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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: IX ZR 2/07
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 50 Abs. 1
InsO § 129 Abs. 1
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
Ein anfechtungsfestes Pfändungspfandrecht entsteht auch dann, wenn der vor der "kritischen" Zeit wirksam gewordene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf der Grundlage einer notariellen Zwangsvollstreckungsunterwerfung erlassen worden ist und der mitbeurkundete Vertrag an Wirksamkeitsmängeln leidet.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 2/07

Verkündet am: 20. März 2008

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Prof. Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 22 des Landgerichts Berlin vom 17. März 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 8. September 2003 am 18. Juni 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Z. (fortan: Schuldnerin). Ein zuvor am 11. Juli 2000 von der A. gestellter Insolvenzantrag war mangels Masse abgewiesen worden. Im Jahr 1995 kaufte die Schuldnerin von der S. GmbH ein Grundstück. Wegen der Ansprüche aus diesem Vertrag unterwarf sie sich in notarieller Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen. Am 4. Juli 1996 erwirkte die S. GmbH einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den das Guthaben der Schuldnerin bei der Sparkasse von umgerechnet 22.231,53 € gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurde. Die Sparkasse hinterlegte den Betrag beim Amtsgericht Bad Salzungen unter anderem zugunsten der S. GmbH und erklärte am 10. Dezember 1996 den Verzicht auf die Rücknahme. In der Folgezeit geriet die S. GmbH in Insolvenz; der Beklagte ist ihr Insolvenzverwalter. Dieser führte gegen einen weiteren Hinterlegungsbeteiligten, die C. GmbH, einen Rechtsstreit auf Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages. Durch Urteil des Landgerichts Erfurt vom 12. Dezember 2002 wurde die dortige Beklagte zur Zustimmung verurteilt. Am 26. September 2003 zahlte die Hinterlegungsstelle den hinterlegten Betrag an den Beklagten aus.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Rückzahlung dieses Betrages im Wege der Deckungsanfechtung. Er meint, die S. GmbH habe kein Pfändungspfandrecht an dem hinterlegten Betrag erworben, weil der Kaufvertrag, aus dem die Gesellschaft ihre Forderung herleite, nichtig sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte bis auf einen Teil des Zinsanspruchs Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.

I.

Das Berufungsgericht meint: Der Beklagte habe mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 4. Juli 1996 kein Recht auf abgesonderte Befriedigung erworben. Der notarielle Kaufvertrag vom 9. Mai 1995, auf dem der Vollstreckungstitel beruhe, sei nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Der in der Urkunde in Bezug genommene Lageplan sei nicht maßstabsgerecht (Verstoß gegen § 313 BGB a.F.). Ein Vollstreckungstitel sei Grundlage und schlechthin unerlässliche Voraussetzung jeder Zwangsvollstreckung. Nichtigen Rechtsakten komme keine Wirkung zu. Da die S. GmbH im Jahre 1996 kein wirksames Pfandrecht erlangt habe, sei anfechtungsrechtlich auf die Auszahlung des hinterlegten Betrages am 26. September 2003 abzustellen. Durch sie seien die Gläubiger der Schuldnerin objektiv benachteiligt worden (§ 129 Abs. 1 InsO). Im Zeitpunkt der Auszahlung sei die Schuldnerin, was dem Beklagten bekannt gewesen sei, zahlungsunfähig gewesen. Die Anfechtbarkeit ergebe sich deshalb sowohl aus § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 als auch aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Sie stehen in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Vollstreckungstiteln gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO (vgl. BGHZ 154, 283, 286 f; BGH, Urt. v. 12. Juli 1996 - V ZR 205/95, ZIP 1996, 1747; v. 23. November 2006 - IX ZR 126/03, WM 2007, 367, 368).

1. Nach dem Vortrag des Klägers war die Schuldnerin seit Ende April 1995 zahlungsunfähig; der erste Insolvenzantrag eines Gläubigers vom 11. Juli 2000 war mangels Masse abgewiesen worden. Auf dieser tatsächlichen Grundlage lag eine einheitliche Insolvenz mit der Folge vor, dass sich die Drei-Monats-Frist für die Deckungsanfechtung gemäß § 139 Abs. 2 Satz 2 InsO nach dem ersten Insolvenzantrag richtete, obwohl zwischen ihm und dem Antrag, der zur Verfahrenseröffnung führte, ein Zeitraum von gut drei Jahren lag (vgl. BGH, Urt. v. 15. November 2007 - IX ZR 212/06, WM 2008, 169, 170). Hat die S. GmbH bezogen auf den ersten Insolvenzantrag außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums wirksam ein Pfändungspfandrecht (§ 50 Abs. 1 InsO) erworben, braucht der Beklagte die davon gedeckte Zahlung nicht zurückzugewähren, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligt (vgl. BGHZ 157, 350, 355; 162, 143, 156).

2. Im Streitfall hat die S. GmbH bereits im Juli 1996 und damit außerhalb des durch §§ 130, 131 InsO geschützten Zeitraums ein anfechtungsfestes Pfändungspfandrecht an dem Guthaben der Schuldnerin bei der Sparkasse erworben, auf welches die Auszahlung im Jahre 2003 erfolgt ist.

a) Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass eine Vollstreckung ohne Vollstreckungstitel nichtig ist (BGHZ 121, 98, 101 f). Absonderungskraft hat ein Pfändungspfandrecht gemäß § 50 Abs. 1 InsO nur, wenn es - vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und gegebenenfalls vor der Anordnung von Maßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 InsO - wirksam begründet worden ist (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 50 Rn. 76 f). Hieran besteht nach dem festgestellten Sachverhalt (§ 563 Abs. 3 ZPO) allerdings kein Zweifel.

aa) Ein vollstreckbarer Schuldtitel ist auch eine Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung in einer notariellen Urkunde ist unabhängig von einer materiellen Einigung der Parteien über das zugrunde liegende Rechtsgeschäft. Sie ist vielmehr eine ausschließlich auf das Zustandekommen des Vollstreckungstitels gerichtete einseitige prozessuale Erklärung. Für das Wirksamwerden der Unterwerfungserklärung ist der Bestand einer sachlich-rechtlichen Einigung nicht erforderlich. Auch § 139 BGB ist nicht anwendbar (BGHZ 154, 283, 286; BGH, Urt. v. 1. Februar 1985 - V ZR 244/83, WM 1985, 545; v. 24. Juni 1994 - V ZR 19/93, WM 1994, 1886, 1887; v. 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02, WM 2003, 2372, 2373; v. 18. November 2003 - XI ZR 332/02, WM 2004, 27, 29). Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung kann nur im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 797 Abs. 4, § 767 Abs. 1 ZPO beseitigt werden (BGH, Urt. v. 1. Februar 1985 - V ZR 244/03, aaO S. 545; v. 23. November 2006 - IX ZR 126/03, WM 2007, 367, 368; Musielak/Lackmann, ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 35; Saenger/Kindl, ZPO 2. Aufl. § 794 Rn. 35; Zöller/Stöber, ZPO 26. Aufl. § 794 Rn. 29). Eine solche ist hier nicht erhoben worden.

Es ist auch nicht in einem anderen Verfahren mit Rechtskraftwirkung für die Parteien über das Bestehen der titulierten Forderung entschieden worden. Gegenstand der von dem Beklagten unter anderem gegen die Schuldnerin vor dem Landgericht Meiningen angestrengten Klagen, die zu den Teil- und Schlussurteilen vom 31. Mai 2001 und 28. März 2002 geführt haben, waren mietrechtliche Zahlungsansprüche. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des zwischen der Schuldnerin und der S. GmbH geschlossenen Vertragswerkes war Vorfrage für die geltend gemachten Zahlungsansprüche. Die in den genannten Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung zur Nichtigkeit des Kaufvertrages ist deshalb nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. BGHZ 123, 137, 140; Zöller/Vollkommer, aaO vor § 322 Rn. 34).

bb) Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Vollstreckungsschuldner keine Vollstreckungsgegenklage mehr erheben; seine rechtlichen Möglichkeiten setzen sich vielmehr in der materiell-rechtlichen Bereicherungsklage fort (BGHZ 83, 278, 280; Zöller/Herget, aaO § 767 Rn. 2 Stichwort Bereicherungsklage). Auch daraus erwächst dem Kläger kein erheblicher Einwand gegen das Absonderungsrecht der S. GmbH. Da der Gegenstand eines etwaigen Bereicherungsanspruchs in der Insolvenz der S. GmbH nicht mehr in Natur zurückgewährt werden kann, erschöpften sich etwaige Ansprüche des Klägers gegen die S. GmbH einschließlich solcher aus Insolvenzanfechtung (vgl. BGHZ 155, 199, 203) in einer gewöhnlichen Geldforderung, die sich gegen das gesamte Vermögen der S. GmbH richtete und insoweit keine Aussonderungskraft außerhalb oder innerhalb deren Insolvenz mehr hat (vgl. BGHZ, aaO S. 203 f; 156, 350, 359 f). Ansprüche gegen die von dem Beklagten verwaltete Masse sind daher nicht begründet.

b) Schließlich ergibt sich für den Kläger nichts aus der Argumentation des Berufungsgerichts, mit der Anfechtung der Auszahlung an den Beklagten sei der Auszahlungsanspruch der Schuldnerin wieder aufgelebt, weil die Sparkasse auch zu ihren Gunsten hinterlegt habe. Auch dieser Anspruch ist bloße Insolvenzforderung, der im Verfahren zu verfolgen gewesen wäre (vgl. BGHZ, aaO S. 203 f).

aa) Die Hinterlegung hat im Streitfall nur insoweit Bedeutung, als sie die Erfüllung der titulierten und durch das Pfändungspfandrecht gesicherten Forderung hinausgeschoben hat. Nach Ablauf des Drei-Monats-Zeitraums gerechnet von der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 4. Juli 1996 an die Sparkasse (vgl. § 829 Abs. 3 ZPO) war die Pfändung des Guthabens nicht als vorsätzliche Handlung nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar (vgl. BGHZ 162, 143, 147). Die Zahlung zur Deckung des somit insolvenzfest gesicherten Anspruchs hat die Gläubiger nicht benachteiligt.

bb) Mit der Hinterlegung des gepfändeten Guthabens unter Verzicht auf die Rücknahme der hinterlegten Sache wird der (Dritt-)Schuldner von seiner Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung an den Gläubiger, hier also den Pfändungsgläubiger, geleistet hätte (§ 378 BGB). Voraussetzung ist nur, dass der (Dritt-)Schuldner - auch - den richtigen Gläubiger als einen der Empfangsberechtigten benannt hat. Gleichzeitig erlischt die Forderung des wahren Gläubigers (BGH, Urt. v. 10. Dezember 2004 - V ZR 340/03, WM 2005, 1136, 1138; v. 17. November 2005 - IX ZR 174/04, ZIP 2006, 91). Im Streitfall gehörte die S. GmbH zu dem Kreis der Hinterlegungsbeteiligten. Mit der Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme war der Erwerbsvorgang somit abgeschlossen. Der Umstand, dass die Auszahlung erst später erfolgte, ist anfechtungsrechtlich ohne Belang.

Deshalb kann sich rechtlich auch nicht auswirken, dass der Kläger gegenüber einer anderen Hinterlegungsbeteiligten Anfechtungsansprüche außergerichtlich durchsetzen konnte.

Ende der Entscheidung

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