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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: III ZR 90/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 531
ZPO § 531 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 544 Abs. 7
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

III ZR 90/05

vom 27. Oktober 2005

in dem Rechtsstreit

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2004 zugelassen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 35.756,51 €.

Gründe:

I.

Die Beklagte betreibt in B. das Gestüt "P. ". Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Inhabers des Gestüts "L. " in T. , Ansprüche in Höhe von 35.756,51 € wegen der Unterbringung und Versorgung von mehreren Pferden und deren Fohlen sowie für das Decken dreier Stuten geltend. Die Klägerin hat behauptet, die entsprechenden Verträge habe der Zedent mit einem M. H. geschlossen, der im Namen des Gestüts "P. " aufgetreten und von der Beklagten bevollmächtigt gewesen sei.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

II.

Die Beschwerde führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, aufgrund des unstreitigen Sachverhalts kämen die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht zu Lasten der Beklagten zum Tragen. Soweit sich diese mit Schriftsatz vom 4. November 2002 auf das Zeugnis des M. H. bezogen habe, sei der hierzu vorgetragene Sachverhalt zu unpräzise. Es mache keinerlei Sinn, H. über die Behauptung zu vernehmen, "nach seiner Erinnerung (habe) er nur einen Vertrag mit dem Kläger in eigenem Namen geschlossen und eigenhändig unterschrieben". Jedenfalls aber ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung. Soweit die Berufungsbegründung zurückgewiesene beziehungsweise neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalte, komme eine Berücksichtigung gemäß § 531 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

2. Dies beruht, wie die Beschwerde mit Recht geltend macht, auf der Verletzung des Grundrechts auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), so dass der Senat das angefochtene Urteil nach § 544 Abs. 7 ZPO aufheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen konnte.

a) Das Berufungsgericht hat mit seinen Annahmen, die Beklagte habe das Handeln des M. H. nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht gegen sich gelten lassen müssen, jedenfalls sei die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung begründet, entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen.

Diese hatte bereits in erster Instanz, wie auch aufgrund der Darstellung des bestrittenen Vorbringens der Klägerin in dem landgerichtlichen Urteil feststeht (§ 314 Satz 1 ZPO), in Abrede gestellt, dass M. H. bei Abschluss der von der Klägerin behaupteten Verträge in ihrem Namen aufgetreten sei. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Schriftsatz vom 4. November 2002. Die Beklagte hat darin bestritten, dass M. H. bei Abschluss der Verträge eine Vollmachtsurkunde vorlegte. Als Beleg ("dafür spricht...") hat sie darauf hingewiesen, dass die drei Verträge, unter denen sich dessen Unterschrift befinde (betreffend die Stuten N. , N. E. und J. ), "auf diesen allein ausgestellt" und damit nur "relative Rechtsbeziehungen zu Herrn H. begründet" worden seien. Ferner hat sie unter Benennung des M. H. als Zeugen hierzu vorgetragen, dieser habe erklärt, nur einen Vertrag mit dem Zedenten geschlossen zu haben, und zwar den über die Stute N. . Diesen Vertrag sei er in eigenem Namen eingegangen. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2002 (eingegangen beim Landgericht am selben Tage) hat die Beklagte ergänzend vorgetragen, der Zedent habe gewusst, dass H. in eigenem Namen gehandelt habe.

Mit ihrer Berufungsbegründung vom 28. April 2003 hat die Beklagte unter Wiederholung ihres Beweisantritts weiter ausgeführt, die von M. H. unterschriebenen drei Verträge habe dieser sämtlich in eigenem Namen, ohne Zustimmung der Beklagten und gegen ihren Willen schließen wollen, was er dem Zedenten gegenüber sogar ausdrücklich erklärt habe.

Aus der Gesamtschau dieses Vorbringens, insbesondere unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen einleitenden Bemerkung in dem Schriftsatz vom 4. November 2002 und des Schriftsatzes vom 20. Dezember 2002 ergibt sich, dass die Beklagte hinsichtlich aller Pferdepensions- und - deckverträge behauptet hat, H. sei bei deren Abschlüssen in eigenem Namen aufgetreten. Der Vortrag zu den Verträgen betreffend die drei Stuten N. , N. E. und J. sowie zur Äußerung des H. diente der Beklagten nur zur Untermauerung dieser Behauptung.

b) Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt, obgleich dies geboten war.

aa) Soweit es meint, der Vortrag im Schriftsatz vom 4. November 2002 sei zu unpräzise, hat es übersehen, dass die Beklagte nicht nur die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Äußerung des M. H. vorgetragen, sondern weitergehend geltend gemacht hat, sämtliche Verträge seien nicht in ihrem Namen geschlossen worden. Die Erklärung des H. sollte, wie ausgeführt, lediglich Indiz für diese Behauptung sein. Im Übrigen hätte das Berufungsgericht, wenn es den Sachvortrag der Beklagten für unzureichend gehalten hat, diese nach § 139 Abs. 1 ZPO auf seine Bedenken rechtzeitig hinweisen und ihr Gelegenheit zur Ergänzung des Vorbringens geben müssen.

bb) Soweit das Berufungsgericht den hier maßgeblichen Vortrag nach § 531 ZPO zurückgewiesen hat - dies wird nicht ganz klar, weil das Berufungsurteil nur pauschal auf "zurückgewiesene beziehungsweise neue Angriffs- und Verteidigungsmittel" in der Berufungsbegründung Bezug nimmt - war dies unzulässig. Absatz 1 dieser Bestimmung greift nicht ein, da das vorgenannte Verteidigungsvorbringen in erster Instanz nicht zurückgewiesen worden war. Absatz 2 rechtfertigt gleichfalls nicht die Zurückweisung, da sämtliche Tatsachen zu dem hier entscheidenden Punkt bereits in erster Instanz vorgetragen worden waren.

cc) Der unberücksichtigt gebliebene Vortrag der Beklagten ist entscheidungserheblich, so dass das angefochtene Urteil auf dem Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs beruht. Das Berufungsgericht hätte vor der Entscheidung über die Klageforderung weitere Feststellungen treffen müssen.

(1) Die Beklagte ist aus den von M. H. geschlossenen Verträgen nur verpflichtet, wenn dieser in ihrem Namen auftrat und Vertretungsmacht hatte. Für das Handeln in fremdem Namen würde es genügen, wenn sich die Rechtsgeschäfte erkennbar auf das von der Beklagten betriebene Unternehmen bezogen (vgl. z.B.: BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - IX ZR 25/94 - NJW 1995, 43, 44 m.w.N.). Dem Vorbringen der Beklagten zufolge trat H. jedoch bei Abschluss der Deck- und Pensionsverträge nicht für das Gestüt "P. ", sondern in seinem eigenen Namen auf. Danach schieden Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus diesen Verträgen aus. Da derjenige, der Rechte aus einer wirksamen Stellvertretung herleiten will, deren Voraussetzungen darlegen und beweisen muss (BGH aaO und Senatsurteil vom 28. Februar 1985 - III ZR 183/83 - NJW 1986, 1675; Bamberger/Roth/Habermeier, BGB, § 164 Rn. 47), hätte das Berufungsgericht zunächst prüfen müssen, ob die Klägerin hinreichend substantiiert diejenigen Umstände dargelegt hat, aus denen sich ergab, dass M. H. nicht in eigenem Namen, sondern in dem der Beklagten auftrat, oder dass die von ihm geschlossenen Verträge erkennbar auf das Gestüt der Beklagten bezogen waren. Wenn und soweit das Berufungsgericht bei dieser Prüfung zu einem für die Klägerin positiven Ergebnis gekommen wäre, was zumindest hinsichtlich der von dem Transporteur B. (oder B. ) angelieferten Pferde aus Sicht des Senats zweifelhaft erscheint, hätte es - vorbehaltlich einer schlüssigen Darlegung der Vertretungsmacht des H. - den von der Klägerin für ihre Behauptungen angebotenen Beweis erheben (vgl. z.B. Schriftsätze vom 8. Juli 2002, 8. Oktober 2002 und 2. Dezember 2002: Zeugnis W. ) und die für die Darstellung der Klägerseite beanspruchten Indiztatsachen würdigen müssen. Gegebenenfalls wäre gegenbeweislich M. H. als Zeuge zu hören gewesen. Das Berufungsgericht hätte sich mit der von ihm in den Mittelpunkt gerückten Frage, ob die Voraussetzungen für die Vertretungsmacht des H. bewiesen sind beziehungsweise die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht vorlagen, (erst) befassen müssen, wenn und soweit dessen Auftreten unter fremdem Namen bewiesen war.

(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich der Klageanspruch auch nicht unabhängig davon, ob die Beklagte aus den Pensions- und Deckverträgen verpflichtet ist, aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sollten die Verträge mit H. und nicht mit der Beklagten zustande gekommen sein, schieden Kondiktionsansprüche gegen diese aufgrund des Vorrangs der Leistungsbeziehung aus. Soweit der Zuwendende (hier der Zedent) die Vermögensverschiebung zur Erfüllung einer bestehenden oder angenommenen Leistungsverpflichtung veranlasst hat, kommen grundsätzlich keine Ansprüche gegen Dritte, die an dem Leistungsverhältnis nicht beteiligt sind, aus Bereicherungsrecht in Betracht (ständige Rechtsprechung, z.B.: Senatsurteil vom 4. Februar 1999 - III ZR 56/98 - NJW 1999, 1393, 1394 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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