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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: IX ZR 144/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IX ZR 144/04

vom 29. Juni 2006

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter, Vill, Cierniak, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

am 29. Juni 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 2. April 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 766.937,82 € festgesetzt.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 544 ZPO); sie ist jedoch unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Soweit das Berufungsgericht die Angabe einer Büroanschrift nicht für ausreichend erachtet hat, liegt zwar eine Divergenz vor zu zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 145, 358; BGH, Urt. v. 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, BGH-Report 2004, 902). Hierauf beruht jedoch das Berufungsurteil nicht, denn der Kläger hatte keine Büroanschrift angegeben.

An einer Divergenz zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2004 (aaO) fehlt es im Übrigen schon deshalb, weil dieses dem Berufungsgericht noch nicht bekannt sein konnte (BGH, Beschl. v. 8. April 2003 - XI ZR 193/02, ZIP 2003, 1082, 1083).

Eine rechtsgrundsätzliche Frage zum Zweck der Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klage stellt sich nicht. Widersprüche zwischen den Entscheidungen BGHZ 102, 332 und der genannten Entscheidung des VIII. Senats (aaO) bestehen entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht. Die Entscheidung BGHZ 102, 332 stellt auf den Zeitpunkt der Klageerhebung ab. Für diesen Zeitpunkt hat der VIII. Senat an der dort vertretenen Auffassung festgehalten.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde war es nicht willkürlich, dass das Berufungsgericht dem Beweisantritt des Klägers für die behauptete neue Wohnanschrift nicht nachgegangen ist. Für Willkür genügt nicht ein einfacher Gesetzesverstoß. Erforderlich ist vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BGHZ 154, 288, 299 f). Der Kläger hatte vorgetragen, er verfüge weiterhin über mehrere Wohnungen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass an diese neue Anschrift Ladungen an den Kläger und seinen Sohn nicht übermittelt werden konnten. Unter diesen Umständen konnte es ohne Willkür den Sachvortrag des Klägers dazu, dass sich seine Wohnung nunmehr an der angegebenen neuen Anschrift befinde, für unzureichend halten. Dem Versuch des Berufungsgerichts, die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen einer Wohnanschrift durch Befragung des Klägers zu treffen, hat sich dieser entzogen. Die Annahme, die vorgelegten Privatatteste bestätigten nicht hinreichend seine Verhandlungsunfähigkeit, beruhte ebenfalls nicht auf sachfremden Erwägungen. Eine amtsärztliche Untersuchung hat der Kläger verweigert. Die konkrete Gefahr einer Verhaftung mag zwar ein schützenswertes Interesse sein, das einem Erscheinen beim Amtsarzt entgegensteht (vgl. BFH, NJW 2001, 1158). Die Annahme des Berufungsgerichts, ausreichende Gründe für eine drohende Verhaftung seien nicht vorgetragen, ist jedoch weder willkürlich, noch verstößt diese Annahme gegen Art. 2 GG. Es fehlte an ausreichend substantiierten Vortrag des Klägers zu einer Gefahr der Verhaftung.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 60, 247, 249 ff; 69, 141, 143). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt aber keinen Schutz dagegen, dass ein Gericht einen Beweisantrag aus Gründen des formellen Rechts unberücksichtigt lässt, wenn sich im Prozessrecht hierfür eine hinreichende Stütze findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 69, 141, 144; BGH, Beschl. v. 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03, BGH-Report 2005, 939 f). Dies war hier der Fall.

Das Grundrecht auf rechtliches Gehör oder auf wirkungsvollen Rechtsschutz ist nicht verletzt, wenn eine Klage aus prozessualen Gründen als unzulässig abgewiesen wird und diese Entscheidung weder willkürlich noch offenkundig unzutreffend ist (vgl. BVerfGE 18, 380, 383; 75, 302, 312). Letzteres ist hier nicht der Fall.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

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