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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: IX ZB 247/03
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 210
ZPO § 104
Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist der Erlaß eines Kostenfestsetzungsbeschlusses zugunsten eines Altmassegläubigers unzulässig.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 247/03

vom 17. März 2005

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak

am 17. März 2005

beschlossen:

Tenor:

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14. August 2003 gewährt.

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der vorbezeichnete Beschluß des Landgerichts Düsseldorf und der Beschluß des Amtsgerichts Neuss vom 15. April 2002 aufgehoben. Die Anträge des Beklagten vom 11. März 2002 und vom 2. Januar 2003 - letzterer, soweit er die Kosten der ersten Instanz betrifft - werden abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten der Wiedereinsetzung, der Beklagte die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerdeinstanz wird auf 1.159,10 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger machte in seiner Eigenschaft als Treuhänder in dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des L. M. gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch gerichtlich geltend und unterlag in diesem Rechtsstreit. Auf den Antrag des Beklagten vom 11. März 2002 wurden dessen Kosten in Höhe von 1.159,10 € vom Amtsgericht Neuss mit Beschluß vom 15. April 2002 festgesetzt. Zwischenzeitlich - am 12. April 2002 - hatte der Kläger dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Er legte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß sofortige Beschwerde ein. Während des Beschwerdeverfahrens beantragte der Beklagte unter anderem hilfsweise festzustellen, daß der Kläger an ihn Kosten für die erste Instanz in Höhe von 1.159,10 € zu erstatten hat. Der Einzelrichter der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wies die Beschwerde zurück. Auf die - zugelassene - Rechtsbeschwerde hob der Senat diesen Beschluß auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung an das Landgericht zurück (BGH, Beschl. v. 17. Juli 2003 - IX ZB 120/03, ZVI 2003, 467). Dieses hat daraufhin - nach Übertragung der Sache auf die Kammer - mit dem angefochtenen Beschluß erneut die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Der Senat hat dem Kläger für eine Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluß Prozeßkostenhilfe gewährt. Der Kläger hat nach Zustellung dieses Beschlusses am 16. Oktober 2003 mit einem am 29. Oktober 2003 eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Düsseldorf eingelegt, diese begründet sowie beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist zu gewähren.

II.

Dem Kläger ist auf seinen innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil er ohne sein Verschulden, nämlich wegen der Unzulänglichkeit der Masse, verhindert war, diese Fristen einzuhalten (§ 233 ZPO). Die versäumten Prozeßhandlungen sind innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden.

III.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach erfolgter Wiedereinsetzung auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hängt davon ab, ob ein Kostenfestsetzungsbeschluß nach § 104 ZPO gegen den Insolvenzverwalter (Treuhänder) als Partei kraft Amtes auch dann noch ergehen kann, wenn er nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt hat (§ 208 Abs. 1 InsO). Dies wird von einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung bejaht (OLG Naumburg OLGR 2002, 527; OLG Koblenz AGS 2002, 262 zur Konkursordnung; Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 104 Rn. 21 Stichwort: "Masseunzulänglichkeit"), zum Teil beschränkt auf den - hier nicht gegebenen - Fall, daß Bestehen und Umfang des Vollstreckungsverbots zwischen den Parteien streitig sind (OLG Hamm ZInsO 2002, 831, 832), von anderen Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums hingegen verneint (OLG München ZIP 2004, 138; 2248; OLG Düsseldorf ZInsO 2003, 713; LAG Stuttgart ZIP 2001, 657, 658; LAG Düsseldorf ZInsO 2003, 867, 868; OLG Düsseldorf MDR 1991, 357 zur Konkursordnung; MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 208 Rn. 65; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 210 Rn. 3; HK-InsO/Landfermann, 3. Aufl. § 210 Rn. 5; Braun/Kießner, InsO 2. Aufl. § 210 Rn. 7; Lappe EWiR 2000, 873). Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu.

a) Der Beklagte hat kein Rechtsschutzinteresse für den Erlaß des beantragten Kostenfestsetzungsbeschlusses. Sein Kostenerstattungsanspruch ist eine Altmasseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Eine Masseverbindlichkeit ist gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InsO in dem Zeitpunkt "begründet" worden, in dem der Insolvenzverwalter (Treuhänder) den Rechtsgrund hierfür gelegt hat (BGHZ 154, 358, 363). Der Anspruch des Beklagten auf Erstattung der Prozeßkosten war mit der Zustellung der Klage des Treuhänders am 17. August 2001 und damit vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 12. April 2002 aufschiebend bedingt entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1988 - IX ZR 7/88, WM 1988, 1391; v. 25. Mai 1992 - V ZR 108/91, NJW 1992, 2575). Auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an (OLG München ZIP 2004, 138, 139; 2248, 2249). Die Vollstreckung wegen des Kostenerstattungsanspruchs ist somit gemäß § 210 InsO unzulässig (vgl. MünchKomm-InsO/Hefermehl, § 210 Rn. 10). Für den Altmassegläubiger besteht daher kein Rechtsschutzinteresse, in Form eines Kostenfestsetzungsbeschlusses einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zu erlangen, den er von Gesetzes wegen nicht durchsetzen kann. Auch im Kostenfestsetzungsverfahren muß das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers gegeben sein (OLG Düsseldorf JurBüro 2004, 321; OLG Frankfurt am Main OLGR 1994, 24; Zöller/Herget, aaO Stichwort "Rechtsschutzbedürfnis"). Insoweit verhält es sich daher nicht anders als im Klageverfahren. Dort ist anerkannt, daß Forderungen im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden können (BGHZ 154, 358, 360 m.w.N.). Das Kostenfestsetzungsverfahren ist lediglich ein im Vergleich zu einem klageweisen Vorgehen regelmäßig weniger aufwendiges Verfahren (BGHZ 75, 230, 235; 111, 168, 171). Das Ziel, in beiden Fällen einen zur Vollstreckung geeigneten Titel zu schaffen, ist jedoch dasselbe. Deswegen müssen die Verfahren auch in dem hier gegebenen Zusammenhang gleich behandelt werden.

b) Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (so aber OLG Naumburg aaO). Zum einen handelt es sich bei dem Vollstreckungsverbot in § 210 InsO nicht um eine materiell-rechtliche Einwendung. Zum anderen werden Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt, wenn ihre tatsächlichen Voraussetzungen feststehen (vgl. OLG München NJW-RR 1999, 655; OLG Hamburg MDR 2003, 294; Musielak/Wolst, ZPO 4. Aufl. § 104 Rn. 9). So liegt es hier. Denn die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses maßgeblichen Verfahrenstatsachen - die Zustellung der Klage am 17. August 2001 und die Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 12. April 2002 - stehen nicht in Frage. Diese Tatsachen können vom Rechtspfleger leicht und ohne Schwierigkeiten im Festsetzungsverfahren aus den Akten ermittelt werden. Anhaltspunkte für eine Unverbindlichkeit der Anzeige werden kaum jemals bestehen (BGHZ 154, 358, 361).

2. Der Beklagte hat hilfsweise beantragt festzustellen, daß der Kläger ihm auch die Kosten erster Instanz zu erstatten hat; der Kläger hat dieses Begehren mit seinem allerdings nur hilfsweise gestellten Antrag aufgegriffen. Dem Feststellungsantrag kann jedoch nicht stattgegeben werden. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob ein solcher Feststellungsausspruch im Kostenfestsetzungsverfahren überhaupt zulässig ist (verneinend OLG München ZIP 2000, 555 zur Konkursordnung; LAG Düsseldorf aaO). Denn der Beklagte hat hier kein Feststellungsinteresse für einen solchen Ausspruch.

Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn der erstrebte gerichtliche Ausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGHZ 15, 382, 390; 69, 144, 147). Bei einer behauptenden Feststellungsklage liegt eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, daß der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH, Urt. v. 7. Februar 1986 - V ZR 201/84, NJW 1986, 2507). Daran fehlt es. Der Kläger hat den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach jemals in Frage gestellt. Der Umstand, daß er dem Kostenfestsetzungsantrag unter Hinweis auf § 210 InsO entgegengetreten ist, bedeutet nicht, daß er sich etwa eines gegen Grund oder Höhe dieses Anspruchs gerichteten Rechts berühmt. Dessen Feststellung bedarf der Beklagte daher nicht (vgl. OLG Düsseldorf ZinsO 2003, 713; LAG Düsseldorf aaO).

IV.

Bei der Wertfestsetzung war zu berücksichtigen, daß der Kläger sich mit seinem Hauptantrag - anders als noch in dem dem Senatsbeschluß vom 17. Juli 2003 zugrundeliegenden Verfahren (aaO S. 468) - nicht mehr darauf beschränkt, anstelle eines Vollstreckungstitels die bloße Feststellung seiner Zahlungspflicht zu erreichen.

Ende der Entscheidung

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