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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.03.2004
Aktenzeichen: IV ZR 15/03
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 3 Satz 1
VVG § 12 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

IV ZR 15/03

Verkündet am: 3. März 2004

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. November 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind Eheleute, sie nehmen den Beklagten wegen Verletzung anwaltlicher Pflichten in Haftung.

Im Juni 1999 brannte das bei der Streithelferin der Kläger gegen Feuer zum gleitenden Neuwert versicherte, 1983 aus Fertigteilen errichtete Wohnhaus der Kläger mit Ausnahme des Kellers nieder. Die Kläger ließen es in Massivbauweise und etwas verändert wiedererrichten. Über die erforderlichen Wiederherstellungskosten konnten sie in der Folgezeit keine Einigung mit der Streithelferin (ihrem Versicherer) erzielen. Letztere setzte mit Schreiben vom 16. Dezember 1999 ihre Entschädigungsleistungen auf insgesamt 493.960 DM fest. Das Schreiben enthielt unter anderem die folgende Belehrung:

"Einwendungen gegen diese Festsetzung müssen innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt dieses Schreibens gerichtlich geltend gemacht werden. Lassen Sie die Frist verstreichen, so können Sie weitergehende Ansprüche - und seien sie auch berechtigt - nicht mehr erheben (§ 12 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes)."

Nachfolgend beauftragte der Kläger zu 2) den Beklagten mit der Geltendmachung einer höheren Versicherungsleistung. Nach umfangreicher Korrespondenz mit der Streithelferin wies der Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2000 den Kläger zu 2) darauf hin, daß Ansprüche gegen den Versicherer bis zum 17. Juni 2000 gerichtlich geltend gemacht werden müßten. Zu einer solchen gerichtlichen Geltendmachung kam es jedoch nicht.

Die Kläger behaupten, der Beklagte sei umfassend mit der Verfolgung ihrer gegen den Versicherer bestehenden Leistungsansprüche beauftragt worden, das habe auch die gerichtliche Geltendmachung eingeschlossen. Neben den reinen Wiederaufbaukosten, die (bei reduzierter Ausstattung des neuen Hauses) schon insgesamt 601.576 DM betragen hätten, seien auch ihre Mietausfall-, Lösch- und Abbruchkosten deutlich höher gewesen als vom Versicherer erstattet. Den Differenzbetrag könnten sie nun nicht mehr geltend machen, weil der Beklagte die Frist des § 12 Abs. 3 VVG versäumt habe.

Der Beklagte erwidert, er sei lediglich zur außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt worden; auf den Ablauf der genannten Frist habe er ordnungsgemäß hingewiesen.

Mit Versäumnisurteil hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 106.400,70 € (208.101,69 DM) nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf den Einspruch des Beklagten hat es das Versäumnisurteil unter Abweisung der Klage im übrigen in Höhe von lediglich 2.752,81 € (5.384,03 DM) aufrechterhalten. Nach Berufung der Kläger und Anschlußberufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Versäumnisurteil vollen Umfangs aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der Revision erstreben die Kläger, die inzwischen Kosten für Löscharbeiten in Höhe von 11.871,43 € nicht mehr weiter verfolgen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Versäumnisurteils, soweit es den Beklagten zur Zahlung von insgesamt 94.529,27 € (184.883,18 DM) verurteilt hat.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht meint, den Klägern sei kein Schaden daraus entstanden, daß der Beklagte Ansprüche gegen ihre Streithelferin (den Versicherer) nicht bis zum 17. Juni 2000 gerichtlich geltend gemacht habe. Die Klagfrist des § 12 Abs. 3 VVG sei nämlich nicht wirksam in Gang gesetzt worden, weil das Schreiben der Streithelferin vom 16. Dezember 1999 keine den strengen gesetzlichen Anforderungen entsprechende Belehrung über die Folgen des Fristablaufs (§ 12 Abs. 3 Satz 2 VVG) enthalten habe. Die von der Streithelferin gewählte Belehrung verschleiere mit der Formulierung, "Einwendungen gegen diese Festsetzung" müßten gerichtlich geltend gemacht werden, daß bei Fristversäumnis der materielle Versicherungsanspruch selbst verloren gehe. Die Belehrung spreche nur aus, daß der Versicherungsnehmer den Anspruch nach Versäumung der Frist nicht mehr erheben könne; ihr sei aber nichts dazu zu entnehmen, ob nicht ein Dritter (etwa eine mitversicherte Person oder ein Zessionar) den Anspruch auch noch später geltend machen könne. Es werde in der Belehrung im übrigen nicht ausreichend deutlich, daß die angedrohte Rechtsfolge gerade auch den abgelehnten Teil des bereits erhobenen Anspruchs betreffe. Denn "weitergehende Ansprüche" könnten nach der Umgangssprache auch noch nicht erhobene Ansprüche aus demselben Versicherungsfall sein. Somit verdunkele die Belehrung geradezu die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 VVG.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil es die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 VVG überspannt.

1. Es trifft zwar zu, daß an die Belehrung (§ 12 Abs. 3 Satz 2 VVG) über die Rechtsfolgen der Versäumung der Klagefrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG strenge Anforderungen gestellt werden. Sie muß den Versicherungsnehmer klar und deutlich darüber aufklären, daß er durch bloßen Zeitablauf seinen materiellen Versicherungsanspruch verliert, wenn er ihn nicht vor Fristende gerichtlich geltend macht. Formulierungen, die diese Rechtsfolge verdunkeln oder in einem minder gefährlichen Licht erscheinen lassen, machen die Belehrung unwirksam (Senatsurteil vom 19. September 2001 - IV ZR 224/00 - VersR 2001, 1497 unter II 2 m.w.N.).

2. Die vorliegende Rechtsfolgenbelehrung genügt aber diesen Anforderungen.

Hat der Versicherer - wie hier - die von ihm zu erbringende Versicherungsleistung niedriger festgesetzt als vom Versicherungsnehmer gefordert, so erschließt sich letzterem ohne weiteres, daß mit den innerhalb der Klagfrist gerichtlich geltend zu machenden "Einwendungen gegen diese Festsetzung" nichts anderes gemeint sein kann als die Weiterverfolgung des überschießenden, vom Versicherer nicht anerkannten Anspruchs. Dieses Verständnis findet seine Bestätigung im anschließenden Satz der Belehrung, wonach nach Fristablauf "weitergehende Ansprüche" nicht mehr erhoben werden können. Da der erste Satz erkennbar die Fristgebundenheit der Anspruchstellung, der zweite Satz die Folge einer Fristversäumnis erläutert, liegt es fern anzunehmen, der zweite Satz habe allein solche Ansprüche zum Gegenstand, die noch gar nicht erhoben waren.

Weiter weist die Belehrung klarstellend darauf hin, daß selbst an sich berechtigte Ansprüche nach Fristablauf nicht mehr erhoben werden können. Das macht ausreichend deutlich, daß sich der Fristablauf materiellrechtlich auswirkt, der Versicherungsnehmer also nicht lediglich sein Klagerecht, sondern den Anspruch selbst einbüßt (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 14. Februar 1991 - IX ZR 91/90 - BGHR VVG § 12 Abs. 3 Satz 2 Belehrung 2). Die Befürchtung des Berufungsgerichts, der Versicherungsnehmer könne das dahin mißverstehen, daß nach Fristablauf der Anspruch immerhin noch von Dritten, etwa der mitversicherten Ehefrau oder einem Zessionar, weiterverfolgt werden könne, teilt der Senat nicht.

3. Das Schreiben des Versicherers vom 16. Dezember 1999 und die darin enthaltene Belehrung haben deshalb die Klagfrist wirksam in Lauf gesetzt. Mit ihrem Ablauf am 17. Juni 2000 haben die Kläger den Anspruch gegen die Streithelferin auf die geforderten weitergehenden Versicherungsleistungen verloren. Davon ausgehend muß die Sache neu verhandelt werden.

Ende der Entscheidung

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