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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: IV ZR 221/02
Rechtsgebiete: VBLS, BGB, AGBG


Vorschriften:

VBLS a.F. § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa
VBLS n.F. § 75 Abs. 1
VBLS n.F. § 75 Abs. 2
VBLS n.F. § 39
BGB § 242
AGBG § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 221/02

Verkündet am: 10. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Mai 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine höhere Zusatzversorgungsrente von der Beklagten.

Er ist 1937 geboren und war seit 1961 in der DDR zunächst als Angestellter der Deutschen Reichsbahn und später des Ministeriums für Verkehrswesen der DDR tätig. Vom 3. Oktober 1990 an war der Kläger Mitarbeiter des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. Sein Arbeitgeber meldete ihn am 1. Juli 1991 zur Versicherung bei der Beklagten an. Er erhält seit dem 1. März 2000 neben einer Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auch eine Zusatzversorgungsrente der Beklagten, die sich seit dem 1. Juli 2000 auf 270,72 DM beläuft. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa der Satzung (im folgenden: VBLS) in der für die Berechnung der Rentenhöhe des Klägers bis zum 31. Dezember 2000 maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den Umlagemonaten, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten Klägers beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente des Klägers zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz).

Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Kläger gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 VBLS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser vollen Berücksichtigung der gesetzlichen Rente trotz einer nur hälftigen Anrechnung von Vordienstzeiten einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341).

Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab 1. März 2000 eine monatliche Versorgungsrente in einer danach satzungsgemäßen Höhe zu gewähren.

Nach dem Urteil des Landgerichts ist die Beklagte nur verpflichtet, die nach dem 3. Oktober 1990 angefallenen Vordienstzeiten voll zu berücksichtigen, und zwar erst für Renten ab 1. Januar 2001 bis zu einer Neuregelung der Satzung der Beklagten; im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, die Klage auf die Berufung der Beklagten in vollem Umfang abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Er verfolgt seinen Antrag aus zweiter Instanz mit der Revision weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte, die - wie der Kläger - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der Beklagten bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das Bundesverfassungsgericht die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrags geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die vom Kläger geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vordienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt (GMBl. S. 371). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der Sozialpartner ergänzend auszulegen.

2. Das hält im Ergebnis den Rügen der Revision stand.

a) Der Senat hat sich bereits in seinem Urteil vom 27. September 2000 (IV ZR 140/99 - VersR 2000, 1530) mit einem ehemals bei den Berliner Verkehrsbetrieben in Ostberlin Beschäftigten befaßt, der von der Senatsverwaltung Berlin zum 1. April 1991 bei der Beklagten versichert worden war und nach Erreichen der Altersgrenze im Jahre 1998 eine Versorgungsrente von der Beklagten erhielt. In dieser Entscheidung hat der Senat die Frage offengelassen, ob der Ausschluß von Dienstzeiten in der ehemaligen DDR bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit, so wie er durch die 28. Satzungsänderung in § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS vorgenommen worden ist, unwirksam sei. Jedenfalls könne sich die Beklagte nach § 242 BGB auf die Neuregelung nicht gegenüber Versicherten berufen, die schon vor dieser Satzungsänderung bei der Beklagten nach den gleichen Regeln versichert waren, die für Mitglieder des öffentlichen Dienstes der alten Bundesländer gelten. Solche Versicherte dürften grundsätzlich darauf vertrauen, daß die ihnen bei ihrer Anmeldung zugesagten Versorgungsansprüche nicht durch eine nachträgliche Änderung der Satzung der Beklagten in einer ins Gewicht fallenden Weise wieder entzogen würden. Der Senat hat in der genannten Entscheidung aber nicht etwa gefordert, daß Vordienstzeiten uneingeschränkt berücksichtigt werden müßten, wie es der Kläger hier verlangt, sondern nur nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F., d.h. zur Hälfte. Daran hält der Senat fest.

Diesen Anforderungen ist die Beklagte im vorliegenden Fall bei der Berechnung der Rente des Klägers unstreitig bereits nachgekommen.

b) Ferner ist der Senat im Urteil vom 11. Februar 2004 (IV ZR 52/02 - VersR 2004, 499 unter 2 d) im Hinblick auf den Einigungsvertrag, das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606, 1677) sowie insbesondere das Urteil BVerfGE 100, 1 ff. davon ausgegangen, daß keine Verpflichtung besteht, die Berechtigten aus den Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der BRD zurückgelegt. Vielmehr sind die in den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften grundsätzlich durch ihre Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in verfassungsrechtlich zulässiger Weise abgegolten worden. Insoweit fällt u.a. ins Gewicht, daß westdeutsche Berechtigte in der Regel höhere Beitragsleistungen für ihre über die gesetzliche Rente hinausgehende Versorgung geleistet haben. Daß Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR nach der alten Fassung der Satzung der Beklagten nicht als Umlagemonate gewertet werden, ist daher weder verfassungswidrig noch unangemessen im Sinne von § 9 AGBG.

c) Hauptsächlich wendet sich die Revision unter Bezug auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341) gegen die Halbanrechnung von Vordienstzeiten. Insoweit hat der Senat in seinem Urteil vom 26. November 2003 (IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 ff.) klargestellt, daß die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts nicht diejenigen Rentnergenerationen betreffen, die vor dem 1. Januar 2001 Rentenempfänger geworden sind. Auch für die Generation des Klägers des vorliegenden Verfahrens, der seit 1. März 2000 Rente bezieht, ist mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, daß verfassungsrechtlich etwa bedenkliche Folgen einer Halbanrechnung jedenfalls noch im Rahmen einer bei der Regelung einer komplizierten Materie zulässigen Generalisierung bleiben und deshalb hinzunehmen sind.

d) Die Beklagte hat ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 grundlegend geändert (vgl. BAnz. 2003 Nr. 1). Nach der Neuregelung kommt es auf Vordienstzeiten überhaupt nicht mehr an; vielmehr wird eine Betriebsrente auf der Grundlage von Versorgungspunkten gezahlt, für die das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, eine soziale Komponente und Bonuspunkte maßgebend sind (§§ 35 ff. VBLS n.F.). Damit ist der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 22. März 2000 gesehene Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ausgeräumt worden, allerdings nicht durch eine Erhöhung, sondern durch ein Absenken des Rentenniveaus. Aufgrund der Übergangsregelung des § 75 Abs. 1 und 2 VBLS n.F. werden Versorgungsrenten jedoch nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzungsrecht für die am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigen als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom Jahr 2002 an erhöht. Der Kläger macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, daß er danach im Ergebnis wirtschaftlich schlechter stünde als Rentenberechtigte, für die das neue Satzungsrecht gilt. Andererseits fehlt auch nach der Neufassung jede Grundlage für seine weitergehenden Forderungen.



Ende der Entscheidung

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