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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: IX ZB 235/06
Rechtsgebiete: InsO, RpflG


Vorschriften:

InsO § 77 Abs. 2 Satz 2
InsO § 237 Abs. 1 Satz 1
InsO § 253
RpflG § 18 Abs. 3
Die Feststellung der Abstimmungsberechtigung gehört als Vorfrage zur gerichtlichen Stimmrechtsentscheidung, über die das Insolvenzgericht abschließend zu entscheiden hat.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 235/06

vom 23. Oktober 2008

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

am 23. Oktober 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss der 26. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2006 werden als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben der Schuldner zu 9/10 und die weitere Beteiligte zu 2 zu 1/10 zu tragen.

Gründe:

I.

In dem am 14. Februar 2006 eröffneten, in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahren reichte der durch Rechtsanwälte W. und F. anwaltlich vertretene Schuldner unter dem 21. März 2006 den Entwurf eines Insolvenzplans ein, den das Insolvenzgericht am 1. Juni 2006 zur Abstimmung stellte. Rechtsanwalt W. erschien in dem Termin als schuldnerischer Verfahrensbevollmächtigter und zugleich in eigener Sache als Gläubiger zur laufenden Nr. 21. Der ebenfalls erschienene Rechtsanwalt We. , welcher der Sozietät W. und F. angehört, legte für 84 Gläubiger Stimmrechtsvollmachten vor, welche die Rechtspflegerin als unwirksam ansah, weil die Anwaltssozietät nicht gleichzeitig den Schuldner sowie Gläubiger vertreten könne (§ 43a Abs. 4 BRAO). Eine Einigung der Gläubiger über die Stimmrechte kam nicht zustande. Die Rechtspflegerin setzte daraufhin die Stimmrechte der erschienenen und vertretenen Gläubiger fest. Zu ihnen gehörte die in Insolvenz befindliche E. T. H. AG, deren Verwaltungsrat der Schuldner war. Für die nicht persönlich erschienenen, vollmachtlos vertretenen Gläubiger lehnte die Rechtspflegerin die Festsetzung eines Stimmrechtes ab. Die Abstimmung über den Planentwurf ergab danach in zwei der drei Gruppen nicht die erforderliche Mehrheit. Den von dem Verfahrensbevollmächtigten der vollmachtlos vertretenen 84 Gläubiger sowie von Rechtsanwalt W. in eigener Sache im Termin gestellten Antrag auf richterliche Neufestsetzung (§ 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG) lehnte der Richter des Insolvenzgerichts ab.

In dem Abstimmungs- und Verkündungstermin vom 13. Juli 2008, in dem für die 84 Gläubiger wiederum niemand anderes als Rechtsanwalt We. sowie Rechtsanwalt W. erschienen waren, stellte die Rechtspflegerin fest, dass kein Gläubiger der Gruppe 1 erschienen sei, weil die Vollmacht der durch Rechtsanwalt We. vertretenen Gläubigerin zur laufenden Nr. 65 ( Sparkasse) weiterhin als unwirksam zu erachten sei. Eine Abstimmung in Gruppe 1 könne nicht erfolgen. In den Gruppen 2 und 3 seien die vorgenommenen Abstimmungen auf der Grundlage des richterlichen Beschlusses nicht zu wiederholen. Den von Rechtsanwalt W. gestellten Antrag auf Neufestsetzung der Stimmrechte (§ 77 Abs. 2 Satz 3 InsO) wies die Rechtspflegerin zurück. Rechtsanwalt W. beantragte daraufhin für alle Gläubiger, die Rechtsanwalt We. Abstimmungsvollmachten erteilt hatten, erneut die richterliche Entscheidung gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG. Die Rechtspflegerin versagte nach Feststellung des Gesamtabstimmungsergebnisses die Bestätigung des Plans. Der Richter des Insolvenzgerichts wies den wiederholten Antrag auf Neufestsetzung der Stimmrechte und Wiederholung der Abstimmung durch Beschluss vom 15. August 2006 zurück.

Soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse haben Rechtsanwälte W. und F. für den Schuldner sowie in ihrer Eigenschaft als Gläubiger gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts, durch den die Bestätigung des Insolvenzplans versagt worden ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Die Rechtspflegerin des Insolvenzgerichts hat ihr nicht abgeholfen. Das Landgericht, dessen Entscheidung in NZI 2007, 415 veröffentlicht ist, hat die Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren Rechtsbeschwerden.

II.

Die Rechtsbeschwerden sind nach §§ 253, 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie sind jedoch unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Gegenstand einer Entscheidung des Senats im Verfahren nach § 7 InsO kann nur eine vom Beschwerdegericht beschiedene, nach § 6 InsO statthafte sofortige (erste) Beschwerde sein (BGHZ 144, 78, 82 ff; BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 75/03, WM 2003, 2344; v. 2. März 2006 - IX ZB 225/04, NZI 2006, 474; v. 1. Februar 2007 - IX ZB 45/05, WM 2007, 609, 610). Im Streitfall ist der Senat deshalb nur insoweit zur Entscheidung berufen, als die Sache dem Landgericht gemäß § 6 InsO, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in statthafter Weise angefallen ist. Verfahrensgegenstand ist daher allein die Versagungsentscheidung des Insolvenzgerichts gemäß § 248 Abs. 1 InsO, gegen welche die sofortige Beschwerde nach § 253 InsO gegeben ist. Die der Versagung der gerichtlichen Bestätigung vorausgegangenen Entscheidungen des Insolvenzgerichts, die nach § 6 InsO unanfechtbar sind und gegen die nur die Anrufung des Richters statthaft ist, der abschließend entscheidet (§ 18 Abs. 3 Satz 2 RPflG), sind dem Senat dagegen nicht zur Entscheidung angefallen (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 6 Rn. 59).

2. Der von dem Beschwerdegericht in statthafter Weise überprüfte Verfahrensgegenstand erfordert in keiner Richtung eine Sachentscheidung des Senats.

a) Die Rechtsbeschwerde meint, der angefochtenen Entscheidung liege der Obersatz zugrunde, dass die Feststellung des Stimmrechts durch die Rechtspflegerin gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 InsO im Rahmen der Anfechtung der Entscheidung über die Bestätigung oder das Versagen der Bestätigung des Insolvenzplans gemäß § 253 InsO nicht nachzuprüfen sei. Die damit aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits hinreichend zum Nachteil des Rechtsbeschwerdeführers geklärt; einer höchstrichterlichen Bestätigung bedarf es nicht.

aa) Nach § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts - wie ausgeführt - nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Eine gerichtliche Stimmrechtsentscheidung war schon nach der ausdrücklichen Vorgängerregelung in § 95 Abs. 3 KO unanfechtbar. Dadurch sollte der Gläubigerschaft eine alsbaldige und nachträglich nicht mehr in Frage zu stellende Beschlussfähigkeit gesichert werden (vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO § 77 Rn. 18). Die Insolvenzordnung hat dies inhaltlich übernommen. Sie erreicht dasselbe Ziel dadurch, dass in § 77 InsO, auf den § 237 Abs. 1 Satz 1 InsO für die Abstimmung über die Annahme des Plans verweist, keine Anfechtbarkeit vorgesehen ist. Gewisse Abmilderungen liegen darin, dass § 77 Abs. 2 Satz 3 InsO eine Abänderungsmöglichkeit anerkennt und der Richter nach § 18 Abs. 3 RPflG die Stimmrechtsfestsetzung durch den Rechtspfleger auf Antrag eines Gläubigers oder des Insolvenzverwalters unter näher geregelten Voraussetzungen korrigieren, das Stimmrecht neu festsetzen und die Wiederholung der Abstimmung anordnen kann (vgl. Jaeger/Gerhardt, aaO § 77 Rn. 18 f; MünchKomm-InsO/Hintzen, 2. Aufl. §§ 237, 238 Rn. 27). Die Entscheidung des Richters ist jedoch abschließend. Schon das Landgericht kann somit mit Fragen der Stimmrechtsfestsetzung nicht befasst werden. Dies entspricht gesicherter Rechtsauffassung (vgl. BGH, Beschl. v. 21. Dezember 2006 - IX ZB 138/06, NZI 2007, 723, 724 Rn. 10; Jaeger/Gerhardt, aaO § 77 Rn. 18; MünchKomm-InsO/Ehricke, aaO § 77 Rn. 28; MünchKomm-InsO/Hintzen, aaO §§ 237, 238 Rn. 26; FK-InsO/Kind, 4. Aufl. § 77 Rn. 22; HK-InsO/Eickmann, 4. Aufl. § 77 Rn. 13; HmbKomm-InsO/Preß, 2. Aufl. § 77 Rn. 18), die auch vom Bundesverfassungsgericht nicht in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG ZIP 2004, 1762, 1763 f). Wenn der Rechtsweg nicht erschöpft gewesen wäre, wäre die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen worden.

bb) Die von Beschwerdeführern als verfahrenswidrig gerügte Behandlung der Stimmrechtsvollmachten durch die Rechtspflegerin und den Richter des Insolvenzgerichts betrifft die Beschlussfassung durch die Insolvenzgläubiger gemäß §§ 237 bis 239 InsO, über die im Verfahren nach der im Wesentlichen in Bezug genommenen Vorschrift des § 77 InsO zu entscheiden ist. Dies wird von der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht in Zweifel gezogen. Auch insoweit stellen sich keine Grundsatzfragen. Die Feststellung der Abstimmungsberechtigung gehört als Vorfrage der gerichtlichen Stimmrechtsfestsetzung zur gerichtlichen Stimmrechtsentscheidung, über die das Insolvenzgericht abschließend zu entscheiden hat (vgl. Jaeger/Gerhardt, aaO § 77 Rn. 5, 6, 14, 16, 18).

b) Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Feststellungen des Insolvenzgerichts zum Stimmrecht, die nach § 6 InsO nicht selbständig angefochten werden könnten, unterlägen - ähnlich einem Zwischenurteil gemäß § 303 ZPO - als unselbständige Zwischenentscheidungen der Nachprüfung im Verfahren nach § 253 InsO, trifft nicht zu. Der Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder die Bestätigung versagt wird, entspricht vielmehr demjenigen der Rechtmäßigkeitsprüfung des Insolvenzgerichts im Bestätigungsverfahren (vgl. Braun/Frank, InsO 3. Aufl. § 253 Rn. 1; MünchKomm-InsO/Sinz, aaO § 253 Rn. 24; a.A. HK-InsO/Flessner, aaO § 253 Rn. 6). Dies ergibt sich hinreichend klar aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der §§ 6, 253 InsO sowie dem Umstand, dass eine mit § 512 ZPO vergleichbare Regelung in § 6 InsO nicht enthalten ist. In der Gesetzesbegründung wird im Gegenteil hervorgehoben, dass der Ausgleich für die bindende Stimmrechtsfestsetzung in der Möglichkeit einer mittelbaren Überprüfung nach § 18 RPflG liege (BT-Drucks. 12/2443 S. 135). Im Zusammenhang mit der Ausdehnung des Beschwerderechts in § 253 InsO auf nicht stimmberechtigte Gläubiger wird auch nicht etwa angeführt, dass auf diesem Weg die Stimmrechtsentscheidung korrigiert werden könne. Diesem Kreis der Gläubiger sollte vielmehr der Weg eröffnet werden, ihr Recht auf Minderheitenschutz (§ 251 InsO) im Rechtsmittelzug zu verfolgen (vgl. BT-Drucks. aaO S. 212). Wäre dies anders, könnte das erklärte Ziel - die Sicherung einer nachträglich nicht mehr in Frage zu stellenden Beschlussfähigkeit der Gläubigerversammlung - auch nicht erreicht werden.

3. Die Auffassung der Vorinstanz widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG ZIP 2004, 1762, 1763). Danach kann ein Gehörsverstoß darin liegen, dass der nach § 18 RPflG angerufene Richter seine Entscheidung nicht aussagekräftig begründet hat. Abgesehen davon, dass die fraglichen richterlichen Entscheidungen über die Stimmrechtsfestsetzung im Streitfall begründet worden sind, sind diese - wie ausgeführt - nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

4. Soweit die angefochtene Entscheidung auf die Beurteilung der Stimmrechtsvollmachten durch das Insolvenzgericht eingegangen ist, beruht sie hierauf nicht (§ 4 ZPO, § 576 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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