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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.11.2004
Aktenzeichen: IV ZR 250/03
Rechtsgebiete: AVB f. Haftpflichtversicherung, Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung, III. Privathaftpflichtversicherung, WaffG


Vorschriften:

AVB f. Haftpflichtversicherung
Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung
III. Privathaftpflichtversicherung Nr. 1.6
WaffG F. 08.03.1976 § 2
Ein Risikoausschluß, der Nr. 1.6 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung (Waffenklausel) entspricht, erfaßt nur solche Geschosse, die zum Verschießen aus Schußwaffen im Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG in der Fassung vom 8. März 1976 (jetzt: Abschnitt 1, Unterabschnitt 1 Nr. 1.1 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG in der Fassung vom 11. Oktober 2002) bestimmt sind. Eine für den Abschuß aus Schreckschußpistolen mit eigens vorgeschraubtem Abschußbecher bestimmte Pyro-Knallpatrone (sog. Starenschreck) fällt nicht hierunter (Fortführung des Senatsurteils vom 22. Februar 1978 - IV ZR 105/76 - VersR 1978, 409).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 250/03

Verkündet am: 3. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. September 2003 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 16. November 2001 zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind Versicherungsnehmer einer bei der Beklagten gehaltenen Haftpflichtversicherung. Sie begehren die Feststellung, daß die Beklagte ihnen Versicherungsschutz wegen eines Vorfalles vom 29. Dezember 1998 gewähren muß, bei dem sich der Geschädigte durch die Explosion einer Pyro-Knallpatrone erhebliche Verletzungen an der rechten Hand zugezogen hat.

Die Kläger lagerten seit Ende 1997 mehrere Pyro-Knallpatronen des Herstellers Zink Feuerwerk (P-Knallgeschoß 15 mm, Prüfnummer der Bundesanstalt für Materialprüfung: BAMP-PN II0003, sog. Starenschreck) in ihrem Keller. Diese sind dafür bestimmt, mittels Schreckschußpistolen verschossen zu werden, denen zu diesem Zweck ein Aufsatz (Abschußbecher) auf den Lauf geschraubt wird. Die Knallpatrone wird dabei durch den Druck der in der Schreckschußpistole verfeuerten Kartuschenmunition angetrieben.

Am 29. Dezember 1998 händigte die seinerzeit 10jährige Tochter der Kläger dem damals 14jährigen Geschädigten auf dessen Drängen eine der Knallpatronen aus. Wenig später fing diese beim Entzünden eines Chinaböllers unbemerkt Feuer und explodierte in der rechten Hand des Jungen. Ihm wurden der Zeigefinger und die Kuppe des Mittelfingers abgerissen. Lediglich der zunächst ebenfalls abgerissene Daumen konnte später wieder angenäht werden. Die Kläger sind wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung jeweils zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Die Beklagte hat Versicherungsleistungen unter Berufung auf I Nr. 6 (sog. Waffenklausel) der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden "Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Erläuterungen" (BRE 36) verweigert. Danach ist versichert

"die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens ... insbesondere ...

6. aus dem erlaubten privaten Besitz und aus dem Gebrauch von Hieb-, Stoß- und Schußwaffen sowie Munition und Geschossen, nicht jedoch zu Jagdzwecken oder zu strafbaren Handlungen; ..."

Nach Auffassung der Kläger handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Pyro-Knallpatrone weder um Munition noch um ein Geschoß im Sinne der Waffenklausel.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat Erfolg, es führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat einen Deckungsanspruch der Kläger verneint, weil die aus dem unerlaubten Besitz der Pyro-Knallpatrone herrührenden Schadensersatzansprüche des Geschädigten nach der Waffenklausel der Nr. I.6 BRE 36 nicht versichert seien. Zwar beschreibe die Klausel nur positiv, welche Risiken versichert seien, doch folge aus der Beschränkung des Versicherungsschutzes auf den erlaubten Besitz von Waffen, Munition und Geschossen im Umkehrschluß, daß die aus dem unerlaubten Besitz herrührenden Schäden nicht vom Versicherungsschutz umfaßt seien.

Die Kläger seien unerlaubt im Besitz eines Geschosses im Sinne der Waffenklausel gewesen. Insoweit seien die Begriffsbestimmungen des Bundeswaffengesetzes in der zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltenden Fassung heranzuziehen. Danach sei die Pyro-Knallpatrone zwar nicht als Munition, jedoch als - einen pyrotechnischen Satz enthaltendes - Geschoß im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. und Abs. 3 des seinerzeit geltenden Bundeswaffengesetzes (WaffG a.F.) einzustufen. Dem stehe nicht entgegen, daß die Knallpatrone nicht dazu bestimmt sei, aus Schußwaffen verschossen zu werden. Denn eine solche Bestimmung setze der Begriff des Geschosses nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WaffG a.F. nicht voraus.

Soweit die waffenrechtliche Kommentar-Literatur die gegenteilige Auffassung vertrete, ändere das im Ergebnis nichts, weil sie es genügen lasse, wenn Geschosse dazu bestimmt seien, mittels der in § 1 Abs. 2 WaffG a. F. den Schußwaffen gleichgestellten Abschußgeräte, zu denen auch Schreckschußwaffen gehörten, verschossen zu werden.

Der Besitz der demnach als Geschoß einzuordnenden Pyro-Knallpatrone sei erlaubnispflichtig. Das folge aus der in § 29 Abs. 1 WaffG a.F. geregelten Erlaubnispflicht für den Erwerb des Geschosses. Eine solche Erlaubnis hätten die Kläger nicht besessen. Ausnahmen von der Erlaubnispflicht sehe die Erste Waffenverordnung für Geschosse, die seitens der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) der Klasse PM II zugeordnet seien, nicht vor.

Der Waffenklausel könne nicht entnommen werden, daß ein Geschoß dieselben Voraussetzungen erfüllen müsse, die die Rechtsprechung an die Einordnung als Munition stelle. Vielmehr solle der Begriff des Geschosses alle vom Waffengesetz unter Erlaubnispflicht gestellten, jedoch nicht unter den Munitionsbegriff fallenden Geschosse erfassen und so jenes Risiko vom Versicherungsschutz ausnehmen, das vom unerlaubten Besitz der durch das Waffengesetz erfaßten, gefährlichen Gegenstände ausgehe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

Die Kläger haben aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag wegen des Vorfalls vom 29. Dezember 1998 einen Deckungsanspruch gegen die Beklagte. Der Risikoausschluß in I Nr. 6 der von der Beklagten verwendeten "Besonderen Bedingungen, Risikobeschreibungen und Erläuterungen" (BRE 36), die inhaltlich mit Nr. 1.6 der "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung" (abgedruckt bei Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. S. 1331, 1332) übereinstimmt, erfaßt den unerlaubten Besitz der schadensursächlichen Pyro-Knallpatrone nicht.

1. Das Berufungsgericht geht zunächst von einem zutreffenden Ansatz aus:

a) Die "Waffenklausel", beschreibt positiv, für welche Formen des Umgangs mit Waffen, Munition und Geschossen Versicherungsschutz gewährt wird, um damit zugleich im Umkehrschluß zum Ausdruck zu bringen, was insoweit nicht vom Versicherungsschutz umfaßt sein soll. Der Sache nach enthält die Klausel deshalb einen Risikoausschluß. Solche in eine positive Risikobeschreibung gekleideten Risikoausschlüsse setzen voraus, daß der Versicherungsnehmer erkennt, wie weit der bezweckte Umkehrschluß gezogen werden soll. Sie haben insoweit grundsätzlich eine geringere Trennschärfe als Risikoausschlüsse, die den ausgeschlossenen Tatbestand direkt benennen. Bei der Auslegung ist deshalb in besonderem Maße zu beachten, daß der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht damit zu rechnen braucht, daß sein Versicherungsschutz Lücken hat, ohne daß ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (vgl. dazu BGHZ 65, 142, 145; Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - VersR 1999, 748 unter 2 a; Senatsurteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 32/03 - r+s 2003, 412 unter II 1).

b) Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die von der Waffenklausel verwendeten Rechtsbegriffe, die erkennbar auf das (öffentlich-rechtliche) Waffenrecht Bezug nehmen, im Zweifel anhand der Begriffsbestimmungen des Bundeswaffengesetzes zu verstehen sind, wobei jeweils die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltende Gesetzesfassung zugrunde zu legen ist (Senatsurteil vom 22. Februar 1978 - IV ZR 105/76 - VersR 1978, 409 unter II 1 a). Das ist hier das Bundeswaffengesetz in der Fassung vom 8. März 1976 (BGBl I S. 432 - im folgenden: "WaffG a.F."), das bis zum 31. März 2003 in Kraft war. Zwar sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats grundsätzlich so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse diese verstehen muß (BGHZ 123, 83, 85). Dieser Grundsatz erfährt aber eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit einem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. Trifft dies zu, so ist im Zweifel anzunehmen, daß auch die Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (Senatsurteil vom 22. März 2000 - IV ZR 233/99 - VersR 2000, 753 unter 2 b). Im Waffenrecht verbindet die Rechtssprache mit den dort verwendeten Ausdrücken wie "Schußwaffe", "Munition" oder "Geschoß" fest umrissene Begriffe, die deshalb in diesem Sinne im Zweifel auch bei der Auslegung der hier verwendeten Waffenklausel heranzuziehen sind (Senatsurteil vom 22. Februar 1998 aaO).

c) Es ist im Ergebnis schließlich auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Erwerb der schadensursächlichen Knallpatrone durch die Kläger waffenrechtlich als unerlaubten Erwerb von Munition nach den § 29 Abs. 1, § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 2, 2. Alt. und Abs. 3, 4 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1 a WaffG a.F. einordnet. Da das Bundeswaffengesetz alter Fassung keine Norm enthielt, die den Besitz von Munition oder ihr gleichgestellter Geschosse unmittelbar verbot, hat das Berufungsgericht auf die unerlaubte Besitzergreifung (den Erwerb, zum Begriff vgl. Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. § 4 WaffG Rdn. 4) abgestellt. Die Pyro-Knallpatrone ist ein Geschoß, das nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WaffG a.F. der Munition im Sinne von Satz 1 der Vorschrift gleichgestellt wird und als solche dem Erlaubnisvorbehalt aus § 29 WaffG a.F. unterliegt. Die Erste Waffen-Verordnung (WaffVO) sieht eine Einschränkung der Erlaubnispflicht nach § 29 Abs. 1 WaffG a.F. für pyrotechnische Munition der Gefahrklasse PM II, welcher die Knallpatrone zugehört, nicht vor.

2. Allerdings enthält die Waffenklausel keine pauschale Bezugnahme auf sämtliche Erlaubnispflichten und Verbote des Bundeswaffengesetzes. Die Prüfung, ob ein Verhalten des Versicherungsnehmers beim Umgang mit Waffen, Munition oder Geschossen dem Risikoausschluß unterfällt, kann sich deshalb nicht darauf beschränken, ob das Verhalten des Versicherungsnehmers nach dem Bundeswaffengesetz verboten, strafbar oder als Ordnungswidrigkeit eingestuft ist. Maßgeblich für den Umfang des Risikoausschlusses bleibt vielmehr die Waffenklausel selbst. Die Begriffe des Bundeswaffengesetzes sind zwar für ihre Auslegung heranzuziehen. Es bleibt aber stets danach zu fragen, inwieweit die Waffenklausel die Begriffe und Verbote des Bundeswaffengesetzes im Rahmen des Risikoausschlusses übernommen hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. Februar 1978 aaO unter II). Die Prüfung ergibt hier, daß die Pyro-Knallpatrone nicht unter den Risikoausschluß fällt.

a) Der Senat hat bereits im Urteil vom 22. Februar 1978 (aaO unter II 2) entschieden, daß bei Auslegung der Waffenklausel der vertragliche Begriff der Munition nicht losgelöst vom vorangestellten Begriff der Schußwaffe gesehen werden könne. Da die Klausel keinen Hinweis darauf enthalte, daß sie auch die Gleichstellung von tragbaren Munitionsabschußgeräten im Sinne von § 1 Abs. 2 WaffG a.F. mit Schußwaffen im (engeren) Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. übernehmen wolle, müsse ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel nicht dahin verstehen, daß sie mit "Schußwaffen" auch Schreckschußwaffen meine (Senat aaO unter II 1 c und II 2 c). Vielmehr könne der Versicherungsnehmer wegen der sprachlichen Verbindung von "Schußwaffen und Munition" zu dem Schluß gelangen, daß lediglich Munition für echte Schußwaffen im Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. gemeint sei. Das entspreche im übrigen der Tradition im deutschen Waffenrecht, wo meist eine begriffliche Beziehung zwischen Schußwaffen und Munition bestanden habe. Daß § 1 Abs. 2 WaffG a.F. tragbare Munitionsabschußgeräte echten Schußwaffen im Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. gleichstelle, sei für den vertraglichen Begriff der Munition deshalb unerheblich, weil die Waffenklausel keinen Hinweis auf diese Gleichstellung enthalte. Dieses eingeschränkte Verständnis des Risikoausschlusses hat das Oberlandesgericht Oldenburg im Jahre 1996 bestätigt (r+s 1996, 132). Die von der Beklagten verwendete, seit 1974 unveränderte Waffenklausel enthält nach wie vor keinen solchen Hinweis.

Für Geschosse im Sinne der Waffenklausel gilt nichts anderes. Auch für sie ist im Waffenrecht die Bestimmung kennzeichnend, aus einer Schußwaffe verschossen zu werden. Einen ausreichenden Hinweis darauf, daß die Klausel auch solche Geschosse erfassen soll, die statt dessen dazu bestimmt sind, aus tragbaren Munitionsabschußgeräten im Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. verschossen zu werden, enthält die von der Beklagten verwendete Waffenklausel nicht. Die hier in Rede stehende Pyro-Knallpatrone wird deshalb von der Waffenklausel nicht erfaßt.

b) Soweit es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, kann ihm nicht gefolgt werden.

aa) Das Berufungsgericht meint, für Geschosse müßten andere Maßstäbe gelten als für Munition, weil die Bestimmung, aus Schußwaffen verschossen zu werden, für den Geschoßbegriff ohnehin nicht erheblich sei. Der Begriff sei in die Waffenklausel erkennbar zu dem Zweck aufgenommen worden, alle Geschosse vom versicherten Risiko auszuschließen, die nicht bereits als Munition von § 2 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F. erfaßt seien. Anderenfalls mache die Aufnahme des Begriffs "Geschosse" in die Waffenklausel keinen Sinn.

bb) Diesen Ausführungen liegt ein falsches Verständnis der Abgrenzung von Munition und Geschossen nach § 2 WaffG a.F. zugrunde.

Munition ist nach der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 WaffG a.F. dadurch gekennzeichnet, daß sie "Ladungen", d.h. eigene Treibladungen, beinhaltet, also über Explosionsstoffe verfügt, die den Vortrieb bewirken. Das ergibt sich aus der Aufzählung von Patronenmunition (Hülsen mit Ladungen, die das Geschoß enthalten - Nr. 1), Kartuschenmunition (Hülsen mit Ladungen, die ein Geschoß nicht enthalten - Nr. 2) und Patronenmunition (vgl. zur Definition Nr. 1), bei der das Geschoß einen pyrotechnischen Satz enthält (Nr. 3). Munition muß außerdem dazu bestimmt sein, aus Schußwaffen verschossen zu werden.

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 WaffG a.F. sind Geschosse entweder feste Körper (Nr. 1) oder aber gasförmige, flüssige oder feste Körper in Umhüllungen. Anders als das Berufungsgericht meint, ist damit aber nicht hinreichend und abschließend beschrieben, was ein Geschoß im waffenrechtlichen Sinne ausmacht. Das zeigt sich schon daran, daß der Definition des § 2 Abs. 3 WaffG a.F., betrachtet man sie isoliert, auch handelsüblich verpackte Lebensmittel und Bedarfsgegenstände aller Art unterfallen müßten. In der waffenrechtlichen Literatur ist deshalb außer Streit, daß auch zum Geschoßbegriff wesensmäßig die Bestimmung gehört, aus Schußwaffen verschossen zu werden (vgl. Steindorf, aaO § 1 Rdn. 7, § 2 Rdn. 10; Apel/Bushart, Waffenrecht Band 2 3. Aufl. Rdn. 56 zu Anlage 1 zum Waffengesetz).

Aus § 2 Abs. 1 Satz 2 WaffG a.F. ergibt sich nichts anderes. Das Berufungsgericht meint zwar, weil § 2 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F. Munition aufzähle, die nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift zum Verschießen aus Schußwaffen bestimmt sei, mache die Gleichstellung der Geschosse mit pyrotechnischem Satz in § 2 Abs. 1 Satz 2 WaffG a.F. nur dann Sinn, wenn man annehme, daß es für diese auf die genannte Bestimmung gerade nicht ankomme. Das Berufungsgericht sieht demnach den wesentlichen Unterschied zwischen pyrotechnischer Munition und einem pyrotechnischen Geschoß darin, daß erstere zum Verschießen aus Schußwaffen bestimmt sein müsse, letzteres hingegen nicht. Es meint weiter, ein Geschoß mit pyrotechnischem Satz, welches zum Verschießen aus Schußwaffen bestimmt sei, erfülle bereits den Munitionsbegriff.

Das trifft nicht zu. Vielmehr unterscheiden sich pyrotechnische Munition und Geschosse mit pyrotechnischem Satz allein dadurch, daß den Geschossen die eigene Treibladung fehlt. Aus diesem Grunde macht die Gleichstellung in § 2 Abs. 1 Satz 2 WaffG a.F. auch dann Sinn, wenn man zutreffend annimmt, daß die Bestimmung, aus Schußwaffen verschossen zu werden, auch für den Geschoßbegriff kennzeichnend ist.

cc) Die hier in Rede stehende Pyro-Knallpatrone verfügte über keine eigene Treibladung. Vielmehr sollte sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ihre Bewegungsenergie aus der in einer Schreckschußpistole verfeuerten Kartuschenmunition beziehen, deren Explosionsdruck die Knallpatrone aus dem dafür konstruierten Abschußbecher treiben sollte. Die Patrone war damit nicht dazu bestimmt, aus einer Schußwaffe verschossen zu werden, denn die zum Abschuß der Pyro-Knallpatrone vorgesehenen Schreckschußwaffen sind keine Schußwaffen im Sinne von § 1 Abs. 1 WaffG a.F. (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. Februar 1978 aaO unter II 2 c; Steindorf, aaO § 1 Rdn. 10 und Günther/Treumann, s.i.s. 1983, 628 ff.). Ihre waffenrechtliche Gleichstellung mit Munition rechtfertigt sich allein daraus, daß § 1 Abs. 2 WaffG a.F. Schreckschußwaffen den echten Schußwaffen gleichstellt (vgl. Steindorf, aaO § 1 Rdn. 18 und § 2 Rdn. 10).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit rechtlich nicht von demjenigen, der dem Senatsurteil vom 22. Februar 1978 (aaO) zugrunde lag. Hier wie dort ist festzustellen, daß eine Waffenklausel der vorliegenden Art für den Versicherungsnehmer nicht hinreichend erkennbar macht, daß sich der Begriff der Schußwaffen und die Bestimmung von Munition und Geschossen, aus Schußwaffen verschossen zu werden, auch auf die vom Waffengesetz den Schußwaffen gleichgestellte Geräte erstrecken soll. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Klausel deshalb dahin verstehen, daß lediglich echte Schußwaffen (im Sinne des § 1 Abs. 1 WaffG a.F.) nebst für sie bestimmter Munition und Geschosse vom Risikoausschluß erfaßt sein sollen.



Ende der Entscheidung

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