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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: IV ZR 87/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 565 Abs. 3 Satz 1 ZPO
BGB § 988
BGB § 812
BGB § 291
BGB § 288
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNIS-URTEIL

IV ZR 87/99

Verkündet am: 21. Juni 2000

Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Prof. Römer, Dr. Schlichting, Seiffert und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. März 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die landgerichtliche Abweisung seines Anspruchs auf Herausgabe der Nutzungen der beiden Kraftfahrzeuge für die Zeit nach dem Erbfall (17. Dezember 1993) als unzulässig verworfen worden ist.

Der Beklagte wird unter teilweiser Änderung des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 30. Oktober 1996 verurteilt, an den Kläger weitere 9.900 DM nebst 4% Zinsen seit dem 29. Mai 1996 zu zahlen.

Von den Kosten der Revisionsinstanz haben der Kläger 53% und der Beklagte 47% zu tragen.

Die Kosten der ersten und zweiten Instanz werden dem Kläger zu 59% und dem Beklagten zu 41% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Im Rahmen einer umfangreichen Nachlaßauseinandersetzung, die im wesentlichen durch das Berufungsurteil und den Nichtannahmebeschluß des Senats vom 12. April 2000 erledigt ist, macht der Kläger u.a. einen Anspruch wegen unberechtigter Nutzung zweier Kraftfahrzeuge geltend. Der Beklagte ist testamentarischer Alleinerbe seiner am 17. Dezember 1993 gestorbenen Mutter. Diese war mit dem Kläger verheiratet und hatte von ihm zwei Jugendhilfeeinrichtungen gepachtet. Der Beklagte führt diese Einrichtungen nach dem Erbfall weiter. Zu Beginn des Pachtverhältnisses hatte der Kläger der Erblasserin zwei Kraftfahrzeuge überlassen, die für den Betrieb der Jugendhilfeeinrichtungen genutzt wurden. Schon vor dem Tod der Erblasserin forderte der Kläger diese Kraftfahrzeuge zurück. Sie wurden ihm aber erst über ein Jahr nach dem Erbfall vom Beklagten herausgegeben.

Das Landgericht hat den Anspruch abgewiesen, weil die Fahrzeuge zusammen mit den Jugendhilfeeinrichtungen verpachtet, der Gebrauch der Fahrzeuge also durch den Pachtzins entgolten worden sei. Das Berufungsgericht hat dagegen angenommen, die Fahrzeuge seien der Erblasserin leihweise überlassen worden. Es hat daher dem Kläger für die Zeit von seiner Zurückforderung bis zum Erbfall 1.200 DM zugesprochen. Für die Zeit nach dem Erbfall hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg gehabt. Dagegen wendet sich die Revision.

Entscheidungsgründe:

Da der Beklagte trotz Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, war durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund umfassender Sachprüfung, zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81 f.). Danach hat die Revision Erfolg.

1. a) Zwar heißt es im Tenor des Berufungsurteils, daß die Klage im übrigen abgewiesen bleibe. Aus den Entscheidungsgründen geht aber hervor, daß die Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung des Anspruchs auf Herausgabe der Nutzungen in der Zeit nach dem Erbfall richtet, als unzulässig angesehen worden ist. Daß das Berufungsgericht die Berufung des Klägers im Tenor seines Urteils auch nicht teilweise als unzulässig verworfen hat, ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, wie der tragende Grund der insoweit vom Berufungsgericht getroffenen Entscheidung rechtlich einzuordnen ist (BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92 - NJW 1993, 3073, 3074 unter I 2 a). Danach ist hier von einer teilweisen Verwerfung der Berufung als unzulässig auszugehen. Denn das Berufungsgericht hat Anfechtungsgründe i.S. von § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO vermißt, soweit das Landgericht den Anspruch auch für die Zeit nach dem Erbfall abgewiesen hatte.

b) Dem hält die Revision mit Recht entgegen, daß die Ausführungen in der Berufungsbegründung, mit denen sich der Kläger gegen die vom Landgericht angenommene Einbeziehung der Fahrzeuge in den Pachtvertrag gewandt hat, ebenso für die Zeit nach dem Erbfall wie für die Zeit davor gelten.

Der Kläger hatte diese Ausführungen zwar mit der Bemerkung eingeleitet, insoweit gehe es um 19.800 DM. Das war der vom Kläger ursprünglich für die Zeit vom Beginn des Pachtverhältnisses bis zum Erbfall geforderte Betrag. Der Berufungsantrag des Klägers ging aber dahin, unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils nach den Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen. Diese umfaßten auch den Anspruch auf Ersatz der in der Zeit nach dem Erbfall gezogenen Nutzungen.

Das Landgericht hatte den Anspruch sowohl für die Zeit vor dem Erbfall, für die eine Haftung des Beklagten nur als Erbe seiner Mutter in Betracht kommt, als auch für die Zeit nach dem Erbfall, in der der Beklagte selbst Pächter der Jugendhilfeeinrichtungen war, mit einer einheitlichen Begründung abgewiesen. Daher genügte ein Angriff in der Berufungsbegründung, der für beide Zeitabschnitte gleichermaßen Geltung beanspruchen kann, den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 27. Januar 1994 - I ZR 326/91 - NJW 1994, 2289, 2290 unter II 1 b; Urteil vom 22. Januar 1998 - I ZR 177/95 - NJW 1998, 1399, 1400 unter II 1).

2. Der Senat kann die unterbliebene Sachentscheidung gemäß § 565 Abs. 3 Satz 1 ZPO nachholen, da das Berufungsurteil hinreichende tatsächliche Feststellungen getroffen hat und ein anderes Ergebnis bei Zurückverweisung nicht möglich erscheint (zu diesen Voraussetzungen BGH, Urteil vom 23. Oktober 1998 - LwZR 3/98 - NJW 1999, 794, 795 unter 4).

a) Das Berufungsgericht hat dem schriftlichen Pachtvertrag nicht entnehmen können, daß die hier in Rede stehenden Fahrzeuge mitverpachtet worden sind. Zu den im Vertrag erwähnten "Einrichtungsgegenständen" der verpachteten Räume gehören sie nicht. Zwar sieht der Vertrag vor, daß der Pächter "die bestehende Kfz und Haftpflichtversicherung" übernehmen oder eine ausreichende Haftpflichtversicherung abschließen soll. Ob sich diese Klausel auf die hier streitigen Fahrzeuge bezieht, ist aber nicht ersichtlich. Gegen eine Einbeziehung der Fahrzeuge in den Pachtvertrag spricht nach Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Beklagte die Fahrzeuge an den Kläger herausgegeben hat, obwohl er das Pachtverhältnis fortsetzt. Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger die Fahrzeuge leihweise überlassen habe, wie es dem Hilfsvorbringen beider Parteien entspricht. Diese Würdigung ist rechtsfehlerfrei.

b) Das Berufungsgericht nimmt weiter an, daß die Besitzberechtigung der Erblasserin aufgrund der Rückforderung des Klägers zum 20. Oktober 1993 endete. Auch das ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 604 Abs. 3 BGB). Von diesem Zeitpunkt an war nicht nur die Erblasserin bis zu ihrem Tode, sondern in der Zeit danach auch der Beklagte persönlich bis zu seiner Herausgabe der ohne Rechtsgrund weiter benutzten Fahrzeuge verpflichtet, gemäß §§ 988, 812 BGB die Nutzungen zu erstatten.

Das Berufungsgericht schätzt deren Wert nach den Angaben des Klägers bedenkenfrei auf monatlich 300 DM. Der Beklagte hat ausdrücklich eingeräumt, daß die Fahrzeuge für die Jugendhilfeeinrichtungen benutzt worden sind; einen Wegfall der Bereicherung hat er nicht geltend gemacht. Damit stehen dem Kläger bis zur Herausgabe beider Fahrzeuge weitere 9.900 DM zu. Außerdem kann der Kläger gemäß §§ 291, 288 BGB 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit verlangen. Der Anspruch ist erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 29. Mai 1996 geltend gemacht worden.

Ende der Entscheidung

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