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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.05.2000
Aktenzeichen: IX ZB 114/98
Rechtsgebiete: GesO, KO


Vorschriften:

GesO § 2 Abs. 3
KO § 106 Abs. 1
GesO § 2 Abs. 3, KO § 106 Abs. 1

Zur Frage, ob dem Sequester eine - beschränkte - Prozeßführungsbefugnis zustehen kann.

BGH, Beschluß vom 18. Mai 2000 - IX ZB 114/98 - OLG Naumburg LG Halle


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 114/98

vom

18. Mai 2000

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Dr. Ganter am 18. Mai 2000

beschlossen:

Tenor:

Die für den Beklagten eingelegte weitere sofortige Beschwerde und die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2 gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 30. September 1998 werden als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer zu 2.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof wird auf 1.783.600 DM festgesetzt (1.763.600 DM zuzüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens).

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt mit der am 1. Juli 1996 erhobenen Klage vom Beklagten die Übereignung von vier Grundstücken und die Einräumung eines Vorkaufsrechts an einem anderen Grundstück; ferner hat er die Feststellung beantragt, daß der Beklagte ihm an einem weiteren, noch zu erwerbenden Grundstück ebenfalls ein Vorkaufsrecht einzuräumen habe.

Das Landgericht gab, nachdem der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten das Mandat niedergelegt hatte, der Klage durch Versäumnisurteil vom 24. Oktober 1996 statt. Dieses Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am 8. November 1996 zugestellt. Durch Beschluß des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 1. Oktober 1996 war nach Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, Sequestration angeordnet und bestimmt worden, daß der Beklagte Willenserklärungen nur zusammen mit dem Sequester abgeben könne; gleichzeitig war Rechtsanwalt W. (der Beschwerdeführer zu 2) zum Sequester bestellt worden. Dieser zeigte dem Landgericht mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1996 unter Übersendung des Sequestrationsbeschlusses und Hinweis auf seine "Prozeßführungsbefugnis" die "Vertretung des Beklagten an". Am 15. November 1996 legte er "namens und im Auftrag des Beklagten" gegen das Versäumnisurteil vom 24. Oktober 1996 Einspruch ein. Nachdem eine dem Beschwerdeführer zu 2 gesetzte Frist zum Nachweis seiner Prozeßvollmacht fruchtlos verstrichen war, verwarf das Landgericht durch Beschluß vom 4. Februar 1997 den Einspruch als unzulässig. Am 19. Februar 1997 wurde über das Vermögen des Beklagten die Gesamtvollstreckung eröffnet; der Beschwerdeführer zu 2 wurde zum Verwalter bestellt. Dieser legte, ohne zunächst die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mitzuteilen, gegen den ihm am 10. Februar 1997 zugestellten Beschluß des Landgerichts vom 4. Februar 1997 sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung wies er wiederum auf seine "Prozeßführungsbefugnis" und die "selbständige Stellung des Sequesters im Interesse der Massegläubiger" hin.

Der Eröffnungsbeschluß vom 19. Februar 1997 wurde am 16. Juni 1997 aufgehoben. Am 12. November 1997 wurde die Gesamtvollstreckung erneut eröffnet; der Beschwerdeführer zu 2 wurde wiederum zum Verwalter bestellt. Mit Schreiben an den Beklagten vom 5. März 1998 gab der Beschwerdeführer zu 2 die vier Grundstücke, deren Übereignung der Kläger mit der Klage verlangt, "aus der Masse frei ..., da aus der Verwertung dieser Flurstücke unter Beachtung des ... (mit dem Kläger geschlossenen) Kaufvertrages ein Erlös der Masse nicht zu erwarten" sei.

Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer zu 2 auferlegt. Dagegen richtet sich die "namens und im Auftrag des Beklagten ... sowie dessen vorinstanzlichem Prozeßbevollmächtigten" (des Beschwerdeführers zu 2) eingelegte weitere sofortige Beschwerde.

II.

Die namens des Beklagten eingelegte weitere sofortige Beschwerde ist nach § 568 a ZPO statthaft. Das Rechtsmittel ist jedoch unzulässig, weil der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten auf eine (auch) im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof vom Kläger erhobene Rüge (§ 88 Abs. 1 ZPO) eine ihm vom Beklagten erteilte Vollmacht nicht nachgewiesen hat. Eine besondere Fristsetzung hierfür war, nachdem bereits der Beschwerdeführer zu 2 in den Vorinstanzen eine ihm vom Beklagten erteilte Vollmacht nicht nachgewiesen hatte, nicht erforderlich; ein Fall des § 89 ZPO liegt nicht vor.

III.

Das Rechtsmittel ist auch unzulässig, soweit es im Namen des "vorinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten" eingelegt worden ist.

1. Der Beschwerdeführer zu 2 hat bereits den Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 24. Oktober 1996 "namens und im Auftrag des Beklagten" eingelegt. Es ist davon auszugehen, daß er hierzu vom Beklagten nicht bevollmächtigt war; denn er hat auch später die Vollmacht nicht nachweisen können. Ob er ohne eine solche Vollmacht jene Prozeßhandlung in seiner Eigenschaft als Sequester vornehmen konnte, ist nicht zweifelsfrei. Die Bestellung eines Sequesters nach § 106 KO, § 2 Abs. 3 GesO dient der Sicherung des Zwecks des Insolvenzverfahrens, der in der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger besteht; die Aufgaben und Befugnisse des Sequesters beschränken sich nach dem Recht der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung auf Maßnahmen der Sicherung und Erhaltung der Masse (BGHZ 86, 190, 195 f; 118, 374, 378; 130, 38, 41). Dazu gehört, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, in aller Regel nicht die Prozeßführung; auch bei Erlaß eines allgemeinen Verfügungsverbots bleibt das Prozeßführungsrecht des Schuldners bestehen (BGH, Beschl. v. 13. Juli 1987 - II ZB 48/87, ZIP 1987, 1195, 1196). Es spricht allerdings einiges dafür, den Sequester in Fällen, in denen die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens nicht abgewartet werden kann, für befugt zu halten, die zur Sicherung der künftigen Masse erforderlichen prozessualen Maßnahmen ohne Mitwirkung des Schuldners und notfalls auch gegen dessen Willen zu treffen (vgl. OLG Hamburg ZIP 1987, 385, 386; LG Magdeburg ZIP 1997, 896; Smid, GesO 3. Aufl. § 2 Rdnr. 138 ff; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 106 Rdnr. 13 l; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 106 KO Anm. 4; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. vor § 50 Rdnr. 26; Urban MDR 1982, 441, 445). Ein solcher Fall könnte gegeben sein, wenn es, wie hier, darum geht, ein gegen den Schuldner ergangenes Leistungsurteil nicht vor der Verfahrenseröffnung rechtskräftig werden zu lassen; denn die Rechtskraft nimmt dem späteren Insolvenzverwalter die Möglichkeit, den ausgeurteilten Anspruch des Gläubigers von der Masse fernzuhalten. Hält man den Sequester für befugt, nach der gebotenen, wenn auch unter Berücksichtigung des regelmäßig bestehenden Zeitdrucks nicht bis in die letzten Einzelheiten gehenden Prüfung das zulässige Rechtsmittel einzulegen und den Prozeß bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung weiterzuführen, dann stellt sich die weitere Frage, ob er dies als eine Art Pfleger im Namen des Schuldners zu tun hat (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 1999, § 22 Rdnr. 31 für den vorläufigen Insolvenzverwalter ohne allgemeines Verfügungsverbot; ferner BGH, Beschl. v. 9. Juli 1998 - IX ZA 4/98, ZIP 1998, 1645) oder ob ihm dafür eine eigene Prozeßführungsbefugnis, etwa nach dem Vorbild der §§ 744 Abs. 2, 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zusteht (in diesem Sinne wohl die obengenannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamburg und des Landgerichts Magdeburg; Stein/Jonas/Bork aaO; Kilger/K. Schmidt aaO; Kuhn/Uhlenbruck aaO; ferner Paulus ZZP 96, 356, 362 f, jedoch einschränkend im Sinne einer bloßen Befugnis zur Nebenintervention).

Wie diese Fragen zu entscheiden sind, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Hält man den Sequester zur Einlegung eines Einspruchs gegen ein die spätere Masse beeinträchtigendes, gegen den Schuldner erlassenes Versäumnisurteil grundsätzlich für befugt, so wird man den vom Beschwerdeführer zu 2 am 15. November 1996 "namens und im Auftrag" des Beklagten eingelegten Einspruch notfalls auch dahin auslegen können, daß er dabei in seiner Eigenschaft als Sequester im eigenen Namen handeln wollte; denn er hatte das Gericht schon durch seinen Schriftsatz vom 28. Oktober 1996 auf die ihm nach seiner Ansicht zustehende Prozeßführungsbefugnis hingewiesen. Eine Befugnis des Beschwerdeführers zu 2, in seiner Eigenschaft als Sequester für den Beklagten - sei es in dessen, sei es im eigenen Namen - tätig zu werden, erlosch allerdings mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 19. Februar 1997. Er wurde aber im Eröffnungsbeschluß nunmehr zum Verwalter bestellt; damit erlangte er nach § 8 Abs. 2 GesO die volle Prozeßführungsbefugnis. Er erwähnte freilich davon in seiner kurz danach am 24. Februar 1997 eingelegten sofortigen Beschwerde nichts, sondern wies wiederum auf seine Eigenschaft als Sequester hin.

Es ist für die jetzt zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung, ob trotzdem das Auftreten des ehemaligen Sequesters im Beschwerdeverfahren dem nunmehrigen Gesamtvollstreckungsverwalter und damit der Masse zugerechnet werden konnte. Jedenfalls war durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens der Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Die Unterbrechung wurde zwar durch die am 16. Juni 1997 beschlossene Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses beendet, trat dann aber, ohne daß in der Zwischenzeit im Prozeß etwas geschehen wäre, infolge des Eröffnungsbeschlusses vom 12. November 1997 erneut ein. Die vom Beschwerdeführer zu 2 mit Schreiben vom 5. März 1998 als Gesamtvollstreckungsverwalter erklärte Freigabe der vier Grundstücke, zu deren Herausgabe der Beklagte verurteilt worden war, beendete die Unterbrechung insoweit - Gegenstand des Versäumnisurteils waren darüber hinaus auch die Vorkaufsrechte für zwei andere Grundstücke - nicht. Welche Auswirkung die Freigabe eines streitbefangenen Gegenstands auf einen während des Konkurses anhängigen Rechtsstreit hat, ist zwar umstritten (vgl. dazu BGHZ 36, 258, 261 ff; 46, 249, 251 ff; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 6 Rdnr. 116 ff). Auch darauf kommt es hier aber nicht an. Streitbefangen waren im vorliegenden Fall nicht die Grundstücke selbst, sondern nur der Anspruch auf deren Übereignung. Für diesen Verschaffungsanspruch (vgl. dazu Musielak/Foerste, ZPO, 1999, § 265 Rdnr. 4) blieb eine Parteistellung der "Gesamtvollstreckungsmasse" ungeachtet der Freigabe bestehen.

Während der Unterbrechung darf das Gericht, wie sich aus § 249 Abs. 3 ZPO ergibt, keine Sachentscheidung treffen (BGHZ 66, 59, 61). Das Oberlandesgericht hat gemeint, im vorliegenden Fall sei das deswegen anders, weil der Beklagte selbst, dem das Versäumnisurteil ordnungsgemäß zugestellt worden sei, dagegen keinen Einspruch eingelegt habe und deshalb nicht mehr "die eigentliche Partei des Rechtsmittelverfahrens" sei. Diese rechtliche Beurteilung ist unzutreffend, wenn der vom Beschwerdeführer zu 2 in seiner Eigenschaft als Sequester eingelegte Einspruch wirksam war. Die jedenfalls unter dieser Voraussetzung unzulässige Entscheidung über die sofortige Beschwerde hätte nicht nur von den beiden Prozeßparteien, also dem Kläger und dem Beklagten, sondern auch vom Gesamtvollstreckungsverwalter - auch ohne Aufnahme des Rechtsstreits - mit dem dafür gegebenen Rechtsmittel der weiteren sofortigen Beschwerde angegriffen werden können und wäre dann ersatzlos aufzuheben gewesen (vgl. BGH, Urt. v. 21. Juni 1995 - VIII ZR 224/94, NJW 1995, 2563; v. 16. Januar 1997 - IX ZR 220/96, ZIP 1997, 473 f). Ein solches Rechtsmittel hat aber der Beschwerdeführer zu 2 in seiner Eigenschaft als Gesamtvollstreckungsverwalter nicht eingelegt. Beschwerdeführer ist ausweislich der an den Bundesgerichtshof gerichteten Beschwerdeschrift neben dem Beklagten nur "dessen vorinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter". Es ist nirgends kenntlich gemacht worden, daß der Beschwerdeführer zu 2 sich in seiner Eigenschaft als Gesamtvollstreckungsverwalter am Verfahren beteiligen wollte. In der - später eingegangenen - Begründung der weiteren sofortigen Beschwerde wird nur geltend gemacht, der Beschwerdeführer zu 2 sei durch den angefochtenen Beschluß beschwert, weil das Oberlandesgericht ihm persönlich und nicht "in seiner Eigenschaft als amtlich bestellter Sequester" die Kosten der Beschwerde auferlegt habe. Davon, daß mit dem Rechtsmittel die Interessen der Gesamtvollstreckungsmasse hätten gewahrt werden sollen, ist dabei keine Rede. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, als Beschwerdeführer (auch) den Gesamtvollstreckungsverwalter als solchen anzusehen.

2. Da der Beschwerdeführer zu 2 sich mit seinem Rechtsmittel nur dagegen wendet, daß ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden sind, ist es ebenfalls unzulässig; denn eine Entscheidung des Oberlandesgerichts, mit der dieses die Kosten einem am Rechtsstreit selbst nicht beteiligten Dritten auferlegt, ist gemäß § 567 Abs. 3 ZPO nicht mit der Beschwerde anfechtbar (BGH, Urt. v. 24. Juni 1987 - IVb ZR 5/86, NJW 1988, 49, 51).

IV.

1. Die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde hat der Beschwerdeführer zu 2 auch insoweit zu tragen, als das Rechtsmittel im Namen des Beklagten eingelegt worden ist. Diesen selbst trifft keine Kostentragungspflicht, weil eine Bevollmächtigung durch ihn nicht nachgewiesen ist. In einem solchen Fall sind die Kosten demjenigen aufzuerlegen, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlaßt hat (BGHZ 121, 397, 400). Das ist in der Regel der vollmachtlose Vertreter, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der im Rechtszug der weiteren sofortigen Beschwerde aufgetretene Prozeßbevollmächtigte seine Prozeßvollmacht vom Beschwerdeführer zu 2 herleitet und daß dieser weiß, daß er vom Beklagten nicht rechtsgeschäftlich bevollmächtigt ist. Es erscheint deshalb angemessen, ihm auch die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde aufzuerlegen.

2. Da der Beschwerdeführer zu 2 den Beschluß des Oberlandesgerichts als im vorangegangenen Verfahren nicht beteiligter Dritter lediglich im Kostenpunkt angreift, erhöht sich der Streitwert für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde um den Betrag der in der Vorinstanz entstandenen, sich auf höchstens 20.000 DM belaufenden Kosten.

Ende der Entscheidung

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