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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.02.1999
Aktenzeichen: IX ZR 384/97
Rechtsgebiete: BRAO, GG, BGB


Vorschriften:

BRAO § 46 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 12 Abs. 1
BGB § 134
BRAO § 46 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 12 Abs. 1

a) Das Tätigkeitsverbot für den Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit aufgrund eines ständigen Dienstverhältnisses bereits rechtsbesorgend tätig geworden ist, verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

BRAO § 46 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 134

b) Ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags.

BGH, Urt. v. 25. Februar 1999 - IX ZR 384/97 - OLG Celle LG Stade


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 384/97

Verkündet am: 25. Februar 1999

Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger war früher Angestellter zunächst eines Tochterunternehmens der Beklagten und dann der Beklagten selbst. Ihm war erlaubt, neben seiner Angestelltentätigkeit den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Vom 1. April 1994 an war der Kläger als "freier Mitarbeiter" - so das Berufungsgericht - bei der Beklagten beschäftigt. Er hatte ihr seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und erhielt dafür ein Gehalt von monatlich 10.000 DM. Dem Kläger oblag es unter anderem, kostenlos Rechtsgutachten für die Beklagte zu erstatten. Daneben war er weiterhin als Rechtsanwalt tätig.

Ende 1994 bemühte sich eine Tochtergesellschaft der Beklagten als Mitglied einer Bietergemeinschaft um einen nach § 249 h AFG geförderten, ein Volumen von 30 Mio. DM überschreitenden Auftrag der S. O.w. GmbH (SOW), einer Tochtergesellschaft der Treuhandanstalt. Die SOW wollte den Auftrag an die Bietergemeinschaft vergeben, konnte sich aber mit der Treuhandanstalt nicht einigen, die das preisgünstigere Angebot eines Mitbewerbers vorzog. Deswegen sollte ein Vermittlungsausschuß über die Vergabe entscheiden. Da die Bietergemeinschaft argwöhnte, der Mitbewerber habe in gesetz- und ausschreibungswidriger Weise eine untertarifliche Bezahlung der nach § 249 h AFG einzusetzenden Arbeitskräfte kalkuliert, ließ die Beklagte von dem Kläger hierzu betriebsinterne Stellungnahmen erarbeiten. Der Kläger erstellte diese mit insgesamt neun Seiten und fünf Seiten Anlagen im Verlaufe des Nachmittags des 13. Dezember 1994 in den Räumen der Beklagten. Bei einem noch am selben Tage geführten Telefongespräch kamen die Beklagte und die SOW überein, daß die Stellungnahmen die Vergabeentscheidung zugunsten der Bietergemeinschaft beeinflussen könnten, und zwar insbesondere dann, wenn sie als Ausarbeitungen eines unabhängigen Rechtsanwalts ausgegeben würden. Der Kläger erhielt von der Beklagten den Auftrag, von seiner Kanzlei aus die Stellungnahmen mit einem von ihm als Rechtsanwalt gefertigten Anschreiben direkt an die SOW und das andere Mitglied der Bietergemeinschaft zu übersenden. Zu diesem Zweck überarbeitete der Kläger in den Räumen der Beklagten unter Zuhilfenahme von deren Personal und Schreibhilfen die vorhandenen Stellungnahmen. Anschließend fuhr er zu seiner Kanzlei; von dort aus faxte er die Stellungnahmen unter anderem an die SOW, die sich ihrer im Vermittlungsausschuß bediente. Die Bietergemeinschaft erhielt den Auftrag.

Der Kläger hat der Beklagten eine Abrechnung über Rechtsanwaltsgebühren erteilt und - nachdem die Beklagte die Meinung vertrat, die Stellungnahmen des Klägers seien mit seinem monatlichen Gehalt als "freier Mitarbeiter" abgegolten - Klage auf Zahlung von 83.824,74 DM nebst Zinsen erhoben. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte den Kläger als Rechtsanwalt beauftragt hat, die zuvor intern erarbeiteten Stellungnahmen Dritten, insbesondere der SOW vorzulegen. Gegebenenfalls sei dieser Auftrag gemäß § 134 BGB, § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO nichtig, so daß dem Kläger daraus keine Gebührenansprüche zustünden.

II.

Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Vergeblich rügt die Revision die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe - wie in § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO vorausgesetzt - in einem "ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis" zur Beklagten gestanden, als er die betriebsinternen Stellungnahmen ausgearbeitet habe.

§ 46 BRAO regelt die Rechtsstellung des Syndikusanwalts. Darunter versteht man einen zugelassenen Rechtsanwalt, der gleichzeitig aufgrund Dienstvertrags gegen feste Vergütung bei einem Unternehmen oder einem Verband als ständiger Rechtsberater tätig ist (vgl. BT-Drucks. III/120 S. 77). Der Syndikusanwalt hat zwei Arbeitsbereiche: einen als Arbeitnehmer, der keine Unabhängigkeit besitzt, sondern dem Prinzip der Über- und Unterordnung unterliegt (BGHZ 33, 276, 279), und einen als freier, unabhängiger Anwalt.

Nach Meinung der Revision ist der Kläger seit dem 1. April 1994 - und somit auch am 13. Dezember 1994 - kein Syndikusanwalt mehr gewesen. § 46 BRAO setze einen angestellten Rechtsanwalt voraus. Der Kläger sei aber nicht mehr Angestellter, sondern freier Mitarbeiter gewesen. Als solcher habe er zu der Beklagten weder in einem ständigen Dienstverhältnis gestanden noch sei er in seinem Dienstverhältnis weisungsabhängig gewesen. Der Kläger sei nicht anders zu behandeln, als wenn er als Rechtsanwalt einen Beratervertrag mit einer monatlichen Pauschalvergütung abgeschlossen gehabt hätte.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die begriffliche Einordnung des Klägers als "freier Mitarbeiter" oder "Angestellter" ist dabei nicht entscheidend (vgl. BGH, Urt. v. 14. Mai 1998 - I ZR 116/96, AnwBl. 1999, 61). Selbst wenn er aufgrund einer Gesamtbetrachtung als freier Mitarbeiter bezeichnet werden könnte, hätte er in zumindest einer maßgeblichen Hinsicht - nämlich seiner persönlichen Abhängigkeit - in einem "ähnlichen Beschäftigungsverhältnis" wie ein Syndikusanwalt gestanden.

Nach dem Vortrag des Klägers unterschied sich seine Beschäftigung für die Beklagte nach dem 31. März 1994 von der vorherigen einmal darin, daß er nunmehr "auf Honorarbasis" tätig war und die Beklagte keine Sozialabgaben mehr bezahlte. Der zweite Unterschied bestand darin, daß er nach dem 31. März 1994 "in größerem Ausmaß die bereits zuvor bestehende Regelung (ausnutzte), Fremdmandate neben seiner Beschäftigung im festen Arbeitsverhältnis anzunehmen". Im übrigen blieben "die ... Modalitäten der Mitarbeit ... im wesentlichen gleich". "Zwischen der ... Beschäftigung ... als Angestellter und ... der Mitarbeit auf Honorarbasis (bestand) kein wesentlicher Unterschied". Der "Anstellungsvertrag des Klägers (galt) im wesentlichen unverändert auch für die Zeit der freien Mitarbeit weiter". Hervorzuheben ist ferner, daß der Kläger seine Beschäftigung als "freier Mitarbeiter" stets als "festes Auftragsverhältnis" bezeichnet hat. Zu der Art seiner Tätigkeit hat er ausgeführt: "Der Kläger ist sowohl während seiner Tätigkeit als Angestellter ... als auch ... seiner Tätigkeit auf Honorarbasis ... ausschließlich in der Weise für die Beklagte ... tätig geworden, daß er auf dem Geschäftspapier der Beklagten ... geschrieben und mit einem die Vertretung andeutenden Zusatz (üblicherweise: i.A.) unterzeichnet hat". Und weiter: "Gegenstand des festen Auftragsverhältnisses war nämlich die Tätigkeit des Klägers in den Geschäftsräumen und mit den personellen und sächlichen Mitteln der Beklagten".

2. In einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten hat der Kläger "als sonstiger Berater ... Rechtsrat erteilt". Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestand die Tätigkeit des Klägers für die Beklagte unter anderem in der Erstattung von Rechtsgutachten.

3. Mit den betriebsintern erarbeiteten Stellungnahmen ist der Kläger für seinen Dienstherrn auch "rechtsbesorgend tätig geworden". Der Meinung der Revision, eine rechtsbesorgende Tätigkeit setze mehr voraus als die bloße interne Erteilung von Rechtsrat, ist nicht zu folgen.

a) Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf aufmerksam gemacht, daß der Begriff der Rechtsbesorgung aus dem Rechtsberatungsgesetz stammt (vgl. Art. 1 § 1 RBerG).

Nach Rechtsprechung und Schrifttum besorgt Rechtsangelegenheiten, wer eine Tätigkeit ausübt, die das Ziel verfolgt und geeignet ist, Rechte zu verwirklichen oder Rechtsverhältnisse zu gestalten (BGHZ 38, 71, 75; 48, 12, 18 f; BGH, Urt. v. 16. März 1989 - I ZR 30/87, NJW 1989, 2125). Das erstgenannte Ziel zu erreichen, ist auch die bloße Rechtsberatung geeignet. Im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG ist die Rechtsberatung eine Unterform der Rechtsbesorgung (Rennen/ Caliebe, RBerG 2. Aufl. Art. 1 § 1 Rdnr. 28; Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG 10. Aufl. Art. 1 § 1 Rdnr. 61; Weth, in: Henssler/Prütting, BRAO Art. 1 § 1 RBerG Rdnr. 12).

b) Entgegen der Ansicht der Revision hindert der Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO nicht, dieses Verständnis hierher zu übertragen.

Wenn demjenigen, der als sonstiger Berater in dem näher beschriebenen Beschäftigungsverhältnis Rechtsrat erteilt, eine Tätigkeit als Rechtsanwalt untersagt wird, sofern er in derselben Angelegenheit bereits rechtsbesorgend tätig geworden ist, so ergibt sich daraus nicht, daß die Rechtsraterteilung für das Tätigkeitsverbot nicht ausreicht. Die Rechtsraterteilung beschreibt nur die den Normadressaten besonders kennzeichnende Tätigkeit. Wenn der Umstand, der das Tätigkeitsverbot auslöst, anders beschrieben wird, so hat dies seinen Grund darin, daß es neben der Ratserteilung noch andere rechtsbesorgende Tätigkeiten gibt, die nach Meinung des Gesetzgebers dieselben Folgen auslösen sollen. Jede Erteilung von Rechtsrat ist Rechtsbesorgung (ungenau insofern BGHZ 72, 278, 280: "Rechtsberatung oder gar Rechtsbesorgung"); aber nicht jede Rechtsbesorgung besteht in der Erteilung von Rechtsrat.

4. Daß der Kläger "in derselben Angelegenheit" rechtsbesorgend tätig geworden war, in der er später - wie zu seinen Gunsten unterstellt wird - anwaltlich tätig geworden ist, zieht die Revision nicht in Zweifel. Das Tatbestandsmerkmal "in derselben Angelegenheit" ist gleichzusetzen mit "in derselben Rechtssache" (Feuerich/ Braun, BRAO 4. Aufl. § 46 Rdnr. 23 u. § 43 a Rdnr. 62). Die Stellungnahmen, die der Kläger an die SOW und das weitere Mitglied der Bietergemeinschaft versandte, betrafen dieselbe Rechtssache, die der Kläger zuvor für die Beklagte als seinen Dienstherrn bearbeitet hatte.

5. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO durch das Berufungsgericht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG kommt nicht in Betracht.

a) Das Tätigkeitsverbot des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO stellt eine Berufsausübungsregelung dar, welche die Berufsfreiheit beeinträchtigt. Solche Eingriffe müssen durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Das gewählte Mittel muß also geeignet und erforderlich sein, den Gemeinwohlbelang zu wahren. Außerdem darf bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Gründe, die ihn rechtfertigen sollen, die Grenze der Zumutbarkeit noch nicht überschritten sein (BVerfGE 76, 176, 207; 83, 1, 16; 85, 248, 259; 94, 373, 389 f).

b) Die Berufsausübungsregelung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO soll zur Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit (§ 1 BRAO) die unterschiedlichen Arbeitsbereiche des Syndikusanwalts voneinander trennen (vgl. amtliche Begründung zu § 45 Abs. 1 Nr. 4 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/4993 S. 30).

c) Die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts stellt - entgegen der Ansicht der Revision - einen Gemeinwohlbelang von Gewicht dar (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7656 S. 49).

§ 1 BRAO definiert i. V. m. § 2 Abs. 1 BRAO das überlieferte und seit einem Jahrhundert durchgesetzte Berufsbild des Rechtsanwalts als Angehöriger der "freien Advokatur". Ginge die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts verloren, könnte nicht mehr von einer gleichwertigen und gleichberechtigten Partnerschaft des Rechtsanwalts mit den anderen an der Rechtspflege beteiligten Organen gesprochen werden. Ein solcher Rechtsanwalt behielte zwar seinen Beruf, verlöre aber seinen Ruf und seinen Rang (Pfeiffer BRAK-Mitt. 1987, 102, 103; Feuerich/Braun, § 1 BRAO Rdnr. 14).

Ursprünglich war der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sogar eine Zugangssperre zum Anwaltsberuf rechtfertigte (§§ 7 Nr. 8, 15 Nr. 2 BRAO a. F.; dazu BT-Drucks. III/120 S. 57 zu Nr. 8). Davon ist er zwar unter dem Eindruck der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgerückt (Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994, BGBl. I 2278). Gleichwohl sieht er die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts nach wie vor als wichtigen Gemeinwohlbelang an. Denn der Gesetzgeber hat die Zugangssperre ersetzt durch die nunmehrige Berufsausübungsregelung, mit der dieselben Ziele auf eine die Betroffenen weniger belastende Art und Weise verfolgt werden.

Damit ist der Gesetzgeber nicht hinter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zurückgeblieben. Dieses hat in seiner "Zweitberufsentscheidung" vom 4. November 1992 (BVerfGE 87, 287 ff = NJW 1993, 317 ff) anerkannt, daß die Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts sowie dessen maßgebliche Orientierung am Recht und an den Interessen seiner Mandanten durch die erwerbswirtschaftliche Prägung eines Zweitberufs gefährdet werden können (BVerfGE 87, 287, 329). Es hat lediglich beanstandet, daß die von der Rechtsprechung zur Ausfüllung der gesetzlichen Generalklauseln entwickelten und "normgleich" angewandten Unvereinbarkeitsgrundsätze die Freiheit der Berufswahl übermäßig beschränkten. Kaufmännisch-erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten könnten, so hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, den Ausschluß vom Beruf des Rechtsanwalts nicht rechtfertigen, wenn die Gefahr für die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen zu bannen sei (BVerfGE 87, 287, 330). Das spricht nicht dafür, daß das Bundesverfassungsgericht der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts den Rang eines gewichtigen Gemeinwohlbelangs absprechen wollte. Die durch die "Zweitberufsentscheidung" bewirkte weitgehende Öffnung zum - auch erwerbswirtschaftlich ausgerichteten - Zweitberuf des Rechtsanwalts wird zwar zur Folge haben, daß die anwaltliche Unabhängigkeit künftig mehr auf dem Prüfstand stehen wird als bisher. Daß sie deshalb weniger wert sei, folgt daraus aber nicht.

Teilweise (vgl. Kleine-Cosack NJW 1994, 2249, 2254; ders., BRAO 3. Aufl. § 46 Rdnr. 17) wird die Verfassungskonformität des neuen § 46 Abs. 2 BRAO deshalb bezweifelt, weil der Syndikusanwalt auch bei seiner Tätigkeit innerhalb des ständigen Beschäftigungsverhältnisses anwaltlich auftrete. Wenn dies zuträfe, wäre die Unabhängigkeit für den Anwaltsberuf nicht mehr wesentlich. Denn ein festes Anstellungsverhältnis ist der anwaltlichen Unabhängigkeit abträglich (im Grundsatz ebenso Hassemer wistra 1986, 1, 8; a.A. Roxin NJW 1992, 1129, 1135). Daß der Syndikusanwalt auch innerhalb seines festen Beschäftigungsverhältnisses anwaltlich tätig werde, ist jedoch umstritten (verneinend BGH, Beschl. v. 25. April 1988 - AnwZ (B) 2/88, BRAK-Mitt. 1988, 271, 272; Henssler, in: Henssler/Prütting, § 46 BRAO Rdnr. 7; bejahend Feuerich/Braun, § 46 BRAO Rdnr. 21). Der - vom Deutschen Anwaltverein unterstützte, von der Bundesrechtsanwaltskammer bekämpfte - Versuch der Syndikusanwälte, durch eine Textänderung des § 46 BRAO "klarzustellen", daß Syndikusanwälte auch bei ihrer Tätigkeit für den Arbeitgeber rechtsanwaltlich tätig werden, fand im Parlament keine Mehrheit (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7656 S. 49). Im Ergebnis ist die dargestellte Meinung abzulehnen, weil sie mit § 1 BRAO unvereinbar ist.

d) Entgegen der Meinung der Revision ist das Tätigkeitsverbot auch geeignet, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts zu sichern. Mit Hilfe dieses Verbots kann der gewünschte Erfolg gefördert werden (vgl. BVerfGE 80, 1, 24 f; 83, 1, 17).

Bestünde für einen Syndikusanwalt in einer Angelegenheit, in der er bereits innerhalb seines ständigen Beschäftigungsverhältnisses rechtsbesorgend tätig geworden ist, kein Tätigkeitsverbot als Rechtsanwalt, wäre zweierlei zu besorgen: Zum einen könnte sich die Abhängigkeit von seinem ständigen Dienstherrn dahin auswirken, daß der Syndikusanwalt von diesem erteilte Mandate auch dann nicht ablehnt, wenn diese ihm ein gesetz- oder anstandswidriges Verhalten abverlangen. Im vorliegenden Fall hat sich der Kläger immerhin für eine Täuschung des über die Vergabe entscheidenden Vermittlungsausschusses hergegeben. Zum zweiten wäre zu gewärtigen, daß sich der Syndikusanwalt bei der anwaltlichen Bearbeitung des Auftrags von der Haltung, die er als Sachbearbeiter im Rahmen des ständigen Beschäftigungsverhältnisses eingenommen hatte und die möglicherweise durch das Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Dienstherrn geprägt war, nicht völlig freimachen kann. Es dient deshalb der anwaltlichen Unabhängigkeit, daß er als Rechtsanwalt nur in solchen Angelegenheiten tätig werden darf, mit denen er sich noch nicht im Interesse des Dienstherrn rechtsbesorgend befaßt hat.

e) Daß der Eingriff erforderlich ist, weil ein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger fühlbar einschränkendes Mittel fehlt (vgl. BVerfGE 75, 246, 269; 80, 1, 30; 87, 287, 322), stellt die Revision nicht ausdrücklich in Abrede. Sie meint allerdings, der Grundrechtseingriff stehe im Falle des Klägers außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck. Ein anwaltliches Tätigkeitsverbot sei nur gerechtfertigt, wenn wegen einer Interessenkollision eine konkrete Gefahr für die unabhängige Ausübung des Anwaltsberufs bestehe (ebenso Henssler, in: Henssler/Prütting, § 46 BRAO Rdnr. 9; Kleine-Cosack, § 46 BRAO Rdnr. 19; ders. NJW 1994, 2249, 2253, 2254). Diese Gefahr sei nur gegeben, wenn sich der Anwalt durch die Übernahme des Mandats in einen Interessenkonflikt zu seinem Auftraggeber begeben würde, er also nunmehr als Anwalt einen anderen Standpunkt einnehmen müßte, als er ihn zuvor in abhängiger Position bei der Erteilung seines Rechtsrats vertreten habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Revision diesen Standpunkt dahin ergänzt, daß eine konkrete Gefahr für die anwaltliche Unabhängigkeit im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht bestanden habe, weil die Stellungnahmen, die der Kläger als "freier Mitarbeiter" der Beklagten und als Rechtsanwalt ausgearbeitet habe, deckungsgleich gewesen seien.

aa) Wenn das richtig wäre, müßte das Verbot des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO als nicht erforderlich angesehen werden. Denn dieses Verbot greift schon dann ein, wenn wegen der Vorbefassung des Anwalts die abstrakte Gefahr besteht, daß er nicht unabhängig ist.

Es ist jedoch nicht sachgerecht, darauf abzustellen, ob der Anwalt nunmehr einen anderen Standpunkt einnehmen müßte, als er ihn als abhängiger Syndikus gegenüber seinem Arbeitgeber vertreten hat. Folgte man dem, bestünde das anwaltliche Tätigkeitsverbot nur dann, wenn sich die frühere Abhängigkeit auf das Ergebnis der Rechtsberatung ausgewirkt hat. Das ist zu eng. Die Unabhängigkeit richtet sich nicht nach den Kategorien von "richtig" oder "falsch"; sie ist nicht erfolgs-, sondern tätigkeitsbezogen. Im übrigen wird die Befürchtung, daß die bei der Ausarbeitung der ersten Stellungnahmen vorliegende Abhängigkeit auch später noch nachgewirkt hat, durch die von der Revision hervorgehobene "Deckungsgleichheit" der von dem Kläger abgelieferten Arbeitsergebnisse eher bestärkt als gemindert.

bb) Es kommt hinzu, daß das Problem, wer eine konkrete Interessenkollision - so wie die Revision sie versteht - festzustellen hätte, kaum lösbar wäre. Die Frage, ob der Anwalt - ohne die Bindungen als Arbeitnehmer - anders hätte entscheiden müssen, kann letztlich nur der Richter beantworten. Mit diesem Inhalt wäre die Norm deshalb unbestimmt und folglich mit Art. 12 GG unvereinbar (BVerfGE 87, 287, 317).

6. Dem Berufungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, daß der Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO zur Nichtigkeit des zwischen Anwalt und Mandant abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags gemäß § 134 BGB führt (ebenso Feuerich/Braun, § 46 BRAO Rdnr. 27; Henssler, in: Henssler/Prütting, § 46 BRAO Rdnr. 31). Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Zwar richtet sich das Tätigkeitsverbot nur gegen einen Vertragsbeteiligten, den Anwalt. Die Nichtigkeit des Geschäfts ergibt sich jedoch aus dem Zweck des Verbots (vgl. BGHZ 65, 368, 370). Dieses liefe weitgehend leer, wenn der Syndikusanwalt aus der verbotswidrigen Tätigkeit ein Anwaltshonorar verdienen könnte.

7. Ansprüche des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung sind zwar vorstellbar (vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1996 - III ZR 9/95, BGHR BGB § 812 - Rechtsberatungshonorar 1), letztlich aber nicht begründet. Die Beklagte kann sie unter Berufung auf das gesetzliche Verbot abwehren (§ 817 Satz 2; vgl. BGHZ 37, 258, 263 f).

Ende der Entscheidung

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