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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: IX ZB 459/02
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 4a Abs. 1 Satz 1
InsO § 4a Abs. 3 Satz 2
Die Verfahrenskosten sind auch dann zu stunden, wenn der Schuldner die in dem maßgebenden Verfahrensabschnitt anfallenden Kosten nur im Wege von Ratenzahlungen, nicht aber in einer Einmalzahlung aufbringen kann.

Im Verbraucherinsolvenzverfahren bildet das Eröffnungsverfahren neben dem eröffneten (vereinfachten) Insolvenzverfahren, dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren und dem Restschuldbefreiungsverfahren einen besonderen Verfahrensabschnitt.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZB 459/02

vom 25. September 2003

in dem Insolvenzverfahren

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Kayser und Vill am 25. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Bezirksrevisors werden die Beschlüsse des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 23. August 2002 und des Amtsgerichts Essen vom 23. Juli 2002 (161 IK 21/02) insoweit aufgehoben, als dem Schuldner Verfahrenskosten für das Eröffnungsverfahren gestundet worden sind.

In diesem Umfang wird der Stundungsantrag des Schuldners zurückgewiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der früher selbständige und jetzt als Arbeitnehmer beschäftigte Schuldner ist verheiratet und hat einen am 28. August 1982 geborenen Sohn, der sich noch in der Ausbildung befindet. Seine Ehefrau erhält Krankengeld. Am 12. April 2002 hat der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt. Gleichzeitig begehrt er - nach Verfahrensabschnitten - Stundung der Verfahrenskosten bis zur Erteilung der - ebenfalls beantragten - Restschuldbefreiung. Das Amtsgericht hat den Stundungsanträgen für das Eröffnungsverfahren und das Hauptverfahren entsprochen. Das Landgericht hat die gegen die Stundung der Verfahrenskosten gerichtete sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt dieser sinngemäß die Zurückweisung der Stundungsanträge.

II.

Das gemäß § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, §§ 575, 576 ZPO statthafte und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht von einer nach § 6 Abs. 1 InsO statthaften und auch im übrigen zulässigen sofortigen Beschwerde des Bezirksrevisors ausgegangen. Dessen Beschwerdeberechtigung ergibt sich aus § 4d Abs. 2 Satz 1 InsO.

2. In der Sache selbst hat das Landgericht (vgl. Abdruck der Entscheidung in ZVI 2003, 132; ebenso LG Krefeld ZVI 2002, 161 f) angenommen, der beantragten Gewährung einer Stundung bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung könne bereits entsprochen werden, wenn das in diesem Zeitraum vom Schuldner erlangte pfändbare Einkommen nicht ausreichen werde, um die Verfahrenskosten in einer Einmalzahlung aufzubringen. Aus der Systematik der gesetzlichen Regelung ergebe sich, daß monatliche Ratenzahlungen außer Betracht zu bleiben hätten. Denn die Möglichkeit einer Ratenzahlung werde in § 4a InsO im Gegensatz zu § 4b InsO nicht erwähnt. Erst wenn der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage sei, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, könne das Gericht die Stundung verlängern und zu zahlende Monatsraten festsetzen.

Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist nur die Frage, ob dem Schuldner nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Stundung gewährt werden durfte (§ 4d Abs. 2 Satz 2 InsO). Dieser hierauf beschränkten rechtlichen Nachprüfung hält der angefochtene Beschluß nicht in allen Punkten stand.

a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, daß die Verfahrenskosten selbst dann zu stunden sind, wenn der Schuldner unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer des Bewilligungszeitraums (vgl. § 4a Abs. 3 Satz 2 InsO) die in dem jeweiligen Verfahrensabschnitt anfallenden Kosten im Wege von Ratenzahlungen, nicht aber in einer Einmalzahlung aufbringen kann. Zwar ist das Vermögen nach § 4a Abs. 1 Satz 1 InsO nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 35 bis 37 InsO über die Insolvenzmasse zu bestimmen, so daß auch Neuerwerb, insbesondere pfändbares Arbeitseinkommen, zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 539/02, ZInsO 2003, 800, 801). Damit ist indes nicht die Frage beantwortet, ob die Vorschriften der §§ 4a, 4c InsO eine Stundung der Verfahrenskosten auch dann ausschließen, wenn die Möglichkeit der Ratenzahlung innerhalb jedes Verfahrensabschnittes besteht.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist diese Frage zu verneinen. Der Wortlaut des § 4a InsO knüpft allein an das "Vermögen" des Schuldners an und unterscheidet - im Gegensatz zu den Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (vgl. §§ 114, 115 Abs. 1 und 3 ZPO) - nicht zwischen Einmalzahlungen und Ratenzahlungen. Es fehlt in den §§ 4a ff InsO auch an einer Verweisung auf diese Bestimmungen der Zivilprozeßordnung, obwohl an anderer Stelle auf Bestimmungen des Titels über die Prozeßkostenhilfe und den Prozeßkostenvorschuß Bezug genommen wird (vgl. z.B. § 4a Abs. 2 Satz 2, § 4b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 InsO).

Der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001 (BGBl T 2710) kann entnommen werden, daß die "Verfahrenskostenhilfe" als eigenständiges Institut zu begreifen ist (BT-Drucks. 14/5680 S. 1), welches auch zur Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung beitragen soll (BT-Drucks. aaO S. 12). Die gesetzliche Regelung sieht deshalb unter anderem davon ab, die Stundung nur zu gewähren, wenn der Schuldner bereits im Vorfeld des Verfahrens der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Obliegenheit nachgekommen ist, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich um eine solche zu bemühen. Sie berücksichtigt vielmehr Obliegenheitsverletzungen des Schuldners erst bei den Gründen, die eine Aufhebung der Stundung rechtfertigen (vgl. § 4c InsO; BT-Drucks. aaO S. 12). Diese Erwägungen des Gesetzgebers gelten in ähnlicher Weise für die Einbeziehung des erzielten pfändbaren Arbeitseinkommens in die Prüfung der Stundungsvoraussetzungen. Reicht dieses nicht aus, um die Kosten durch Einmalzahlung zu decken, braucht das Insolvenzgericht in dem Antragsverfahren nach § 4a InsO nicht zu prüfen, wie sich der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners voraussichtlich entwickeln und welcher Betrag bei der zu schätzenden Dauer des jeweiligen Verfahrensabschnittes in die Masse fließen wird, um die Verfahrenskosten zu decken. Eine solche, oftmals komplizierte Prüfung, die zudem schon im Ansatz mit Unsicherheiten tatsächlicher Art behaftet ist, würde das Verfahren verzögern, Rechtsmittel im Eröffnungsverfahren herausfordern und dem Anliegen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, mittellosen Personen den Zugang zu dem Verfahren unter zumutbaren Bedingungen zu eröffnen.

Folgerichtig hat der Gesetzgeber die in § 4b Abs. 1 InsO neu eingeführte Bewilligung von Ratenzahlungen deshalb auf die Abwicklung der Stundung nach Erteilung der Restschuldbefreiung beschränkt (vgl. BT-Drucks. aaO S. 20).

b) In einem zweiten Prüfungsschritt hat das Landgericht angenommen, daß dem Schuldner monatlich ein pfändbarer Betrag von 255 € zur Verfügung stehe, der aber nicht ausreiche, um die gesamten Verfahrenskosten (Eröffnungsverfahren und Hauptverfahren) zu decken.

Diese Begründung verletzt, was die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt, § 4a Abs. 3 Satz 2 InsO, nach dem die Stundung für jeden Verfahrensabschnitt besonders erfolgt.

aa) Der Begriff des Verfahrensabschnittes ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Die Literatur geht vielfach mit der amtlichen Begründung davon aus, daß hierunter jeder Teil des gesamten Insolvenzverfahrens zu verstehen ist, der besondere Kosten verursacht und für den bei der ursprünglichen Stundung noch nicht alle einer Restschuldbefreiung möglicherweise entgegenstehenden Umstände geprüft werden konnten (vgl. BT-Drucks. aaO S. 21; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 4a Rn. 21; FK/Kohte, InsO 3. Aufl. § 4a Rn. 23; MünchKomm-InsO/Ganter, §§ 4a-4d Rn. 13; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 4a Rn. 13). Im Anwendungsbereich der §§ 304 ff InsO (Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren) fallen hierunter das "Eröffnungsverfahren", das "gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren", das "eröffnete (vereinfachte) Insolvenzverfahren" und das "Restschuldbefreiungsverfahren" (vgl. FK/Kohte aaO). Eine Zusammenfassung der Verfahrensabschnitte "Eröffnungsverfahren" und "eröffnetes (vereinfachtes) Insolvenzverfahren" kommt danach nicht in Betracht, weil der Antrag auf Verfahrenseröffnung eine besondere Gebühr auslöst (§ 1 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 5110 KV). Einer Zusammenfassung des "Eröffnungsverfahrens" mit dem "gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren" steht entgegen, daß die Gebühr für das Eröffnungsverfahren nach der Formulierung des Gebührentatbestandes auch dann entsteht, wenn dieses Verfahren nach § 306 InsO ruht.

bb) Demzufolge ist in Übereinstimmung mit der gebührenrechtlichen Einteilung des Insolvenzverfahrens durch Nr. 5110, 5112 KV zunächst zu prüfen, ob der Schuldner aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage ist, die mit der Stellung seines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Kosten aufzubringen. Diese setzen sich aus der 5/10 Gebühr gemäß Nr. 5110 KV und den auf diesen Verfahrensabschnitt entfallenden Auslagen (insbesondere Zustellungskosten nach Nr. 9002 KV) zusammen. Bei dem von den Vorinstanzen angenommenen Mindestwert, den die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht, beträgt die 5/10 Gebühr 12,50 €; Kosten für Zustellungen sind insoweit nicht angefallen. Das pfändbare Einkommen des Schuldners beläuft sich unter Berücksichtigung seiner eigenen Angaben, aus denen ein Nettoeinkommen von 1.795,84 € zu errechnen ist, bei einer Unterhaltspflicht gegenüber zwei Personen nach der Tabelle zu § 850c ZPO monatlich auf 126 €. Danach kann der Schuldner die Kosten des Insolvenzeröffnungsverfahrens selbst aufbringen.

Für das (vereinfachte) Insolvenzverfahren ist ihm dagegen die beantragte Kostenstundung zu gewähren. Die voraussichtlichen Kosten dieses Verfahrensabschnittes belaufen sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen auf (555 € abzüglich 12,50 € =) 542,50 €. Selbst wenn die Ehefrau des Schuldners im Hinblick auf das ihr gewährte Krankengeld als nicht unterhaltsberechtigt im Sinne der Tabelle zu § 850c ZPO anzusehen wäre, reichte der dann pfändbare Betrag von 255 € nicht aus, um die Kosten dieses Verfahrensabschnittes im Wege einer Einmalzahlung zu decken.



Ende der Entscheidung

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