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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: IV ZR 241/03
Rechtsgebiete: VVG, RVO, SGB V, MB/KK 76


Vorschriften:

VVG § 178h Abs. 2 Satz 1
VVG § 178h Abs. 2 Satz 3
VVG § 178h Abs. 2
VVG § 178h
VVG § 178o
RVO § 173b Abs. 2
SGB V § 5 Abs. 9
MB/KK 76 § 13 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 241/03

Verkündet am: 3. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 7. Oktober 2003 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Spandau vom 17. März 2003 im Kostenpunkt aufgehoben und zu Nr. 1 des Urteilsausspruchs wie folgt geändert:

"1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.346,05 € zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen."

2. Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger 32% und der Beklagte 68%. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung einer privaten Krankheitskostenvollversicherung, die der Beklagte für sich und seine Ehefrau beim Kläger seit dem 1. März 2001 unterhielt.

Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen des Klägers zugrunde, die unter anderem die Musterbedingungen für die private Krankenversicherung (MB/KK 94) enthalten. Der monatliche Beitrag betrug im Jahre 2001 591,16 DM (302,26 €), er erhöhte sich mit Beginn des Jahres 2002 auf 308,08 €, wobei 105,97 € auf den Beklagten und 202,11 € auf seine Ehefrau entfielen. Im August 2001 gab der Beklagte die bis dahin ausgeübte selbständige Tätigkeit auf und wurde mit Wirkung ab dem 8. August 2001 über das Arbeitsamt gesetzlich krankenversichert.

Gestützt darauf kündigte der Beklagte den privaten Krankenversicherungsvertrag, ohne jedoch seinem am 8. August 2001 beim Kläger eingegangenen Kündigungsschreiben einen Nachweis über den Eintritt der Versicherungspflicht (den er irrtümlich auf den 15. August 2001 datierte) beizufügen. Schon ab Juli 2001 hatte der Beklagte seine monatlichen Beitragszahlungen eingestellt.

Der Kläger hält die Kündigung, die sich seiner Auffassung nach ohnehin nur auf den Beklagten und nicht zugleich auf dessen Ehefrau bezog, auch in diesem Umfang für unwirksam und den Beklagten daher weiterhin für verpflichtet, die ab Juli 2001 fälligen monatlichen Beiträge zu zahlen. Er beruft sich im übrigen darauf, daß der Versicherungsvertrag für eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren, d.h. bis Ende Februar 2003, abgeschlossen gewesen sei. Mit seiner Klage hat er die Beiträge für die Monate Juli 2001 bis einschließlich Oktober 2002 in Höhe von insgesamt 4.894,33 € gefordert.

Der Beklagte hat widerklagend die Feststellung begehrt, daß er auch für die Zeit von November 2002 bis Februar 2003 keine Versicherungsbeiträge mehr schulde.

In erster Instanz hat er anerkannt, für die Zeit vom 1. Juli bis zum 7. August 2001, dem Tag vor Eintritt seiner Versicherungspflicht, Versicherungsbeiträge in Höhe von 370,51 € zu schulden. Das Amtsgericht hat darüber hinaus angenommen, die Kündigung habe das Versicherungsverhältnis der Ehefrau des Beklagten von vornherein nicht erfaßt. Es hat deshalb im Umfang des Anerkenntnisses und der die Ehefrau des Beklagten betreffenden Beitragsanteile der Klage stattgegeben (3.346,05 €) und die Widerklage abgewiesen. Im übrigen habe die im August 2001 erklärte Kündigung das Versicherungsverhältnis des Beklagten erst zum 28. Februar 2002 beendet. Das Amtsgericht hat den Beklagten deshalb weiter zur Zahlung der ihn betreffenden Monatsbeiträge bis zu diesem Zeitpunkt (insgesamt 700,52 €) unter Klageabweisung im übrigen (betreffend die Monate März bis Oktober 2002) verurteilt und der Widerklage hinsichtlich der Beitragsanteile des Beklagten stattgegeben.

Die Berufung des Beklagten, welche sich allein gegen die Verurteilung zur Zahlung der ihn betreffenden Beiträge (700,52 €) für die Zeit von August 2001 bis Februar 2002 gerichtet hat, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte insoweit weiterhin die Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg, sie führt zur Abweisung der Klage, soweit diese auf die Zahlung von Versicherungsbeiträgen für den Beklagten für den Zeitraum vom 8. August 2001 bis Ende Februar 2002 gerichtet war.

I. Das Berufungsgericht hält die Kündigungserklärung für unwirksam. § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG, auf den sich die Kündigung stützt, setze für eine wirksame Kündigung voraus, daß der Versicherungsnehmer dem privaten Krankenversicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweise. Diesen Nachweis habe der Beklagte aber nicht zusammen mit dem Kündigungsschreiben, sondern erst durch Vorlage eines Schreibens seiner gesetzlichen Krankenkasse im November 2002 geführt. Eine Nachweispflicht als Wirksamkeitsvoraussetzung ergebe sich zwar nicht schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, weil § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG einen Nachweis der Versicherungspflicht gerade nicht erwähne, während § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG ihn für die dort geregelte Kündigung ausdrücklich fordere. Die Nachweispflicht folge aber aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften, ihrer Entstehungsgeschichte und dem Normzweck.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung monatlicher Krankenversicherungsbeiträge für die Versicherung des Beklagten ist ab dem 8. August 2001 erloschen, weil zu diesem Zeitpunkt die gesetzliche Krankenversicherungspflicht für den Beklagten einsetzte und er die bei dem Kläger gehaltene Krankheitskostenvollversicherung am gleichen Tage - und damit innerhalb der zweimonatigen Frist des § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG - wirksam gekündigt hat.

§ 178h Abs. 2 VVG soll es dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankheitskosten-, Krankentagegeld- oder Pflegeversicherung ermöglichen, das Versicherungsverhältnis mittels einer außerordentlichen Kündigung zu beenden, wenn er kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig wird. Er soll so vor der mit einer "Doppelversicherung" verbundenen Beitragsbelastung geschützt werden. Anders als § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG setzt Satz 1 für eine wirksame Kündigung nicht voraus, daß der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt seiner gesetzlichen Versicherungspflicht zusammen mit der Kündigungserklärung nachweist (so auch LSG Berlin EzS 130/537 - zitiert nach juris -).

1. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.

a) Dafür ist vorrangig der objektivierte Wille des Gesetzes maßgebend, wie er sich aus seinem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (BGHZ 37, 58, 60 m.w.N.):

§ 178h Abs. 2 VVG eröffnet zwei unterschiedliche Kündigungsmöglichkeiten. Erklärt der Versicherungsnehmer die Kündigung innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht, so wirkt seine Kündigung auf diesen Zeitpunkt zurück. An die Wirksamkeit dieser in § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG geregelten Kündigung sind nach dem Wortlaut der Vorschrift keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere spricht Satz 1 nicht davon, daß der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweisen muß.

Ein solcher Nachweis wird vom Gesetz nur für die in § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG geregelte spätere Kündigungsmöglichkeit gefordert. Nach Ablauf der vorgenannten Zweimonatsfrist kann der Versicherungsnehmer nämlich weiterhin kündigen. Allerdings beendet die Kündigung das private Versicherungsverhältnis dann erst zum Ende des Monats, in dem der Versicherungsnehmer dem Versicherer den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. In diesem Fall ist der Nachweis also erforderlich, um den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die Kündigung wirken kann. Ohne den geforderten Nachweis bliebe die Kündigungserklärung insoweit unvollständig.

Aus der unterschiedlichen Wirkweise beider Kündigungen ergibt sich ohne weiteres, weshalb im ersten Fall der Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht entbehrlich und vom Gesetz auch nicht gefordert ist. Denn der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung Wirkung entfaltet, ist hier mit dem Eintritt der Versicherungspflicht bereits ausreichend festgelegt. Die Auffassung von Prölss (in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 178h Rdn. 10; ebenso wohl BK/Hohlfeld, § 178h Rdn. 5 a.E.), es gebe keinen sachlichen Grund für die Beschränkung der Relevanz des Nachweises auf Kündigungsfälle des § 178h Abs. 2 Satz 3, kann der Senat schon deshalb nicht nachvollziehen (dagegen auch LSG Berlin aaO).

b) Demgegenüber wird allerdings teilweise die Auffassung vertreten, die in § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG geregelte Nachweispflicht diene rechtlich einem doppelten Zweck, weil sie nicht nur eine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung aufstelle, sondern zugleich eine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung enthalte. Der systematische Zusammenhang, in den das Gesetz beide Kündigungsmöglichkeiten stelle, ergebe, daß die Nachweispflicht als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für beide Formen der Kündigung gleichermaßen gelten müsse. Denn einerseits bestehe zwischen beiden Kündigungsregelungen ein enger "textlicher Zusammenhang", andererseits läge beiden sachlich jeweils der Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht zugrunde. Deshalb sei es nicht einzusehen und systemwidrig, daß das "schwächere" Kündigungsrecht nach Satz 3 der Vorschrift strengeren formellen Voraussetzungen unterliegen solle als das "stärkere" Kündigungsrecht nach Satz 1 (so LG Kassel, Urteil vom 3. August 2001 - 10 S 162/01 - unveröffentlicht; ihm folgend LG Magdeburg, Urteil vom 18. Januar 2002 - 1 S 627/01 - unveröffentlicht; AG Lebach, Urteil vom 14. Juni 2002 - 3A C 35/02 - unveröffentlicht).

Das überzeugt nicht. Dem letztgenannten Argument ist bereits entgegenzuhalten, daß bei der späteren Kündigung nach § 178h Abs. 2 Satz 3 VVG die Möglichkeit der Rückwirkung entfällt und es deshalb erforderlich wird, den Wirkungszeitpunkt anderweitig festzulegen. Die Nachweispflicht ergibt sich mithin bereits aus dem Regelungskonzept des Gesetzes, ohne daß es darauf ankommt, ob es im Allgemeinen gerechtfertigt ist, an eine "schwächere" Kündigungsmöglichkeit strengere Voraussetzungen zu knüpfen.

Eine Erstreckung des formellen Erfordernisses auf die in § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG geregelte Kündigung läßt sich mit Gesetzeswortlaut und -systematik nicht begründen. Dem eindeutigen Wortlaut, der in den Sätzen 1 und 3 hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen beider Kündigungsformen klar differenziert und insoweit deutlich macht, daß gerade zwei voneinander unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Sachverhalte getroffen werden, stehen gesetzessystematische Hinweise für eine Erstreckung der Nachweispflicht auf beide Kündigungsformen nicht mit einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Klarheit gegenüber. Daß beide Kündigungsregelungen im selben Absatz des § 178h VVG "textlich eng beieinander stehen", besagt nichts. Denn es gibt keine Auslegungsregel oder Vermutung, der zufolge alles, was im selben Absatz einer Vorschrift geregelt wird, regelmäßig gleichen Voraussetzungen unterliegt. Vielmehr entspricht es üblicher Gesetzgebungstechnik, gemeinsame Voraussetzungen unterschiedlicher Regelungen im Gesetzestext voranzustellen und so "vor die Klammer zu ziehen". Das ist in § 178h Abs. 2 VVG hinsichtlich der Nachweispflicht aber gerade nicht geschehen. Als gemeinsame Voraussetzung ist dort einleitend lediglich der Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht genannt. Daß allein deshalb die daran anknüpfenden unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten noch weiteren gemeinsamen Voraussetzungen unterliegen sollen, läßt das Gesetz gerade wegen der nachfolgenden Differenzierung in bezug auf Kündigungs- und Wirkungszeitpunkt nicht erkennen.

2. In der Entstehungsgeschichte des § 178h Abs. 2 VVG finden sich ebenfalls keine ausreichenden Hinweise auf einen dieser Auslegung entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers, der es rechtfertigen würde, die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut dahin zu verstehen, daß beide Kündigungsmöglichkeiten an einen Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht geknüpft sein sollen.

a) Bis Ende 1988 eröffnete § 173b Abs. 2 Satz 1 RVO dem Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung die Möglichkeit, das Versicherungsverhältnis durch Kündigung zu beenden, wenn er infolge einer Erhöhung der gesetzlichen Jahresarbeitsverdienstgrenze versicherungspflichtig wurde. Die Kündigung war ihm nach dem Gesetzeswortlaut möglich "zum Ende des Monats ..., in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist." Parallel dazu hieß es in § 13 Abs. 3 der seinerzeit verwendeten Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherer von 1976 (MB/KK 76):

"Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes krankenversicherungspflichtig, so kann der Versicherungsnehmer eine Krankheitskostenvollversicherung insoweit zum Ende des Monats kündigen, in dem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Will der Versicherungsnehmer von diesem Recht Gebrauch machen, so hat er spätestens innerhalb zweier Monate nach Eintritt der Versicherungspflicht zu kündigen."

Gesetz und Vertragsbedingungen forderten seinerzeit also gleichermaßen den Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht als Kündigungsvoraussetzung.

b) Die juristische Auseinandersetzung um die Bedeutung der Nachweispflicht für die Kündigung setzte erst ein, nachdem mit dem Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 2477) § 173b Abs. 2 RVO durch § 5 Abs. 9 SGB V abgelöst wurde. Satz 1 der neuen Vorschrift lautete:

"Wer versicherungspflichtig wird und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, kann den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht an kündigen."

Die Vorschrift sah damit erstmals die Möglichkeit einer Rückwirkung der Kündigung auf den Eintritt der Versicherungspflicht vor und verzichtete nach ihrem Wortlaut zugleich auf dessen Nachweis und jede Fristbindung für die Kündigungserklärung. Das warf die Frage auf, ob und inwieweit die schärferen Kündigungsvoraussetzungen nach den in § 13 Abs. 3 MB/KK 76 geregelten vertraglichen Bestimmungen daneben noch Geltung beanspruchen konnten. Während ein Teil der Rechtsprechung sich am Wortlaut des § 5 Abs. 9 SGB V orientierte und der gesetzlichen Regelung Vorrang vor vertraglichen Vereinbarungen gab (AG Lüneburg VersR 1992, 563; AG Weiden VersR 1992, 564; weitere Nachweise bei Kammler, VersR 1993, 785, 787 f.), vertrat eine Gegenmeinung die Auffassung, weil § 5 Abs. 9 SGB V keine formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Kündigungserklärung in bezug auf Frist und Nachweispflicht aufstelle, komme insoweit die vertragliche Regelung des § 13 Abs. 3 MB/KK 76 weiterhin zum Tragen (LG Deggendorf VersR 1993, 1135 mit zust. Anm. Brams; AG Worms VersR 1993, 1137). Teilweise wurde sogar angenommen, § 5 Abs. 9 SGB V enthalte eine Regelungslücke, weil die Vorschrift nichts über die formellen Voraussetzungen der Kündigungserklärung enthalte. Diese Regelungslücke lasse sich über § 13 Abs. 3 MB/KK 76 (bzw. die gleichlautende Regelung in § 13 Abs. 3 MB/KT 78) und die dort genannten Kündigungsvoraussetzungen schließen (Kammler, aaO S. 789).

c) Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung wurde § 178h VVG mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21. Juli 1994 (BGBl I S. 1630, in Kraft getreten am 29. Juli 1994) geschaffen. Der amtlichen Begründung (BT-Drucks. 12/6959 S. 106) zufolge sollte Absatz 2 der Vorschrift § 5 Abs. 9 SGB V und vergleichbare Bestimmungen zum Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufnehmen. Weiter enthält die amtliche Begründung den Hinweis, die Regelung entspreche den jeweiligen §§ 13 Abs. 3 in den MB/KK 76 und MB/KT 78. Letzteres ist jedoch - wie bereits gezeigt - gerade nicht der Fall (vgl. dazu auch LSG Berlin aaO), weil die genannten Musterbedingungen lediglich eine nicht rückwirkende, an die Zweimonatsfrist gebundene Kündigung kannten, die erst zum Zeitpunkt des - insoweit erforderlichen - Nachweises des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht wirkte. Demgegenüber erweist sich die neu geschaffene Regelung als eine Kombination aus den Regelungen des § 5 Abs. 9 SGB V einerseits und den vorgenannten Bestimmungen des § 13 Abs. 3 MB/KK 76 (§ 13 Abs. 3 MB/KT 78) andererseits, wobei die erste Kündigungsmöglichkeit die Rückwirkung der Kündigung dem früheren Gesetz und die Fristgebundenheit den Musterbedingungen entnimmt, während die spätere Kündigungsmöglichkeit sich vorwiegend an die Bestimmungen der Musterbedingungen anlehnt, jedoch auf die Fristbindung verzichtet.

d) Insoweit hat der Gesetzgeber mit der in Teilen unzutreffenden amtlichen Begründung keine verläßlichen Hinweise darauf gegeben, daß er - abweichend vom Wortlaut des § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG - die dort geregelte Kündigung vom Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht abhängig machen wollte. Denn gerade zu dem oben dargestellten Streit nimmt die amtliche Begründung in keiner Weise Stellung.

Klargestellt hat der Gesetzgeber allerdings, daß das neue Gesetz eine Verschärfung der Kündigungsvoraussetzungen durch vertragliche Vereinbarungen nicht mehr zuläßt. Denn gemäß § 178o VVG kann sich der Versicherer auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 178h abweicht, nicht mehr berufen. Einer ergänzenden Heranziehung von zusätzlichen Kündigungsvoraussetzungen aus Allgemeinen Versicherungsbedingungen (so die Lösung des LG Deggendorf - aaO - und des AG Worms - aaO - zur Zeit der Geltung des § 5 Abs. 9 SGB V) ist damit der Boden entzogen.

3. Eine Regelungslücke, die Veranlassung zu einer ergänzenden Auslegung der Vorschrift gäbe, enthält § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG nicht. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß die Rechtsordnung bei vielen Dauerschuldverhältnissen Kündigungsrechte der Vertragsparteien vorsieht, ohne dabei den Nachweis des Kündigungsgrundes zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigungserklärung zu machen (vgl. dazu auch LSG Berlin aaO). Dies gilt selbst bei Dauerschuldverhältnissen, in denen Vertragspartner aus sozialen Gründen mitunter besonders schutzwürdig erscheinen und deshalb ein gesteigertes Bedürfnis nach Rechtsklarheit über den Fortbestand des Vertrages bestehen kann, etwa beim Wohnraummietvertrag und im Arbeitsverhältnis. Ein Rechtsgrundsatz, wonach eine Kündigungserklärung notwendigerweise an besondere formelle Voraussetzungen, etwa den Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungsgrundes, zu knüpfen ist, ist der Rechtsordnung deshalb fremd. Eine Vorschrift, die die Kündigung eines Versicherungsverhältnisses durch den Versicherungsnehmer regelt, enthält somit entgegen der Auffassung von Kammler (aaO) keine Regelungslücke, wenn sie vom Kündigenden einen solchen Nachweis nicht fordert.

Anders als die Revisionserwiderung meint, kommt aus diesem Grund eine ergänzende Auslegung, nach der die Kündigung nach § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus nur bei Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht wirksam wäre, auch nicht deshalb in Betracht, weil eine andere Regelung - etwa im Interesse der Rechtssicherheit (dazu Prölss aaO) - besser oder den Interessen der Vertragsparteien gerechter (dazu LG Kassel aaO) wäre. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß auch die vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts in ihrem Abschlußbericht vom 19. April 2004 unter Ziff. 1.3.2.4.5.11. die Auffassung vertritt, § 178h Abs. 2 Satz 1 VVG sehe in seiner derzeitigen Fassung keine Nachweispflicht vor. Infolgedessen

schlägt die Kommission insoweit eine Gesetzesergänzung dahingehend vor, daß die Kündigung nur dann unwirksam sein soll, wenn der Versicherungsnehmer der Nachweispflicht auch auf ein schriftliches Verlangen des Versicherers nicht binnen zwei Monaten nachkommt (vgl. dazu § 197 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs).



Ende der Entscheidung

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