Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: IV ZR 198/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2325 Abs. 1
Nimmt die als Vorerbin eingesetzte Ehefrau des Erblassers ihr Pflichtteilsrecht nicht in Anspruch (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB), liegt darin keine Schenkung zugunsten des Nacherben, die Pflichtteilsergänzungsansprüche nach der Ehefrau begründen könnte.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 198/00

Verkündet am: 26. September 2001

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juli 2000 aufgehoben und das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juni 1999, soweit es zum Nachteil des Beklagten ergangen ist, geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Geschwister und streiten über Pflichtteilsansprüche nach den Eltern. Diese hatten sich in einem notariellen Erbvertrag mit dem Beklagten gegenseitig zu (nichtbefreiten) Vorerben und den Beklagten zum Nacherben des Erstversterbenden sowie Erben des Längstlebenden eingesetzt. Das Vermögen bestand im wesentlichen aus einem Hausgrundstück, das dem Vater allein gehörte.

Der Vater starb im Jahre 1990. Die drei Klägerinnen erhielten auf ihren Pflichtteil nach dem Vater je 25.000 DM, d.h. je 1/16 des unstreitig mit 400.000 DM zu bewertenden Hausgrundstücks. Die Mutter übertrug dem Beklagten 1991 das Hausgrundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Sie starb 1996.

Die Klägerinnen haben im vorliegenden Verfahren vom Beklagten je 1/8 des Grundstückswerts als Pflichtteil nach der Mutter verlangt, also je 50.000 DM. Das Landgericht hat den Klägerinnen nur je 25.000 DM zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Er verfolgt sein Ziel, eine Abweisung der Klage zu erreichen, mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Klage.

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Beklagte als Nacherbe aufgrund des Erbvertrags der Eltern das Grundstück beim Tod der längerlebenden Mutter unmittelbar als Erbe des Vaters hätte erwerben sollen. In den Nachlaß der Mutter als (nichtbefreiter) Vorerbin habe das Grundstück nicht gelangen und deshalb auch nicht zu Pflichtteilsansprüchen nach der Mutter führen können. Die Mutter habe über das Grundstück durch den Schenkungsvertrag von 1991 nur mit Zustimmung des Beklagten als Nacherben wirksam verfügen können (§ 2113 BGB). Dadurch seien die Klägerinnen jedoch nicht um irgendwelche Rechte gebracht worden, die ihnen ohne dieses Rechtsgeschäft beim Tod der Mutter zugefallen wären.

Das Berufungsgericht ist jedoch der Meinung, auch wenn man streng zwischen der Erbfolge nach dem Vater und nach der Mutter unterscheide, sowie danach, welche Werte jeweils in den Nachlaß des Vaters oder aber der Mutter gefallen seien, stehe den Klägerinnen noch ein Pflichtteilsanspruch nach der Mutter zu. Der vorliegende Fall könne im Ergebnis nicht anders beurteilt werden als der Fall, daß der Vater den Beklagten als Alleinerben eingesetzt hätte. Dann hätten die Klägerinnen zwar nach dem Vater auch nur einen Pflichtteil von 1/16 des Nachlaßwertes erhalten. Außerdem wäre aber der Mutter 1/4 dieses Wertes als Pflichtteil zugeflossen. Davon hätte den Klägerinnen beim Tod der Mutter ein Erbteil in Höhe von je 1/4 zugestanden, d.h. bezogen auf den Wert des Grundstücks beim Tod des Vaters weitere je 25.000 DM. Im vorliegenden Fall habe die Mutter ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Vater jedoch nicht durchgesetzt, um das Erbe des Beklagten nicht zu schmälern. Darin liege eine unentgeltliche Zuwendung der Mutter an den Sohn in Gestalt eines Erlasses von Verbindlichkeiten. Die Zuwendung sei aufgrund des Erbvertrages erfolgt und erst mit dem Tod der Mutter wirksam geworden. Sie müsse vom Beklagten nach dem Rechtsgedanken des § 2325 BGB ausgeglichen werden.

2. Dem ist nicht zu folgen.

a) Die Revision rügt mit Recht, daß ein Erlaßvertrag hier nicht in Betracht kommt. Der Mutter hätte nach dem Tod des Vaters ein Pflichtteilsanspruch nur zugestanden, wenn sie die ihr insgesamt angefallene Erbschaft ausgeschlagen hätte (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das ist jedoch nicht geschehen.

b) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, konnte das Grundstück des Vaters - anders als im Falle eines Berliner Testaments (§ 2269 BGB) - wegen der hier angeordneten Nacherbfolge des Beklagten nicht in den Nachlaß der Mutter gelangen, von dem die Klägerinnen den Pflichtteil fordern (allgemeine Meinung, vgl. BGHZ 44, 152, 153 ff.; MünchKomm/Grunsky, BGB 3. Aufl. § 2100 Rdn. 1; § 2139 Rdn. 1; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts 4. Aufl. § 28 I 2 a S. 533). Die Pflichtteilsquote, die den Klägerinnen nach dem Tod des Vaters zusteht, ist gemäß §§ 2303 Abs. 1, 2310 BGB abstrakt unter Berücksichtigung der Erbquote anderer Berechtigter zu ermitteln; sie erhöht sich nicht etwa deshalb, weil ein anderer Berechtigter - wie hier die Mutter - ihren Pflichtteil nicht geltend macht (MünchKomm/Frank, § 2303 Rdn. 4; § 2310 Rdn. 1; Staudinger/Haas, BGB Juni 1998, § 2303 Rdn. 79 a.E.). Vielmehr ist es nach der formalen und starren Struktur des Pflichtteilsrechts (BGHZ 88, 102, 106) in einem Fall wie dem vorliegenden hinzunehmen, daß die Klägerinnen nach dem Tod der Mutter nicht den Pflichtteil von dem Betrag erhalten, den die Mutter als ihren Pflichtteil nach dem Vater hätte fordern können, tatsächlich aber nicht in Anspruch genommen hat. Daß dies dem Beklagten nützt, dessen Erbschaft nach dem Vater nicht durch Pflichtteilsansprüche der Mutter geschmälert worden ist, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.

c) Das Berufungsgericht hat im Gegensatz zum Landgericht richtig erkannt, daß der Schenkungsvertrag aus dem Jahre 1991 einen Anspruch der Klägerinnen aus § 2325 BGB nach der Mutter nur hätte begründen können, wenn die Mutter damit etwas aus dem endgültig ihr zustehenden Vermögen geleistet hätte. Das ist bezüglich des Substanzwerts des Grundstücks, auf den die Klage gestützt ist, nicht der Fall. Der Mutter standen zwar die Nutzungen des Grundstücks bis zu ihrem Tode zu (vgl. §§ 2111 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs., 2133 BGB; MünchKomm/Grunsky, § 2111 Rdn. 15). Die Klägerinnen haben insoweit aber einen etwa verschenkten Vermögenswert nicht dargelegt.

3. In der Revisionserwiderung stützen die Klägerinnen den geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsanspruch vorsorglich auch auf ihren Vortrag aus zweiter Instanz, die Mutter habe dem Beklagten 1995 noch 95.000 DM geschenkt. Diesen Betrag habe die Mutter aus nicht verbrauchten monatlichen Renteneinkünften in Höhe von 3.000 DM sparen können. Insoweit haben die Klägerinnen sich in zweiter Instanz eine Erweiterung ihrer Klage vorbehalten und sich darauf beschränkt, die weiteren Pflichtteilsergänzungsansprüche den vom Beklagten behaupteten Gegenleistungen zugunsten der Mutter gegenüber zu stellen. Der Beklagte hat die Schenkung der Renten bestritten; beide Parteien haben Beweis für ihre Darstellung angeboten. Die Klägerinnen haben in zweiter Instanz lediglich beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Demgemäß hat das Berufungsgericht über einen nur auf den Wert des Grundstücks beschränkten Pflichtteilsergänzungsanspruch entschieden. Der Vortrag der Klägerinnen über die Schenkung von 95.000 DM könnte mithin in dritter Instanz nur im Wege einer Anschlußrevision berücksichtigt werden, an der es fehlt und die mangels Beschwer auch nicht zulässig wäre. Eine Klageerweiterung wäre im Revisionsverfahren auch deshalb unzulässig, weil sie sich nicht auf einen vom Tatrichter schon gewürdigten Sachverhalt stützen könnte (Senat, Urteil vom 5. April 2000 - IV ZR 145/98 - NJWE-FER 2000, 211 unter 3 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

Zurück