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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.07.2009
Aktenzeichen: IX ZB 213/07
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 4
InsO § 5 Abs. 1
InsO § 75 Abs. 1
InsO § 75 Abs. 2
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und

die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp

am 16. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 26 des Landgerichts Hamburg vom 28. September 2007 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners beantragte der weitere Beteiligte zu 1, ein Gläubiger, die Einberufung einer Gläubigerversammlung.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Absonderungsrechte und Forderungen des Antragstellers nicht das von § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO geforderte Quorum von zwei Fünfteln der Summe erreichten, die sich aus dem Wert aller Absonderungsrechte und den Forderungsbeträgen aller nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ergebe. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 ist erfolglos geblieben. Auf seine Rechtsbeschwerde hat der Senat die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen, weil dieses zur Verfehlung des Quorums keine ausreichenden Feststellungen getroffen, insbesondere keinen konkreten Schätzbetrag genannt hatte (BGH, Beschl. v. 21. Dezember 2006 - IX ZB 138/06, ZIP 2007, 551). Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde erneut zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbeschwerde.

II.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 75 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), weil dem weiteren Beteiligten zu 1 gegen die Ablehnung seines Antrags, eine Gläubigerversammlung einzuberufen, die sofortige Beschwerde zustand. Eine solche Ablehnung ist beschwerdefähig, auch wenn sie darauf gestützt worden ist, nach der Schätzung des Gerichts sei das Quorum verfehlt (BGH, Beschl. v. 21. Dezember 2006, aaO Rn. 3-10).

Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Zurückweisung der Beschwerde ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a)

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Absonderungsrechte und Forderungen des Antragstellers erreichten nicht die Grenze von zwei Fünfteln gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Grundstücksgesellschaft mbH habe inzwischen im vorliegenden Insolvenzverfahren Forderungen von zusammen ca. 30 Mio. EUR angemeldet. Für einen Teilbetrag von 9.837.449 EUR habe er beim Landgericht Hamburg eine Feststellungsklage gemäß § 179 InsO erhoben und hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen. Die Erfolgsaussicht sei daher mit mindestens 50 %, die Forderung somit mit 4.918.724,50 EUR zu bewerten. Da sich die Absonderungsrechte und Forderungen des Antragstellers lediglich auf 233.595 EUR beliefen, sei die Zwei-Fünftel-Grenze des § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO bereits unter Berücksichtigung dieser Forderung nicht erreicht. Auf die des Weiteren zu berücksichtigende Ausfallforderung der H. Sparkasse komme es daneben nicht an.

b)

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

aa)

Die Frage, welchen Maßstäben die Schätzung des Insolvenzgerichts im Rahmen von § 75 Abs. 1 Nr. 4 (und entsprechend bei Nr. 3) InsO genügen muss, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Einer aufwändigen Ermittlung von Schätzgrundlagen steht entgegen, dass dem Insolvenzgericht für seine Entscheidung nur wenige Tage zur Verfügung stehen, weil zwischen dem Eingang des Antrags auf Einberufung einer Gläubigerversammlung und dem Termin dieser Versammlung höchstens drei Wochen liegen sollen (§ 75 Abs. 2 InsO). Eine weitergehende Ermittlungspflicht obliegt auch nicht dem Beschwerdegericht. Andererseits darf sich das Insolvenzgericht nicht damit begnügen, einen Schätzbetrag "aus der Luft zu greifen". Es wird vielmehr vorliegende Unterlagen wie das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO), die Forderungsanmeldungen der Gläubiger nebst beigefügter Urkunden (§ 174 InsO), die Forderungstabelle (§ 175 InsO) sowie etwaige Stellungnahmen des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen haben (Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 75 Rn. 3; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 75 Rn. 6, 9). Darüber hinausgehende Ermittlungen sind regelmäßig nicht notwendig. Das Insolvenzgericht hat vielmehr auf der beschriebenen Grundlage den Wert der Absonderungsrechte und Forderungen einerseits der antragstellenden, andererseits sämtlicher Gläubiger zu schätzen. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Meinung kann dies gemäß § 4 InsO nach den zu § 287 ZPO entwickelten Grundsätzen geschehen (Münch-Komm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. § 75 Rn. 10; Jaeger/Gerhardt, InsO § 75 Rn. 8; FK-InsO/Kind, 5. Aufl. § 75 Rn. 4; HmbKomm-InsO/Preß, 3. Aufl. § 75 Rn. 9; Smid, InsO 2. Aufl. § 75 Rn. 4; Braun/Herzig, InsO 3. Aufl. § 75 Rn. 4; Voigt-Salus/Pape in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung 8. Aufl. § 21 Rn. 177). Dabei dürfen aber im Hinblick auf die im Insolvenzverfahren grundsätzlich geltende Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 InsO) die oben genannten Grundlagen regelmäßig nicht unberücksichtigt bleiben.

bb)

Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Schätzung der vom Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Grundstücksgesellschaft mbH erhobenen Forderungen genügt diesem Maßstab. Der Schätzung lagen Informationen des Insolvenzverwalters zugrunde [GA III 585], die vom Gläubiger ausdrücklich bestätigt worden waren [GA III 591-593]. Diese in der Beschwerdeentscheidung wiedergegebenen Informationen bildeten eine nach dem Stand des Verfahrens ausreichende Grundlage für eine nachvollziehbare Schätzung des Werts der genannten Forderungen. Eine weitere inhaltliche Prüfung der Forderungen anhand anzufordernder Unterlagen, etwa der Begründung der Feststellungsklage, war nicht geboten. Indem das Beschwerdegericht den Wert der Forderungen auf 50 % des mit der Feststellungsklage geltend gemachten Betrags geschätzt hat, hat es im Übrigen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht lediglich die Bewertung eines Dritten übernommen, sondern eine eigene Würdigung vorgenommen.

cc)

Allein im Hinblick auf die vorstehend erörterten Forderungen steht fest, dass der Antragsteller das nach § 75 Abs. 1 Nr. 4 InsO erforderliche Quorum nicht erfüllt, weil er selbst unstreitig nur Forderungen im Wert von 233.595 EUR erhebt. Auf eine Schätzung des Werts der von der H. Sparkasse geltend gemachten Forderungen durfte das Beschwerdegericht daher verzichten.

Ende der Entscheidung

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