sich der Antragsteller zu einer klageweisen Durchsetzung seiner Ansprüche gegen den Beklagten entschlossen hätte.

aa) Zwar war der Beklagte als Träger der Widerspruchsbehörde nicht Beteiligter des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Denn in Fällen, in denen - wie hier - der Ausgangs- und der Widerspruchsbescheid in jeder Hinsicht übereinstimmen, ist die Klage (nur) gegen die Körperschaft (oder nach entsprechender Bestimmung des Landesrechts gegen die Behörde) zu richten, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat (vgl. § 78 Abs. 1 VwGO). Nur wenn der Widerspruchsbescheid erstmalig oder gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche Beschwer enthält, ist der Rechtsträger der Widerspruchsbehörde überhaupt am verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt (vgl. § 78 Abs. 2, § 79 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwGO). Stimmen der Ausgangs- und der Widerspruchsbescheid inhaltlich überein, liegt auch kein Fall vor, den Träger der Widerspruchsbehörde nach § 65 Abs. 1, 2 VwGO am Verfahren zu beteiligen, obwohl - etwa bei einer erfolgreichen Anfechtungsklage - der Verwaltungsakt und der etwaige Widerspruchsbescheid nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben sind, also eine - im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Bescheide - notwendig einheitliche Entscheidung zu ergehen hat (vgl. VGH Mannheim ESVGH 16, 89, 90; Eyermann/Jörg Schmidt, aaO § 65 Rn. 14; Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 65 Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 65 Rn. 12). Insoweit wird vielmehr im Anschluss an das Senatsurteil vom 12. Juli 1962 (III ZR 16/61 - DÖV 1962, 791, 792 = DVBl. 1962, 753, 754), in dem nach den damals maßgeblichen Bestimmungen des Prozessrechts (§ 50 MilRegVO) die Anfechtungsklage gegen den Rechtsträger der Widerspruchsbehörde zu richten war, in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum weitgehend einhellig angenommen, der in Anspruch genommene Rechtsträger verteidige im Prozess vor dem Verwaltungsgericht nicht nur die eigene Entscheidung, sondern zugleich in Art einer Prozessstandschaft auch diejenige der Widerspruchsbehörde; hieraus wird eine Erstreckung der Rechtskraft auch auf den nicht beteiligten Träger der Widerspruchsbehörde gefolgert (vgl. VGH Mannheim aaO; VGH Kassel NVwZ-RR 2005, 580, 581; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO § 121 Rn. 96; Kopp/Schenke, aaO § 121 Rn. 24; Wolff, in: Wolff/Decker, VwGO/VwVfG, 2. Aufl. 2007, § 121 VwGO Rn. 33; Kuntze, in Bader, aaO § 121 Rn. 9; Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, aaO § 121 Rn. 6a; Eyermann/Rennert, aaO § 121 Rn. 38; zur Erstreckung der Rechtskraft eines den Gesetzesvollzug eines Landes betreffenden verwaltungsgerichtlichen Urteils auf die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Auftragsverwaltung vgl. BVerwG NVwZ 1999, 296 unter weiterer Bezugnahme auf BVerwG NVwZ 1993, 781, 782).

bb) Ob sich aus dem Institut der Prozessstandschaft grundsätzlich ergibt, dass der betroffene Rechtsträger auch im Verhältnis zum Prozessstandschafter gebunden ist (vgl. hierzu allgemein Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, vor § 50 Rn. 33-41 m.w.N.), bedarf hier keiner allgemeinen Beantwortung. Für die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angenommene Bindung sprechen folgende gewichtige Gründe: Zum einen können Ausgangs- und Widerspruchsbescheid, die wie hier inhaltlich übereinstimmen, notwendig nur einheitlich beurteilt werden. Zum anderen fehlen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren andere Mittel, die betroffenen Rechtsträger an die getroffene einheitliche Entscheidung zu binden. Denn die Möglichkeit einer Streitverkündung ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchgängig verschlossen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 13. Mai 1993 - 20 A 1821/91 - juris Orientierungssatz 1, insoweit nicht veröffentlicht; Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO § 65 Rn. 2, Stand April 2006; Kopp/Schenke, aaO § 65 Rn. 2). Auch eine Beiladung, die eine der Streitverkündung ähnliche Funktion im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu erfüllen hat, ist in Fällen der erörterten Art gleichfalls - wie zu aa) ausgeführt - nicht zulässig. Unter diesen Umständen verlangen die Durchsetzung der Rechte des betroffenen Antragstellers wie ein sachgerechter Umgang mit der Ressource des Primärrechtsschutzes, dass auch der Träger der Widerspruchsbehörde an das rechtskräftige Erkenntnis des Verwaltungsgerichts gebunden wird. Eine unzumutbare Verkürzung der Rechtsstellung des Beklagten ist hierin nicht zu sehen. Zwar lässt sich nicht leugnen, dass die Regelung in § 78 VwGO dem Rechtsträger der Widerspruchsbehörde, soweit der Widerspruchsbescheid keine erstmalige oder zusätzliche Beschwer enthält, eine unmittelbare Einwirkung auf das gerichtliche Verfahren nimmt. Das ist jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die Wahrnehmung der Rechte durch den Rechtsträger der Ausgangsbehörde genügt und der Rechtsträger der Widerspruchsbehörde als juristische Person des öffentlichen Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG keine weitergehenden Rechte für sich in Anspruch nehmen kann (vgl. BVerfGE 39, 302, 316). Es kommt hinzu, dass dem Beklagten hier nach Art. 1 §§ 1, 2 des Sächsischen Aufbaubeschleunigungsgesetzes vom 4. Juli 1994 (SächsGVBl. S. 1261) ein uneingeschränktes Weisungsrecht zustand, mit dem er auf die Prozessführung durch die Ausgangsbehörde oder durch deren Rechtsträger hätte Einfluss nehmen können, insbesondere zur Frage, ob die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichts mit der Beschwerde angefochten werden sollte.

2. Ist hiernach im Verhältnis vom Antragsteller sowohl zur Landeshauptstadt als auch zum Beklagten von einer Bindung an die Beurteilung des Verwaltungsgerichts auszugehen, dass die die Rückgabe versagenden Bescheide - worauf es entscheidend ankommt (vgl. Senatsurteil BGHZ 166, 22, 26 Rn. 12) - rechtswidrig gewesen sind, ergibt sich dem Grunde nach eine gesamtschuldnerische Verpflichtung zur Schadensersatzleistung nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 StHG i.V.m. § 840 Abs. 1 BGB (siehe hierzu bereits Senatsurteil BGHZ 9, 65, 66 ff). Demgegenüber scheiden Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, aus, weil die Beamten jedenfalls ohne Verschulden gehandelt haben.

a) Das nach dem Beitritt als Landesrecht fortgeltende Staatshaftungsgesetz ist zwar nach Art. 1 § 2 Abs. 1 des Sächsischen Rechtsbereinigungsgesetzes (SächsRBG) vom 17. April 1998 (SächsGVBl. S. 151) mit Ablauf des 30. April 1998 außer Kraft getreten. Hiervon bleiben aber nach Art. 1 § 4 Satz 1 SächsRBG bestehende Rechtsverhältnisse unberührt. Zu diesen gehören die hier verfolgten Schadensersatzansprüche, die auf die Bescheide vom 21. November 1995 und 28. Februar 1996 zurückgehen. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05 - NVwZ 2007, 362, 366 Rn. 34) ist es unerheblich, dass die Schadensersatzansprüche, die Gegenstand des Ausgleichsbegehrens der Klägerin sind, nach ihrer Behauptung den Zeitraum ab Juni 2000 betreffen.

b) Ohne Bedeutung für den hier verfolgten Ausgleichsanspruch ist es auch, dass sich der Antragsteller zur Schadensregulierung nur an die Landeshauptstadt gewandt hat. Das gesamtschuldnerische Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Landeshauptstadt hängt nicht davon ab, dass der Gläubiger alle Gesamtschuldner in Anspruch nimmt. Vielmehr entsteht der Ausgleichsanspruch bereits mit der Begründung der Gesamtschuld (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1991 - IX ZR 286/90 - NJW 1991, 1733, 1734). Er wird auch nicht davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichspflichtigen inzwischen verjährt (RGZ 69, 422, 426) oder wegen Ablaufs einer Ausschlussfrist erloschen ist (Senatsurteil vom 30. Oktober 1980 - III ZR 132/79 - NJW 1981, 681).

c) Die Schadensersatzpflicht nach § 1 StHG erfasst auch den hier vom Antragsteller verfolgten Ersatz entgangenen Gewinns in Form des behaupteten Mietausfallschadens. Die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts Potsdam (LKV 2001, 182, 183), das Schäden aus einer entgangenen Vermögensmehrung allgemein für nicht ersatzfähig hält, steht mit § 3 Abs. 2 StHG, § 252 BGB nicht in Einklang und übersieht die Rechtsprechung des Senats, der den Inhalt von Amtshaftungsansprüchen und Ansprüchen aus dem Staatshaftungsgesetz im Wesentlichen nach denselben Grundsätzen behandelt (vgl. Senatsurteil BGHZ 166, 22, 27 Rn. 14).

3. Ergibt sich in Bezug auf die Schadensersatzansprüche des Antragstellers im Hinblick auf die Bindungen durch das Urteil des Verwaltungsgerichts daher eine gesamtschuldnerische Haftung der Landeshauptstadt und des Beklagten, ist im weiteren zu prüfen, ob diese Bindungen auch im Verhältnis der Stadt zu dem Land zu beachten sind.

a) Aus der Streitverkündung der Klägerin an den Beklagten im Vorprozess des Antragstellers gegen die Landeshauptstadt lässt sich eine solche Wirkung, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht herleiten. Dieses Verfahren ist durch einen Prozessvergleich abgeschlossen worden. Einem Prozessvergleich kommt die Interventionswirkung nach § 74 Abs. 3, § 68 ZPO nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 276/03 - NJW-RR 2005, 1435).

b) Allgemein wird im bürgerlichen Recht das innere Schuldverhältnis der Gesamtschuldner untereinander als ein solches behandelt, das selbständig neben dem Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner steht (vgl. bereits RGZ 69, 422, 425 f; 146, 97, 101). Daraus folgt etwa, dass ein vom Gläubiger gegenüber dem Gesamtschuldner erwirktes Urteil keine Rechtskraftwirkungen für den Ausgleichsanspruch hat, den der (in Anspruch genommene) Gesamtschuldner gegen einen anderen Gesamtschuldner geltend macht.

Die vorliegende Konstellation ist allerdings von der Besonderheit gekennzeichnet, dass in einem Vorprozess des Antragstellers - sei es gegen die Landeshauptstadt, sei es gegen den beklagten Freistaat - bindend die Feststellung des Verwaltungsgerichts zugrunde zu legen war, dass die die Restitution ablehnenden Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Unter solchen Umständen kann man aber einer Streitverkündung im Schadensersatzprozess in Bezug auf dieses Element eines Schadensersatzanspruchs ohnehin keine eigenständige Bedeutung beimessen. Denn sie würde insoweit nur eine Wirkung äußern, die sich für den Beklagten auch unmittelbar aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergäbe. Stellt man aber auf diese Besonderheit ab, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig eine einheitliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ergeht, führt nur eine auch interne Bindung dazu, dass die Schadensersatzpflicht der Landeshauptstadt oder des Freistaats nicht von dem zufälligen Umstand abhängt, wen der Antragsteller auf Ersatz in Anspruch nimmt.

c) Legt man daher auch im Verhältnis der Landeshauptstadt zum Beklagten eine Bindung an das verwaltungsgerichtliche Urteil zugrunde, lässt sich dem Grunde nach eine Haftung des Beklagten nicht verneinen.

Da Ansprüche aus § 426 Abs. 1 BGB von § 67 VVG erfasst werden und die privatrechtlichen Beziehungen zwischen einem Kommunalen Schadensausgleich und seinen Mitgliedern als ihrem Wesen nach echte Versicherungsverhältnisse den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes unterliegen (BGH, Urteil vom 16. November 1967 - II ZR 259/64 - VersR 1968, 138 f), ging ein der Landeshauptstadt gegen das Land zustehender Ausgleichsanspruch auf den Kommunalen Schadensausgleich, soweit er den Antragsteller befriedigte, über. Dieser Anspruch ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts an die Klägerin abgetreten worden.

Die Bindung an das Urteil des Verwaltungsgerichts wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass das Bundesverwaltungsgericht, anders als das Verwaltungsgericht für richtig befunden hat, entschieden hat, dass auch nach der Anordnung der staatlichen Verwaltung, aber vor der Überführung in Volkseigentum vorgenommene bauliche Maßnahmen zu einem Ausschluss der Rückübertragung nach § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG führen können (vgl. BVerwG ZOV 2006, 136). Zwar endet die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile grundsätzlich mit der Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. Kopp/Schenke, aaO § 121 Rn. 28). Eine solche Änderung der Sach- oder Rechtslage kann aber in der erstmaligen höchstrichterlichen Klärung einer Rechtsfrage nicht gesehen werden (vgl. BVerwGE 91, 256, 259 ff; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO § 121 Rn. 75; Kilian, in: Sodan/Ziekow, aaO § 121 Rn. 119).

4. Das Berufungsgericht wird daher im weiteren Verfahren prüfen müssen, ob dem Antragsteller in der von der Klägerin behaupteten Zeit der vom Kommunalen Schadensausgleich regulierte Schaden entstanden ist und ob der Beklagte hieran - dem Grundsatz des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend - hälftig zu beteiligen ist. Die in der mündlichen Revisionsverhandlung geäußerte Auffassung des Beklagten, im Innenverhältnis komme eine Mithaftung des Rechtsträgers der Widerspruchsbehörde nicht in Betracht, wenn diese (nur) den Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid zurückgewiesen habe, trifft nicht zu (vgl. zum Ganzen Staudinger/Wurm, BGB, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 77).

Ende der Entscheidung

Zurück