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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: IV ZR 287/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2219 Abs. 1
BGB § 195 a.F.
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 2 n.F.
Schadensersatzansprüche gegen Testamentsvollstrecker nach § 2219 Abs. 1 BGB verjähren in 30 Jahren seit ihrer Entstehung, auch wenn ein Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker tätig geworden ist.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IV ZR 287/01

Verkündet am: 18. September 2002

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht als Testamentsvollstrecker einen Schadensersatzanspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten geltend, der (zusammen mit einem inzwischen verstorbenen Mitvollstrecker) vom 14. November 1968 bis zum 31. Dezember 1989 den Nachlaß verwaltet hat. Der Erblasser berief in seinem Testament seine Tochter als Vorerbin und seine Enkel als Nacherben; er ordnete Testamentsvollstreckung an mindestens solange die Vorerbin lebt, jedenfalls bis das jüngste Enkelkind das 30. Lebensjahr vollendet hat. Die Testamentsvollstrecker sollen den Nachlaß, zu dem 8 Mehrfamilienhäuser gehören, verwalten und "alle Handlungen vornehmen, die zur Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses erforderlich sind."

Der Kläger meint, der Beklagte habe trotz einer ansehnlichen Erhöhung des Mietaufkommens im ganzen bei immerhin 16 Wohnungen versäumt, Mieterhöhungen durchzusetzen; dadurch sei dem Nachlaß ein Betrag von fast 277.000 DM entgangen. Der Beklagte hält solche Mieterhöhungen nach dem Zustand der Räume nicht für gerechtfertigt und sieht sich auch nicht verpflichtet, den Ertrag "auf Teufel komm raus" zu optimieren. Im übrigen beruft er sich auf die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 143.170,49 DM stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie ganz abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Gesamtforderung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hält den Kläger nicht für aktivlegitimiert. Das Landgericht habe auch die Pflichten des Beklagten überspannt; da es sich um eine Gesamtverwaltung mehrerer Mietobjekte handle, könne es nur auf das Gesamtergebnis ankommen. Jedenfalls sei der Anspruch verjährt. Denn die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für die analoge Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. auf Ersatzansprüche gegen den Konkursverwalter nach § 82 KO entwickelt habe (BGHZ 93, 278 ff.), seien auf den hier geltend gemachten Anspruch aus § 2219 BGB zu übertragen.

2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

a) Für den Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB ist eine besondere Verjährungsfrist im Gesetz nicht vorgesehen. Da die hier geltend gemachten Schäden während der Amtszeit des Beklagten entstanden sein sollen, die am 31. Dezember 1989 endete, kommt es zunächst auf § 195 BGB a.F. an, der als Regelfrist 30 Jahre vorsah (Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB). Seit 1. Januar 2002 beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist gem. § 195 BGB n.F. zwar nur noch 3 Jahre; familien- und erbrechtliche Ansprüche verjähren aber nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. nach wie vor in 30 Jahren seit ihrer Entstehung (§ 200 Satz 1 BGB). Auch der Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB ist ein erbrechtlicher Anspruch in diesem Sinne (Palandt/Heinrichs, Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, Ergänzungsband zu BGB, 61. Aufl., § 197 Rdn. 8; Brambring ZEV 2002, 137).

b) Der Anspruch wäre jedoch schon vor Inkrafttreten des neuen Rechts verjährt, wenn § 852 Abs. 1 BGB a.F. analog anzuwenden wäre, wie das Berufungsgericht meint (ebenso Riederer v. Paar in: Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 1994, S. 519 f.; ferner Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, 1999, Rdn. 1184; Pickel, Die Haftung des Testamentsvollstreckers, Diss. Köln 1986, S. 198 f., 202). Nach herrschender Meinung gilt jedoch für § 2219 BGB die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. (BGB-RGRK/Kregel, 12. Aufl., § 2219 Rdn. 11; Soergel/Damrau, BGB 12. Aufl., § 2219 Rdn. 10; Staudinger/Reimann, BGB 1995, § 2219 Rdn. 22; MünchKomm/Brandner, BGB 3. Aufl., § 2219 Rdn. 15; Erman/M. Schmidt, BGB 10. Aufl. § 2219 Rdn. 6; Palandt/Edenhofer, BGB 61. Aufl., § 2219 Rdn. 1; Ebenroth, Erbrecht 1992, Rdn. 682; J. Mayer in: Mayer, Bonefeld, Daragan, Praxishandbuch Testamentsvollstreckung, 2000, Rdn. 474). Daran ist festzuhalten.

Auf die Haftung des Testamentsvollstreckers trifft nämlich nicht zu, worin BGHZ 93, 278, 281 im wesentlichen die Vergleichbarkeit der Haftung des Konkursverwalters mit der deliktischen Haftung gesehen hat: Obwohl sie der rechtsgeschäftlichen Haftung insoweit ähnlich sei, als sie nur gegenüber solchen Betroffenen gilt, denen gegenüber im Konkursverfahren besondere Pflichten bestehen, könnten im Konkursverfahren eine Vielzahl von Beteiligten schadensersatzberechtigt sein. Der Testamentsvollstrecker haftet dagegen gemäß § 2219 Abs. 1 BGB nur gegenüber den aus dem Testament ersichtlichen Erben und Vermächtnisnehmern. Für eine entsprechende Anwendung von § 852 Abs. 1 BGB a.F. fehlt vor allem eine Regelungslücke, denn die Verjährungsfrist ergab sich aus § 195 BGB a.F. Der Bundesgerichtshof hat für die Haftung eines Geschäftsführers nach Auftragsrecht mangels gesetzlicher Sonderregelung ebenfalls eine Verjährungsfrist von 30 Jahren angenommen und dabei ausgesprochen, daß weder die Schwierigkeiten, nach längerer Zeit eine schuldhafte Pflichtverletzung festzustellen, noch gewisse Wertungswidersprüche zu den Fällen kurzer Verjährung (etwa im Hinblick auf die dreijährige Verjährungsfrist des § 51 b BRAO) ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung des § 195 BGB a.F. rechtfertigten (Urteil vom 11. März 1999 - III ZR 292/97 - NJW 1999, 1540 unter II 2, insbesondere 2 c). Die Revision weist mit Recht darauf hin, daß unterschiedlich lange Verjährungsfristen für den Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB je nach dem, ob ein Rechtsanwalt oder ein anderer als Testamentsvollstrecker tätig geworden ist, nicht verständlich wären. Um die Haftung aus einem Anwaltsvertrag, für deren Verjährung die Sonderregelung in § 51 b BRAO gelten würde, geht es hier nicht.

Die Einrede der Verjährung greift mithin nicht durch.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Daß der Testamentsvollstrecker nicht befugt sei, einen Anspruch aus § 2219 Abs. 1 BGB gegenüber einem früheren Testamentsvollstrecker geltend zu machen, trifft nicht zu: Der Anspruch gehört entsprechend § 2041 Satz 1 BGB zum Nachlaß (Ersatzsurrogation) und unterliegt daher dem Prozeßführungsrecht des Testamentsvollstreckers aus § 2212 BGB (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1990 - IV ZR 296/89 - WM 1991, 205, 206 unter 1 = BGHR BGB § 2041 Satz 1 Schadensersatzanspruch 2).

4. Ob der Beklagte seine Pflichten als Testamentsvollstrecker schuldhaft verletzt habe, hat das Berufungsgericht trotz Bedenken gegen die Schlüssigkeit der vom Landgericht immerhin für teilweise begründet erachteten Klage letzten Endes offen gelassen. Zu den Maßstäben, nach denen das Berufungsgericht Pflichtverletzung und Schuld des Testamentsvollstreckers nach Zurückverweisung der Sache zu prüfen haben wird, gibt der Senat folgende Hinweise:

Der Testamentsvollstrecker genießt zwar als Person und Institution das besondere Vertrauen des Erblassers und hat deshalb einen Ermessensspielraum; er darf sich aber nicht mit einem nur mäßigen Erfolg seiner Tätigkeit begnügen, sondern muß Möglichkeiten zu besserem Erfolg wahrnehmen (st.Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 1994 - IV ZR 184/93 - NJW-RR 1995, 577 unter 2 a im Hinblick auf zinsgünstige Anlagen). Die Revision rügt mit Recht, daß die überdurchschnittlich hohen Mieteinnahmen, die der Beklagte bei bestimmten Objekten erzielt hat, die ihm vorgeworfene Versäumung rechtzeitiger Renovierungen und Mieterhöhungen bei anderen Objekten nicht kompensieren. Vielmehr wird es um die 16 Wohnungen gehen müssen, hinsichtlich deren der Kläger Versäumnisse geltend macht.

Soweit der Beklagte versucht hat, die Bestimmung im Testament, wonach der Testamentsvollstrecker alle Handlungen vornehmen soll, die zur Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses erforderlich sind, durch Hinweise auf den Interessengegensatz zwischen Vorerbin und Nacherben sowie darauf zu relativieren, daß schon der Erblasser die Mietobjekte "sozialverträglich" verwaltet habe, bleibt zunächst das Testament auszulegen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers liegt nicht vor, wenn er nach sorgfältiger Ermittlung aller erkennbar erheblichen Anhaltspunkte zu einer immerhin vertretbaren Auslegung gelangt (BGH, Urteil vom 11. März 1992 - IV ZR 31/91 - NJW-RR 1992, 775 unter III). Ist hier Testamentsvollstreckung sowohl für die Vorerbin als auch für die Nacherben angeordnet worden (zu dieser Möglichkeit vgl. MünchKomm/Brandner § 2222 Rdn. 1), wird der Testamentsvollstrecker mangels besonderer Anordnungen des Erblassers auf § 2124 BGB Bedacht nehmen müssen (dazu vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1993 - IV ZR 90/92 - NJW 1993, 3198 unter II 2). Auf dieser Grundlage wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob ein Leerstehenlassen bestimmter Wohnungen über mehrere Jahre hinweg etwa wegen zu hoher, den Beteiligten hier nicht zumutbarer Renovierungskosten gerechtfertigt war, wie der Beklagte geltend gemacht hat.

Im übrigen ist die Auffassung des Berufungsgericht nicht zu beanstanden, soweit sich die streitigen Wohnungen in älteren Häusern mit einem Reparaturstau befunden hätten, sei es Sache des Klägers, als Grundlage für die Ermittlung des angemessenen Mietzinses zunächst den Zustand der Wohnungen im einzelnen darzulegen und zu beweisen (zur Beweislast vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 - IV ZR 64/00 - ZEV 2001, 358 unter 3).

Ende der Entscheidung

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