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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: IX ZR 38/04
Rechtsgebiete: GesO, InsO


Vorschriften:

GesO § 10 Abs. 1 Nr. 1
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
InsO § 17 Abs. 2
a) Die schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist ein Anzeichen für eine Zahlungseinstellung.

b) Erzwungene "Stundungen", die dadurch zustande kommen, dass der Schuldner die fälligen Löhne mangels liquider Mittel nicht mehr oder nur noch mit Verzögerungen begleicht, die Arbeitnehmer aber nicht sofort klagen und vollstrecken, stehen der Berücksichtigung der Lohnforderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen.

c) Die in einem Darlehensvertrag enthaltene Bestimmung, wonach die an den späteren Insolvenzschuldner ausgereichte Darlehensvaluta mittelbar an den Darlehensgeber zurückfließen soll, kann den Schluss auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz rechtfertigen.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 38/04

Verkündet am: 14. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2008 durch die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 7. Zivilsenat - vom 22. Dezember 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte gewährte der J. GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin) am 6. März und 8. April 1998 zwei Darlehen über insgesamt 550.000 DM. Zur Besicherung der Kredite übereignete die Gemeinschuldnerin der Beklagten jeweils Gegenstände ihrer Betriebsausstattung. Durch Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 1. Dezember 1998 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Dieser verwertete die der Beklagten sicherungsübereignete Betriebsausstattung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Verwalter die Feststellung, dass der Beklagten aus den Sicherungsübereignungen keine durchsetzbaren Rechte an dem Verwertungserlös zustehen. Er ist der Auffassung, die Sicherungsübereignungen seien nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 4 GesO anfechtbar. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen wendet sich dieser mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Anfechtungsvoraussetzungen lägen nicht vor. Im Februar 1998 sei die Gemeinschuldnerin weder überschuldet noch zahlungsunfähig gewesen. Zwar seien die Löhne mit Verzögerungen von einem bis zwei Monaten gezahlt worden. Die Arbeitnehmer seien jedoch über die schlechte finanzielle Situation der Gemeinschuldnerin informiert gewesen und hätten die schleppenden Lohnzahlungen hingenommen, ihre Forderungen somit gestundet. Der Annahme der Zahlungsunfähigkeit stehe weiter entgegen, dass die Gemeinschuldnerin die Produktion nur noch eingeschränkt aufrecht erhalten, nämlich nur noch so viele Waren bestellt habe, wie sie auch habe bezahlen können.

Die für § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO erforderliche Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin sei nicht festzustellen. Diese habe der Beklagten keine inkongruente Deckung gewährt. Zwar hätten die Sicherungsübereignungen nicht nur der Besicherung der Kredite vom 6. März und 8. April 1998, sondern aller bestehenden Ansprüche der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin gedient. Der Kläger habe jedoch nicht substantiiert dargetan, dass die Beklagte damals noch weitere Ansprüche gehabt habe. Die Besicherung sei auch nicht deshalb inkongruent, weil ein beachtlicher Teilbetrag der gewährten Darlehen nicht der Gemeinschuldnerin, sondern der M. GmbH (M. ) habe zugute kommen sollen, an der die Beklagte mittelbar beteiligt sei. Die von der Beklagten gewährten Darlehen hätten zwar nicht ausgereicht, um die Krise der Gemeinschuldnerin auf Dauer zu überwinden. Sie hätten jedoch zusammen mit weiteren, später erfolgten Mittelzuflüssen die Chance geboten, in geordnete Verhältnisse zurückzukehren. Da die Gemeinschuldnerin Anfang 1998 nicht zahlungsunfähig gewesen sei, fehle es auch an einer Voraussetzung für die Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO.

Der Kläger könne sein Begehren schließlich nicht auf die §§ 30, 31 GmbHG stützen. Eine zumindest mittelbare Beteiligung der Beklagten an der Gemeinschuldnerin habe der Kläger nicht dargetan. Mit seinem in einem Schriftsatz vom 11. November 2003 enthaltenen Vortrag, dass die Beklagte Gesellschafterin einer MB GmbH sei, die ihrerseits Geschäftsanteile der Gemeinschuldnerin halte, sei der Kläger gemäß § 296a ZPO ausgeschlossen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

1. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand ist die Anfechtbarkeit der Sicherungsübereignung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 4 GesO nicht auszuschließen.

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei zum damaligen Zeitpunkt zahlungsfähig gewesen, entbehrt einer tragfähigen Begründung.

aa) Der Kläger hat für seine Behauptung, die Gemeinschuldnerin sei bereits Anfang 1998 zahlungsunfähig gewesen, Beweis angetreten durch Vernehmung der beiden Zeugen H. und L. , die damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Das Landgericht hat lediglich H. vernommen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger sein Beweisangebot insgesamt wiederholt. Das Berufungsgericht hat die Beweisaufnahme jedoch nicht ausgeweitet. Es hat damit gegen die Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel (§ 286 ZPO) verstoßen.

Dies rügt die Revision mit Recht. Der Kläger hat auf seinen zweiten Zeugen nicht verzichtet, und er hatte dazu auch keinen Anlass, nachdem die Einvernahme des ersten - jedenfalls nach dem Verständnis des Tatrichters - den notwendigen Beweis noch nicht erbracht hatte.

bb) Die Würdigung des Beweisergebnisses dahin, die Gemeinschuldnerin sei bei Vereinbarung der Sicherungsübereignungen zahlungsfähig gewesen, krankt daran, dass das Berufungsgericht auf den Zeitpunkt "Februar 1998" abgestellt hat. Die Sicherungsübereignungen erfolgten jedoch im März und April 1998.

cc) Außerdem hat das Berufungsgericht bei der Feststellung der objektiven Zahlungsunfähigkeit den Prozessstoff nicht ausgeschöpft. § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO stellt zwar auf die Zahlungseinstellung ab. Damit wird jedoch nur das äußerliche Verhalten des Schuldners beschrieben, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt (BGHZ 149, 100, 108; BGH, Urt. v. 30. April 1959 - VIII ZR 179/58, KTS 1960, 38, 39; v. 3. April 1974 - VIII ZR 235/72, WM 1974, 451; v. 17. April 1986 - IX ZR 54/85, NJW-RR 1986, 848, 850).

(1) Im rechtlichen Ausgangspunkt kann dem Berufungsgericht noch gefolgt werden.

Der Begriff der Zahlungseinstellung in § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO ist derselbe wie in § 30 KO (BGHZ 149, 100, 108; BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, 2082; v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 337/97, WM 1998, 2345, 2346; v. 13. April 2000 - IX ZR 144/99, NZI 2000, 363). Er setzt einmal die objektive Zahlungsunfähigkeit und zum anderen deren Kundgabe nach außen voraus. Nicht gefordert wird die Einstellung aller Zahlungen. Dass der Schuldner vereinzelt - auch wenn es sich dabei insgesamt um eine beachtliche Summe handelt - noch solche leistet, steht der Annahme der Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen; es genügt, dass das Unvermögen zur Zahlung den wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten des Schuldners betrifft (BGHZ 149, 100, 108; BGH, Urt. v. 1. März 1984 - IX ZR 34/83, NJW 1984, 1953; v. 10. Januar 1985 - IX ZR 4/84, NJW 1985, 1785; v. 11. Juli 1991 - IX ZR 230/90, NJW 1992, 624; v. 27. April 1995 - IX ZR 147/94, NJW 1995, 2103, 2104; v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 337/97, aaO; v. 13. April 2000 - IX ZR 144/99, aaO; v. 17. Mai 2001 - IX ZR 188/98, NZI 2001, 417; v. 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, NZI 2002, 486, 489; Beschl. v. 19. Juli 2007 - IX ZB 36/07, WM 2007, 1796, 1798).

(2) Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit hat das Berufungsgericht die Tatsachen jedoch unvollständig gewürdigt.

Der erstinstanzlich vernommene Zeuge H. , dem das Berufungsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe hat folgen wollen, hat bekundet, die Gemeinschuldnerin habe bereits seit 1997 Schwierigkeiten gehabt, ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Lieferanten und den Beschäftigten zu erfüllen. Mitte Januar 1998 sei dem Gesellschafter mitgeteilt worden, dass eine geordnete Weiterführung des Geschäfts nicht mehr möglich sei. Drei Wochen danach habe er, der Zeuge, sich zusammen mit dem Zeugen L. zum Insolvenzgericht aufgemacht, um den Insolvenzantrag zu stellen. Unmittelbar vor dem Gerichtsgebäude habe L. auf seinem Mobiltelefon einen Anruf des Gesellschafters entgegengenommen. Dieser habe ihn angewiesen, den Eröffnungsantrag nicht zu stellen, weil frische Mittel in Aussicht stünden. Zu diesem Zeitpunkt habe er, H. , die offenen Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin auf etwa 1,5 Mio. DM geschätzt. Davon könnte etwa die Hälfte auf rückständige Löhne und Gehälter entfallen sein. Der Rückstand habe cirka zwei Monate betragen. Die der Gemeinschuldnerin gewährte, sich nur noch auf 50.000 DM belaufende Kreditlinie sei nahezu ausgeschöpft gewesen. Die Gemeinschuldnerin habe kurzfristig fällige Forderungen von höchstens 350.000 DM und einen Warenbestand im Wert von ebenfalls höchstens 350.000 DM gehabt. Sie sei nach seinem Dafürhalten zahlungsunfähig gewesen. Deshalb sei man ja zum Insolvenzgericht gegangen.

Das Berufungsgericht hat daraus - ohne sich mit der Aussage im Einzelnen zu befassen - nur entnommen, dass sich die Gemeinschuldnerin in einer "ernsthaften Krise" befunden habe; die Zahlungsunfähigkeit sei damit jedoch noch nicht eingetreten. Diese Wertung ist mangels näherer Begründung nicht nachvollziehbar. Weshalb die eigene Einschätzung des Geschäftsführers, der die Gemeinschuldnerin zum damaligen Zeitpunkt für zahlungsunfähig hielt, falsch war, hat das Berufungsgericht nicht ausgeführt. Es fehlt insbesondere eine Prüfung, ob die von dem Zeugen angegebenen, ihm selbst nicht als ausreichend erscheinenden Aktiva der Gemeinschuldnerin kurzfristig liquidierbar waren.

(3) Nicht befasst hat sich das Berufungsgericht auch mit dem Vortrag des Klägers, am 31. Oktober 1997 habe der Jahresfehlbetrag 895.149,47 DM, am 30. Juni 1998 bereits 2.396.033,99 DM betragen. Diese Angaben können das Bild einer - ungeachtet der zwischenzeitlichen Geldmittelzufuhr - im stetigen Niedergang begriffenen Gesellschaft bestätigen.

dd) Die schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern ist ein Anzeichen für eine Zahlungseinstellung (RG Recht 1910 Nr. 3594; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 28; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 30 Rn. 3c; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 30 KO Anm. 5). Das Berufungsgericht hat dies im vorliegenden Fall deshalb anders gesehen, weil die Arbeitnehmer über die schlechte finanzielle Situation der Gemeinschuldnerin informiert gewesen seien und die Zahlungsverzögerungen hingenommen hätten, so dass von einer Stundung auszugehen sei.

Diese Ansicht ist ebenfalls rechtlich nicht haltbar. Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, an dem - unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung anerkannten - Erfordernis des "ernsthaften Einforderns" als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung sei sogar für § 17 InsO festzuhalten (BGH, Beschl. v. 19. Juli 2007 - IX ZB 36/07, aaO). Um den richtigen Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu finden, müssten auch solche Gläubiger berücksichtigt werden, die den Schuldner zur Zahlung aufgefordert, dann aber weitere Bemühungen eingestellt hätten, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, sie seien damit einverstanden, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit vorerst nicht erfülle. Die Forderung eines Gläubigers, der in eine spätere oder nachrangige Befriedigung eingewilligt habe, dürfe hingegen nicht berücksichtigt werden, auch wenn keine rechtlich bindende Vereinbarung getroffen worden sei oder die Vereinbarung nur auf die Einrede des Schuldners berücksichtigt werde und vom Gläubiger einseitig aufgekündigt werden könne. Diese Grundsätze können auch auf § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO, § 30 KO übertragen werden.

Bei der Annahme, ein Gläubiger habe stillschweigend in eine spätere oder nachrangige Befriedigung seiner Forderung eingewilligt, ist Zurückhaltung geboten (Jaeger/Henckel, aaO § 30 Rn. 23; Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 102 KO Rn. 2c; zur InsO vgl. Jaeger/Müller, InsO § 17 Rn. 10; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 17 Rn. 8; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 17 Rn. 6; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 17 Rn. 11). "Erzwungene Stundungen", die dadurch zustande kommen, dass der Schuldner seine fälligen Verbindlichkeiten mangels liquider Mittel nicht mehr oder nur noch mit Verzögerungen begleicht, die Gläubiger aber nicht sofort klagen und vollstrecken, weil sie dies ohnehin für aussichtslos halten oder sie nicht den sofortigen Zusammenbruch des Schuldners verantworten wollen, stehen der Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen.

Für "erzwungene Stundungen" der Arbeitnehmer gilt dies in besonderem Maße. Werden sie darüber informiert, dass das Ausbleiben pünktlicher Lohnzahlungen auf eine ernsthafte finanzielle Krise des Arbeitgebers zurückzuführen ist, werden sie oft aus Sorge, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, still halten. Blieben ihre Lohnforderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit unberücksichtigt, würde nicht selten der richtige Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfehlt.

Abgesehen davon ergibt sich hier aus den Angaben des Zeugen H. , dass die Gemeinschuldnerin nicht von einer Stundung durch die Arbeitnehmer ausgegangen ist. Der Zeuge hat ausgesagt, die Arbeitnehmer hätten ihre Forderungen geltend gemacht, es habe allerdings keine Klagen gegeben. Die Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin habe diese Forderungen als fällig angesehen und einen Insolvenzantrag befürchtet.

ee) Falls die Gemeinschuldnerin zu dem Zeitpunkt, als die beiden Geschäftsführer sich auf den Weg zum Insolvenzgericht machten, zahlungsunfähig war, hat sich daran durch die fernmündliche Zusage "frischen Geldes" nichts geändert.

Der Zeuge H. hat ausgesagt, die zugesagten frischen Mittel hätten nicht ausgereicht; sie hätten es jedoch ermöglicht, "Altballast abzuwerfen", und die Chance geboten, geordnete Verhältnisse wieder herzustellen. In dieser Situation hätte man eigentlich die Produktion hochfahren müssen, um für die kommende Saison gerüstet zu sein. Man habe jedoch vorsichtig disponiert und nur noch im Rahmen des sicher Bezahlbaren Waren bestellt.

War die Gemeinschuldnerin insolvenzreif, als ihre Geschäftsführer sich auf den Weg zum Insolvenzgericht machten, dann blieb sie es auch nach dem Anruf des Gesellschafters, weil die zugesagten "frischen Gelder" sie nicht in die Lage versetzten, ihre Zahlungen im Allgemeinen wieder aufzunehmen (vgl. BGHZ 149, 100, 109). Auch nach Ansicht des Berufungsgerichts waren die gewährten Darlehen "nicht ausreichend, um die Krise der Gemeinschuldnerin auf Dauer zu überwinden". Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass die - schon für sich genommen unzureichende - Zufuhr neuer Finanzmittel zu einem wesentlichen Teil gar nicht der Gemeinschuldnerin zugute kommen sollte. Hierauf ist später noch einzugehen.

Dass die von dem Zeugen geschilderte Produktionseinschränkung den Ruin der Gemeinschuldnerin beschleunigen musste, hat das Berufungsgericht selbst erkannt, ohne jedoch Folgerungen daraus zu ziehen.

b) Das Berufungsgericht hat auch die für § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO erforderliche Gläubigerbenachteiligungsabsicht rechtsfehlerhaft verneint.

aa) Die Gewährung einer inkongruenten Deckung, die insofern ein Beweisanzeichen hätte sein können, hat es abgelehnt, weil der Kläger nicht substantiiert dargetan habe, dass die Sicherungsübereignungen auch früher ausgereichte Darlehen besichert hätten.

(1) Insoweit hat das Berufungsgericht die Darlegungslast zur Inkongruenz überspannt. Wird eine Sicherheit für einen bereits ausgereichten, bisher unbesicherten Kredit bestellt, ist dieses Rechtsgeschäft inkongruent. Im vorliegenden Fall dienten die Sicherungsübereignungen nach dem Wortlaut der beiden Verträge vom 6. März und 8. April 1998 nicht nur der Sicherung der jeweils neu gewährten Kredite in Höhe von 300.000 DM und 250.000 DM, sondern auch der Sicherung aller bereits bestehenden Ansprüche der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin. Dies spricht dafür, dass es solche gegeben hat. Der Kläger hat weiter vorgetragen, der Geschäftsführer H. der Gemeinschuldnerin habe ihm gegenüber angegeben, die Beklagte habe der Gemeinschuldnerin wiederholt sechsstellige Beträge zur Verfügung gestellt, und dies in das Wissen der Zeugen H. und L. gestellt. Die Beklagte hat diesen Vortrag mit Nichtwissen bestritten.

Zumindest die Behauptung, dass H. dem Kläger gegenüber solche Angaben gemacht habe, war hinreichend substantiiert. Dazu konnte H. ohne weiteres befragt werden. Im Übrigen ist bei der Frage, welche Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen sind, zu berücksichtigen, ob sich die vorgetragenen Geschehnisse im Wahrnehmungsbereich der Partei zugetragen haben und wie sich der Gegner dazu eingelassen hat (BGH, Urt. v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, WM 1991, 1737, 1739; v. 13. März 1996 - VIII ZR 36/95, WM 1996, 1013, 1015). Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere im Anfechtungsprozess des Insolvenzverwalters (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 337/97, aaO S. 2347). Diesem steht zur Begründung seiner Klage über die vorgefundenen, häufig unvollständigen schriftlichen Unterlagen hinaus allenfalls die frühere Geschäftsleitung als Auskunftsperson zur Verfügung. Deshalb würden zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast oft die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage von vornherein vereiteln.

(2) Außerdem verweist die Revision zutreffend darauf, dass jedenfalls die zweite Sicherungsübereignung vom 8. April 1998 auch das Darlehen vom 6. März 1998 besichert hat. Auf eine zusätzliche Sicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem Vertrag vom 6. März 1998 durch die Sicherungsübereignung vom 8. April 1998 hatte die Beklagte keinen Anspruch. Da der spätere Sicherstellungsvertrag keinen Vorrang für die Forderungen aus dem im Gegenzug gewährten Kredit enthält, handelt es sich jedenfalls bei der zweiten Sicherungsübereignung um ein insgesamt inkongruentes Geschäft.

bb) Nicht gefolgt werden kann weiter der Ansicht des Berufungsgerichts, die in den Darlehensverträgen jeweils enthaltene Verwendungsklausel sei für die Prüfung einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht unbeachtlich.

Die Beklagte hat in den Darlehensverträgen (unter Art. 6.1) mit der Gemeinschuldnerin vereinbart, dass Teilbeträge von jeweils mindestens 50 % der Darlehensvaluta zur Tilgung von Verbindlichkeiten der M. GmbH (fortan: M. ) einzusetzen waren. Mit diesen Verwendungsklauseln wurde bezweckt, dass ein Teil der Darlehensbeträge mittelbar wieder an die Beklagte zurückfloss. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ist die M. eine Tochtergesellschaft der S. GmbH (S. ), deren Mehrheitsgesellschafterin wiederum die Beklagte ist. Der Kläger hat behauptet, die Gemeinschuldnerin habe mit den von der Beklagten erhaltenen Darlehen Altverbindlichkeiten der M. von 100.278,35 DM getilgt. Gegenteiliges hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Darauf, dass der Beklagten für Leistungen, von denen sie mittelbar selbst profitierte, Sicherheiten übertragen wurden, hatte sie keinen rechtlich schützenswerten Anspruch. Die Verwendungsklausel deutet somit darauf hin, dass die Beklagte - unter Inkaufnahme der Benachteiligung anderer Gläubiger - eigensüchtige Motive verfolgte.

2. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand hat das Berufungsgericht eine Anwendung der Kapitalersatzregeln (§§ 30, 31 GmbHG) auf die Beklagte zutreffend ausgeschlossen.

Die Beklagte war im Zeitpunkt März/April 1998 nicht (mehr) Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin. Sie war lediglich mittelbar an dieser beteiligt. Die Kapitalersatzregeln wären auf die Beklagte nur anwendbar, wenn sie maßgeblich, nämlich mit mehr als 50 v. H., an einer Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin beteiligt gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 21. Juni 1999 - II ZR 70/98, NJW 1999, 2822; v. 13. Dezember 2004 - II ZR 206/02, WM 2005, 176; v. 13. Dezember 2004 - II ZR 256/02, WM 2005, 332). Ob der Vortrag des Klägers in dem Schriftsatz vom 11. November 2003, dass die Beklagte auch Gesellschafterin der MB GmbH sei, aufgrund des von dem Berufungsgericht gewährten Schriftsatznachlasses nicht gemäß § 296a ZPO zurückgewiesen werden durfte, kann dahin stehen. Er war nicht erheblich. Die MB GmbH hatte ausweislich des von der Beklagten vorgelegten notariellen Vertrags weniger als die Hälfte der Geschäftsanteile an der (damals noch als "B. " GmbH firmierenden) Gemeinschuldnerin erworben.

III.

Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit die Anfechtbarkeit der Sicherungsübereignungen erneut geprüft wird.

Ende der Entscheidung

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