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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.01.2000
Aktenzeichen: IX ZR 198/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 765
BGB § 138 Abs. 1, § 765

a) Ob der Bürge durch eine Bürgschaft finanziell kraß überfordert wird, ist allein aufgrund seiner eigenen Vermögensverhältnisse, nicht auch derjenigen des Hauptschuldners zu beurteilen (Abweichung vom Senatsurt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521). Eine solche Überforderung liegt jedenfalls vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers sind nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen verringern.

b) Wird der Bürge durch eine Bürgschaft, die er aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner übernommen hat, kraß überfordert, und ist der Vertrag wirtschaftlich sinnlos, steht es der Sittenwidrigkeit der Verpflichtung weder entgegen, daß der - nicht geschäftsungewandte - Bürge Vertragsverhandlungen im Namen der Hauptschuldnerin geführt hat, noch daß die Hauptschuld dazu dient, den Bau eines gemeinsam zu bewohnenden Hauses auf einem Grundstück der Hauptschuldnerin zu finanzieren, noch daß der Bürge zusätzliche Sicherheiten aus eigenem Vermögen stellt.

c) Das Vermeiden von Vermögensverschiebungen durch den Hauptschuldner auf den Bürgen schließt die Sittenwidrigkeit einer diesen kraß überfordernden Bürgschaft insgesamt nicht aus, wenn die Höhe der Bürgschaft das berechtigte Sicherungsinteresse des Gläubigers offenkundig weit übersteigt.

BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98 - OLG Stuttgart LG Stuttgart


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 198/98

Verkündet am: 27. Januar 2000

Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Mai 1998 aufgehoben und dasjenige der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 1997 abgeändert, soweit es zum Nachteil des Klägers ergangen ist.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte aus der vom Kläger am 21. Februar 1992 unterzeichneten Bürgschaftsurkunde keine Rechte gegen den Kläger herleiten kann.

Die Anschlußberufung der Beklagten gegen das bezeichnete Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger übernahm am 21. Februar 1992 eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM gegenüber der Beklagten zur Sicherung ihrer Darlehensansprüche in gleicher Höhe gegen Frau B., die Lebensgefährtin des Klägers. Mit dem Darlehen wollten der Kläger und Frau B. auf einem dieser allein gehörenden Grundstück ein Wohnhaus bauen. Der Beklagten standen vereinbarungsgemäß weitere Sicherheiten zu. Das Darlehen wurde im Dezember 1992 auf 1,35 Mio. DM zurückgeführt, später aber notleidend und im April 1994 gekündigt. Nach Verwertung von Sicherheiten hat die Beklagte gemäß ihrer Behauptung noch eine Restforderung von 386.685,55 DM zuzüglich Zinsen; als Sicherheit dient ihr weiterhin eine Grundschuld auf einem Grundstück der Mutter des Klägers.

Anfang 1995 trat Frau B. die Ansprüche aus ihrer Witwenrente sowie aus einer Unfallversicherungsrente an den Kläger ab.

Der Kläger beantragt die Feststellung, daß die Beklagte aus der Bürgschaftsurkunde vom 21. Februar 1992 keine Rechte herleiten kann. Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, daß die Beklagte derzeit gegen den Kläger keine derartigen Rechte herleiten kann. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; auf die Anschlußberufung der Beklagten hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Verurteilung der Beklagten gemäß dem Klageantrag.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

Es sei schon zweifelhaft, ob der 1959 geborene Kläger nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaftsforderung zu begleichen. Zwar habe die Beklagte ihre Behauptung, der Kläger habe vom Unternehmen seiner Lebensgefährtin ein monatliches Einkommen von 4.000 DM erhalten, nicht bewiesen. Der Kläger sei aber Mitinhaber von Anteilen an einem ausländischen Wertpapierfonds gewesen, deren Verkauf im März 1993 einen Erlös von 429.000 DM erbrachte; daß diese Wertpapiere möglicherweise im Innenverhältnis der Hauptschuldnerin allein zustanden, habe der Kläger jedenfalls nicht der Beklagten offenbart. Bis Dezember 1992 habe er von seiner Mutter auch ein Grundstück erlangt, das nunmehr mit einer Grundschuld von 350.000 DM zugunsten der Beklagten belastet sei. Ferner hätten dem Kläger Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugestanden, die er zur Sicherung des Darlehens an die Beklagte abgetreten habe. Andererseits seien die von der Hauptschuldnerin gewährten, zusätzlichen umfangreichen Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, weil nach Nr. 6 der Bürgschaftsurkunde die Beklagte gegenüber dem Kläger frei sei, diese Sicherheiten aufzugeben.

Jedenfalls habe die Beklagte ein rechtlich vertretbares Interesse an der Verpflichtung des Klägers gehabt. Denn es habe die Gefahr bestanden, daß die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei die Möglichkeit einer Vermögensverschiebung Inhalt der Gespräche der Parteien anläßlich der Bürgschaftserklärung gewesen. Daß die Gefahr nicht ferngelegen habe, werde durch die Übertragung der Rentenansprüche im Februar 1995 bestätigt.

Die Umstände des Falles sprächen gegen die Vermutung, daß der Kläger seine Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsungewandtheit abgegeben habe. Vielmehr habe der Kläger ein hohes eigenes Interesse an der Erstellung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin gehabt, weil er es habe bewohnen wollen, weshalb er zu diesem Zweck auch selbst Ausbauten vorgenommen habe. An allen das Darlehen betreffenden Gesprächen habe er nicht nur persönlich mitgewirkt, sondern auch die Verhandlung aktiver als seine Lebensgefährtin geführt. Indem er sich selbst als Mitantragsteller in einem Darlehensantrag aufgeführt habe, habe er den Hausbau und damit die Darlehensgewährung zur eigenen Angelegenheit gemacht und bereits hierdurch seinen Willen zur eigenen vollen Haftung zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er aus seinem Vermögen Sicherheiten für das Darlehen gestellt. Er sei nicht geschäftsungewandt gewesen, nachdem er persönlich in früherer Zeit ein Fuhrgeschäft geleitet habe.

II.

Demgegenüber rügt die Revision: Die Bürgschaft sei sittenwidrig. Ein Sicherungsinteresse der Beklagten habe jedenfalls nicht in Höhe von 1,65 Mio. DM oder auch nur von 1,35 Mio. DM bestanden, weil das Ausfallrisiko durch andere Sicherheiten wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Der Kläger werde durch die Bürgschaft, wie der Beklagten von Anfang an bekannt gewesen sei, kraß überfordert. Eigenes Einkommen habe er im Zeitpunkt der Verbürgung nicht gehabt. Die Anteile am ausländischen Wertpapierfonds hätten ausschließlich der Hauptschuldnerin zugestanden und seien zudem auch als Sicherheit an die Beklagte verpfändet gewesen. Das von der Mutter des Klägers auf diesen übertragene Grundstück habe für die hohe Schuldsumme nicht annähernd ausgereicht, zumal die Mutter sich ein lebenslängliches Wohnrecht vorbehalten habe. Die gerade erst abgeschlossenen Lebensversicherungen hätten nur einen Rückkaufswert von rund 60.000 DM gehabt und seien der Beklagten ebenfalls sicherungshalber übertragen gewesen.

Der Kläger habe ferner die Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsunerfahrenheit abgegeben. Sein Interesse, in dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin zu wohnen, stelle nur einen mittelbaren Vermögensvorteil dar, welcher die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht ausschließe.

III.

Die vom Kläger am 21. Februar 1992 eingegangene Bürgschaft ist sittenwidrig. Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell kraß überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist hier auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beklagten auszugehen.

1. Der Kläger wird durch die Bürgschaft kraß überfordert. Da die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aufgrund der bei Vertragsschluß vorliegenden Umstände und erkennbaren Entwicklungen zu beurteilen ist, ist der Verbürgung im vorliegenden Fall eine Hauptschuld von 1,65 Mio. DM zugrunde zu legen; eine Absenkung um 300.000 DM wurde erst später vereinbart (s.u. IV).

a) Der Bürge ist kraß überfordert, wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist, daß bereits bei Vertragsschluß nicht zu erwarten ist, er werde - wenn sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens zu wesentlichen Teilen tilgen können (vgl. BGHZ 125, 206, 211; vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Im Rahmen der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage einer Bürgschaft weggefallen ist, hat der Senat zwar darauf abgestellt, ob der Bürge innerhalb von fünf Jahren nicht einmal ein Viertel der Hauptsumme aufzubringen vermag (BGHZ 132, 328, 338; 134, 325, 332). Aufgrund dieses Maßstabes hat er jedoch nie die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für eine verzinsliche Hauptschuld bejaht. Soweit den Urteilen in BGHZ 136, 347, 351 f sowie BGHZ 137, 329, 337 f eine Anwendbarkeit des letztgenannten Maßstabes auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB entnommen werden könnte, wird das Gegenteil ausdrücklich klargestellt.

Die Bürgschaftssumme von 1,65 Mio. DM überfordert den Kläger kraß. Das Darlehen war mit jährlich 9 %, also monatlich 12.375 DM zu verzinsen. Einen solchen Betrag konnte der Kläger nicht annähernd erwirtschaften. Als gelernter Glaser hatte er ein eigenes Fuhrgeschäft schon vor der hier maßgeblichen Zeit aufgegeben. Eine Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf oder als Kraftfahrer verschafft erfahrungsgemäß keine Einkünfte in der hier nötigen Größenordnung. Für die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung fehlt jede tatsächliche Grundlage. Insbesondere ist in der Selbstauskunft der Frau B. vom 3. Dezember 1991 für den Kläger als Mitantragsteller kein "monatliches Nettoeinkommen" aufgeführt.

Nach der Behauptung der Beklagten bezog der Kläger zur Zeit der Bürgschaftsübernahme monatlich 4.000 DM von Frau B. für die Führung ihres Speditionsgeschäftes. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme für nicht bewiesen gehalten. Sogar wenn man dem - insoweit beweisbelasteten - Kläger ein derartiges Einkommen zurechnet, reicht es nicht annähernd aus, um die monatlich anfallenden Zinslasten abzudecken. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, daß der Kläger zusätzlich die laufenden Prämien für die Lebensversicherung über 250.000 DM aufzubringen hatte, die für das Finanzierungskonzept der Hauptschuldnerin und des Klägers nötig war.

b) In die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers sind nur seine eigenen Vermögensverhältnisse, nicht aber auch diejenigen der Hauptschuldnerin einzubeziehen. Zwar hat der Senat mehrmals entschieden, daß bei der Beurteilung einer krassen Überforderung auch die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu berücksichtigen ist (Urt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 f; v. 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 767; v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1046). Auf dessen Leistungsfähigkeit hat der Senat später jedoch nicht mehr abgestellt (vgl. BGHZ 134, 325, 327; 136, 347, 351 f; Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Denn der Bürgschaftsfall tritt regelmäßig erst ein, wenn der Hauptschuldner selbst nicht mehr leistungsfähig ist. Das ist sogar der gesetzliche Zweck der Bürgschaft (vgl. § 771 BGB). Dann aber hilft dem Bürgen früher etwa vorhandenes Vermögen des Hauptschuldners nichts. Statt dessen obliegt es dem Gläubiger, sich von vornherein über die individuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Bürgen und Mitverpflichteter zu unterrichten und nur jene bei der Höhe ihrer jeweiligen Mitverpflichtung zu berücksichtigen.

c) Das vom Kläger verbürgte Risiko wurde nicht durch sonstige Umstände voll ausgeglichen oder entscheidend herabgemindert.

Bei der Frage der Überforderung sind anderweitige Sicherheiten des Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen vermindern (vgl. BGHZ 136, 347, 352 f; Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO).

Daß die Mutter des Klägers ihm im September 1992 ein jedenfalls in Höhe von 350.000 DM belastbares Grundstück übertrug, hat im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht zu bleiben (s.u. IV). Denn keine Partei behauptet, daß dies schon im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme im Februar 1992 vorausgesehen oder Verhandlungsgegenstand gewesen sei. Einseitige Hilfeleistungen von Angehörigen des Bürgen zeitlich nach dessen Verbürgung beeinflussen nicht die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit.

Bei der Beurteilung des Risikos, welches der Bürge eingeht, ist vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen, wenn der Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch nicht sichergestellt ist, daß er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (BGHZ 136, 347, 352; Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO). Im vorliegenden Falle hat der Beklagte unter Nr. 6 seiner Bürgschaftserklärung anerkannt, daß alle Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäßig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren. Darüber hinaus stand es der Beklagten frei, den Erlös aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche anzurechnen, die durch die Bürgschaft des Klägers nicht gedeckt sind.

d) Die Beklagte muß die sich danach ergebende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Klägers als bekannt gegen sich gelten lassen. Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse solcher Personen anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nachforschungen ab, befragt sie also insbesondere den Beteiligten nicht nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, muß sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (Senatsurt. v. 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54; v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2329 m.w.N.).

Im vorliegenden Falle hat der Kläger in vollem Umfange Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt und der Beklagten sogar alle von ihm angegebenen Vermögenswerte verpfändet. Er hat ihr nicht etwa vorgespiegelt, mehr Einkommen oder Vermögen zu haben als tatsächlich der Fall war. Die Beklagte selbst geht davon aus, daß Kläger und Hauptschuldnerin die monatliche Belastung für Zins- und Lebensversicherungsbeiträge nur aufbringen konnten, wenn der Erwerber der früheren Spedition der Hauptschuldnerin seinen Zahlungsverpflichtungen nachkam. Die Beklagte hat jedoch nicht beachtet, daß der Umfang der Mitverpflichtung des Klägers seine erkennbar beschränkte Leistungsfähigkeit weit überstieg.

2. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell kraß überforderter Ehegatten, die aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner gehandelt haben, findet in der Regel auch Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind (Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465; vgl. auch BGHZ 136, 347, 350). Der Kläger lebte unstreitig in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Hauptschuldnerin. Ein solches Lebensverhältnis ist erfahrungsgemäß als ein Beweggrund für einen der Partner geeignet, sich für den anderen in einer Weise zu verpflichten, welche die eigene Leistungsfähigkeit kraß überfordert. Die persönliche Beziehung war der Beklagten aus den Darlehensverhandlungen bekannt.

Das Berufungsgericht hat sich gleichwohl nicht davon überzeugen können, daß der Kläger die überhöhte Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit zu Frau B. übernommen hat. Die Auslegung des Berufungsgerichts bewertet aber lediglich mittelbare Vorteile, die sich der Kläger aus dem Erfolg des finanzierten Bauvorhabens versprochen haben mag, rechtsfehlerhaft als entgegenstehende Umstände. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat stets nur eigene geldwerte Vorteile des kraß überforderten Bürgen aus dem verbürgten Geschäft selbst als einen Umstand angesehen, der ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2328 f). Der vom Berufungsgericht als wesentlich herausgestellte Umstand, daß der Kläger das auf dem Grundstück der Frau B. zu errichtende Haus mitbewohnen sollte, genügt danach nicht. Miteigentümer sollte der Kläger, soweit dargetan, nicht werden. Das bloße Mitbewohnen einer aufwendig ausgebauten Villa begründet allenfalls eine Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und stellt somit keinen Vorteil dar, der vernünftigerweise eine hoffnungslose Überschuldung auszugleichen vermöchte. Ein solches Interesse läßt sich durch geeignete Anmietungen billiger befriedigen. Dem steht nicht das von der Beklagten zitierte Senatsurteil vom 23. Januar 1997 (IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005 f = WM 1997, 465, 466) entgegen: In diesem Fall ging es angesichts der begrenzten Bürgschaftshöhe zwar um eine erhebliche Belastung, nicht aber um eine krasse Überforderung der Bürgin. Statt dessen stand dort allein das Vorliegen einer anders gearteten Fallgruppe der Sittenwidrigkeit zur Entscheidung, nämlich eine unzulässige Einwirkung der Gläubigerin selbst auf die Entschließung des Bürgen; nur bei Prüfung gerade der Verwerflichkeit des Gläubigerhandelns hat der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung erkennbar ausgleichende Umstände auf Seiten der Bürgin berücksichtigt.

Zum anderen hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daß der Kläger bei den Kreditbesprechungen mit der Beklagten als Verhandlungsführer für die Hauptschuldnerin aufgetreten ist. Insoweit hat er aber in jedem Falle als Vertreter in fremden Namen gehandelt. Allein aus einem derartigen Betreiben fremder Geschäfte folgt nicht ein inhaltliches Eigeninteresse an dem Geschäft. Obwohl der Kläger Verhandlungen für Frau B. geführt hat, hat er der Beklagten nie ein eigenes Sachinteresse am Bau selbst vorgespiegelt. Sie hat den Kläger letztlich auch nicht als Mitantragsteller für das Darlehen behandelt, und es ist nicht dargetan, daß er über dessen Verwendung frei mitbestimmen durfte.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegt ein Eigeninteresse des Klägers ferner nicht darin, daß er sich in die Zwischenfinanzierung des Bauvorhabens mit einem eigenen Lebensversicherungsvertrag hat einbinden lassen. Der Umstand allein, daß ein Bürge für das Bauvorhaben seines Lebenspartners auf dessen Grundstück zusätzliche Leistungen erbringt, spricht zunächst nur für die emotionale Beteiligung des Bürgen; er bedeutet kein geldwertes Eigeninteresse des Bürgen unmittelbar am Bauvorhaben selbst.

Daß der Kläger möglicherweise nicht geschäftsungewandt war, fällt in diesem Zusammenhang als Beweisanzeichen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht ins Gewicht: Auch geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu einem Lebenspartner Verbindlichkeiten eingehen, die sie kraß überfordern.

Sogar wenn der Kläger - gemäß der unbewiesenen Behauptung der Beklagten - für die Führung der Geschäfte der Frau B. monatlich eine Vergütung von 4.000 DM erhalten hätte, galt eine solche allein seinen persönlichen Einsatz ab; sie begründete keinen Gegenwert für eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM. Dasselbe trifft, anders als die Revisionserwiderung meint, für die Mitwirkung des Klägers an der Verpfändung der Anteile am Wertpapierfonds zu: Wenn der eine Teil einer Lebenspartnerschaft schon eigene Sachsicherheiten opfert, rechtfertigt dies nicht seine zusätzliche, persönliche Verpflichtung als Bürge in voller Höhe der Hauptschuld. Somit kommt es nicht entscheidend auf die Behauptung des Klägers an, er sei hinsichtlich der Anteile nur Treuhänder für Frau B. gewesen, dieser hätten wirtschaftlich alle Anteile zugestanden.

3. Das Berufungsgericht hat ein rechtlich vertretbares Interesse der Beklagten an der Verpflichtung des Klägers auch in der Gefahr gesehen, daß die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Es stellt als unstreitig fest, daß eine solche Gefahr Inhalt der Gespräche der Parteien anläßlich der Bürgschaftserklärung war.

a) Das Berufungsgericht hat darin Recht, daß Vermögensverlagerungen gerade zwischen einander emotional verbundenen Personen in dem Fall, daß einer von ihnen die Insolvenz droht, erfahrungsgemäß oft vorgenommen werden. Die Vermeidung solcher Verschiebungen durch den wirtschaftlich zunächst leistungsstärkeren Hauptschuldner kann ein berechtigter Grund sein, von einer ihm nahestehenden Person eine Bürgschaft zu verlangen (BGHZ 128, 230, 234; 134, 325; Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96 aaO S. 466; v. 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 24 f).

b) Hier durfte die Beklagte jedoch unter diesem Gesichtspunkt keine Bürgschaft in Höhe von 1,65 Mio. DM verlangen. Sie war von Anfang wenigstens in der Lage, sich ganz überwiegend aus anderweitigen Sicherheiten zu befriedigen. Die verpfändeten Wertpapiere (Templeton Growth Fund) und Festgelder deckten anfangs 1.229.000 DM der verbürgten Hauptsumme ab. Für den Rest diente das zunächst unbebaute Grundstück der Hauptschuldnerin als Sicherheit. Sogar wenn dessen Schätzwert von 1 Mio. DM bei realistischer Vorausschau nicht voll zu verwirklichen sein würde, blieb - unter Berücksichtigung auflaufender Zinsen - eine Deckungslücke allenfalls in einer Größenordnung von bis zu 400.000 DM. Allein in diesem Umfang konnte die Beklagte durch Vermögensverschiebungen seitens der Hauptschuldnerin gefährdet werden. Der weitere, letztlich unvollendet gebliebene Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück vergrößerte die Deckungslücke jedenfalls nicht.

Die Entgegennahme einer Bürgschaft durch den Gläubiger ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB als Einheit zu werten. Läßt er sich eine Bürgschaft stellen, die der Höhe nach sein berechtigtes Interesse offenkundig weit übersteigt, vermag es eine krasse Überforderung des Bürgen nicht einmal teilweise zu rechtfertigen.

IV.

Am 10. Dezember 1992 hat der Kläger im Rahmen der Umschuldungsverhandlungen den Antrag der Frau B. mit unterschrieben, das vereinbarte Darlehen von 1,65 Mio. DM auf 1,35 Mio. DM zu senken. In dem Antrag heißt es auszugsweise [Bl. 28 GA]:

"Folgende bereits vorhandene Sicherheiten haften auch für diesen Kredit:

...

Unbefristete, selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über DM 1.650.000,00 - H. G. -, vom 21.02.1992 ..."

Eine rechtswirksame Bestätigung dieser früheren Bürgschaft liegt darin nicht. Denn ein nichtiger Vertrag wird nicht durch Bestätigung rückwirkend wirksam; er kann nur für die Zukunft neu abgeschlossen werden. Es kommt allerdings in Betracht, die vom Kläger unterzeichnete Erklärung als eine neue, selbständige Verbürgung seinerseits in der Form des § 766 BGB auszulegen. Eine solche, erneute Verbürgung für das nunmehr auf 1,35 Mio. DM festgesetzte Darlehen ist jedoch nicht Gegenstand des genau umschriebenen Feststellungsantrags.

Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, daß auch die verringerte Bürgschaftssumme die Leistungsfähigkeit des Klägers noch weit überstieg und sich das Risiko seiner Inanspruchnahme wegen des ausgleichenden Wegfalls bisheriger Sicherheiten keinesfalls verringerte.

V.

Das danach rechtsfehlerhafte Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Der Senat kann selbst in der Sache abschließend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist begründet.

Ende der Entscheidung

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