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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.04.2002
Aktenzeichen: IX ZB 101/02
Rechtsgebiete: EGZPO


Vorschriften:

EGZPO n.F. § 26 Nr. 10
Kann nicht festgestellt werden, ob eine nicht verkündete Entscheidung des Beschwerdegerichts vor dem 1. Januar 2002 der Geschäftsstelle übergeben worden ist, gilt das Meistbegünstigungsprinzip.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 101/02

vom

11. April 2002

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Kayser

am 11. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird an das Landgericht München I zurückgegeben.

Gründe:

I.

Das Landgericht München I - 20. Zivilkammer - hat mit Beschluß vom 28. Dezember 2001 die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts München - Vollstreckungsgericht - vom 29. Februar 2000 zurückgewiesen, weil sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei. Der Schuldner habe am 30. Oktober 2001 die eidesstattliche Versicherung abgegeben; damit habe sich der Haftbefehl erledigt, ohne daß es einer förmlichen Aufhebung bedurft habe.

Gegen den ihm am 19. Januar 2001 zugestellten Beschluß des Landgerichts hat der Schuldner am 4. Februar 2002, einem Montag, weitere Beschwerde eingelegt. Er meint, das Landgericht hätte in der Sache über die Beschwerde gegen den Haftbefehl entscheiden müssen und sie nicht allein wegen der zwischenzeitlichen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als unzulässig behandeln dürfen.

Das Landgericht hat die weitere Beschwerde dem Oberlandesgericht München vorgelegt. Dieses hat eine Äußerung des Landgerichts zu der Frage eingeholt, ob der Beschluß vom 28. Dezember 2001 der Geschäftsstelle vor dem 1. Januar 2002 übergeben worden sei. Der Vorsitzende der 20. Zivilkammer des Landgerichts hat mitgeteilt:

"Da die Kammer einen 'internen Kammerumlauf' hat, d.h. die zu unterschreibenden Entwürfe von Hand zu Hand oft weitergegeben und in eiligen Fällen auch auf die Geschäftsstelle getragen werden, wäre es theoretisch möglich, dass die Übergabe noch am 28.12. erfolgt ist. Weitere Erkenntnisse sind nicht vorhanden."

Daraufhin hat das Oberlandesgericht die Akten an das Landgericht zurückgeleitet mit dem Bemerken, da nicht festgestellt werden könne, ob die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vor dem 1. Januar 2002 der Geschäftsstelle übergeben worden sei, sei das neue Beschwerderecht anzuwenden. Danach könne es sich bei der weiteren Beschwerde nur um eine Rechtsbeschwerde i.S.v. § 574 ZPO n.F. handeln; zuständig sei der Bundesgerichtshof.

Mit Verfügung vom 13. März 2002 hat das Landgericht deshalb die weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II.

Die Ansicht, bei der weiteren Beschwerde könne es sich nur um eine Rechtsbeschwerde i.S.v. § 574 ZPO n.F. handeln, trifft nicht zu. Nach § 26 Nr. 10 EGZPO in der Fassung von Art. 3 Nr. 3 des nach seinem Art. 53 im Allgemeinen am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) finden für Beschwerden die am 31. Dezember 2001 geltenden Vorschriften weiter Anwendung, wenn die anzufechtende Entscheidung vor dem 1. Januar 2002 verkündet oder, soweit eine Verkündung nicht stattgefunden hat, der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Welche Vorschriften anzuwenden sind, wenn sich nicht feststellen läßt, wann die nicht verkündete Entscheidung der Geschäftsstelle übergeben wurde, ist nicht geregelt. Auch der Gesetzesbegründung sind insoweit eindeutige Hinweise nicht zu entnehmen. Es heißt dort (BT-Drucks. 14/4722 S. 126):

"Nach Nummer 10 sollen die Vorschriften, die zum 1. Januar 2002 das bisherige Recht der ... Beschwerde ... ändern, in den zu Beginn des Jahres 2002 anhängigen Verfahren nur angewendet werden, wenn die anzufechtende Entscheidung nach diesem Zeitpunkt verkündet oder, soweit eine Verkündung nicht stattgefunden hat, der Geschäftsstelle übergeben worden ist."

Zwar könnte der Wortlaut "... sollen ... nur angewendet werden, wenn ..." dahin deuten, daß dann, wenn nicht festgestellt werden kann, ob eine nicht verkündete Entscheidung vor dem 1. Januar 2002 oder nach dem 31. Dezember 2001 der Geschäftsstelle übergeben wurde, stets altes Recht anzuwenden sei. Zwingend ist ein solches Verständnis der Übergangsregelung jedoch nicht. Vielmehr bietet es sich an, in diesen Fällen nach dem Prinzip der Meistbegünstigung des Beschwerdeführers dasjenige Recht anzuwenden, das am ehesten zu einem Erfolg der Beschwerde führen kann. Das ist hier das bis zum 31. Dezember 2001 geltende Recht. Eine Rechtsbeschwerde neuen Rechts wäre mangels Zulassung in dem Beschluß des Landgerichts von vornherein unstatthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F.) und auch im übrigen unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. beim Bundesgerichtshof als dem Rechtsbeschwerdegericht eingegangen und nicht von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht worden ist (zu diesem Erfordernis, Beschl. v. 21. März 2002 - IX ZB 18/02, ZInsO 2002, 425 f).

Demgegenüber ist eine sofortige weitere Beschwerde nach altem Recht zulässig (§ 568 Abs. 2, § 793 Abs. 2 ZPO a.F.). Sie konnte in der hier gewahrten Frist des § 577 Abs. 2 ZPO a.F. von dem Schuldner persönlich eingelegt werden, weil der Rechtsstreit im ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht nicht als Anwaltsprozeß zu führen war (§ 569 Abs. 2 Satz 2, § 78 Abs. 3 ZPO a.F.; vgl. BGH, Beschl. v. 19. November 1992 - V ZB 37/92, NJW 1993, 332; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl. § 569 Rn. 6). Da das Landgericht die Beschwerde als unzulässig behandelt hat, liegt ein neuer selbständiger Beschwerdegrund i.S.v. § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. vor (vgl. MünchKomm-ZPO/Braun, 2. Aufl. § 568 Rn. 9).

Die Sache ist deshalb an das Landgericht zurückzugeben.

Ende der Entscheidung

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