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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.01.1999
Aktenzeichen: IX ZR 392/97
Rechtsgebiete: UmwG, ZPO, AO, EStG


Vorschriften:

UmwG § 133 Abs. 1 u. 3
ZPO § 565 a
ZPO § 254
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO § 174 Abs. 3
EStG § 4 Abs. 1 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 392/97

Verkündet am: 14. Januar 1999

Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. Oktober 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klägerin zur Zahlung von mehr als 367.011,42 DM nebst 4 % Zinsen von 237.404,10 DM seit dem 28. Oktober 1994 und von 129.607,32 DM seit dem 10. Januar 1997 verurteilt worden ist. Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin beriet die Beklagte, eine GmbH, in steuerlichen Angelegenheiten. Im Jahre 1991 entschloß sich die Beklagte zur Anschaffung eines Grundstücks, auf dem sie ein Betriebsgebäude errichten wollte. Dies sollte auf Anraten der Klägerin in der Weise geschehen, daß die Ehefrauen der vier Gesellschafter der Beklagten den Grundstückserwerb und die Baumaßnahmen als Mitglieder einer zu diesem Zweck zu gründenden und in der Folgezeit auch tatsächlich gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts durchführten und das Grundstück sodann an die Beklagte vermieteten. Die BGB-Gesellschaft schloß mit einem Bauunternehmen einen Bauvertrag, der jedoch später wieder aufgehoben wurde; als Abfindung zahlte die Beklagte an das Bauunternehmen vergleichsweise 760.000 DM.

Mit der Widerklage, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, hat die Beklagte von der Klägerin Ersatz der ihr im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben entstandenen Aufwendungen verlangt. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin habe sie falsch beraten; das von ihr angeregte und konzipierte "Steuersparmodell" sei von vornherein undurchführbar gewesen.

Die Vorinstanzen haben die Widerklage abgewiesen. Nach Aufhebung des ersten Berufungsurteils durch den Senat und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht hat dieses die Klägerin zur Zahlung von 967.011,42 DM nebst Zinsen verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt hinsichtlich eines Teilbetrages von 600.000 DM nebst Zinsen zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die von der Klägerin in der Revisionsinstanz mitgeteilte Abspaltung eines Teils ihres Vermögens auf eine neu gegründete Gesellschaft führt nicht zum Ausscheiden der Klägerin aus dem Rechtsstreit; denn sie haftet nach § 133 Abs. 1 und 3 UmwG für die der neuen Gesellschaft zugewiesenen Verbindlichkeiten neben dieser bis zum Ablauf einer Frist von fünf Jahren als Gesamtschuldnerin.

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel Teil des von der Klägerin vorgeschlagenen Gesamtkonzepts. Die Voraussetzungen für die Bewilligung dieser Mittel seien, so hat das Berufungsgericht ausgeführt, nicht erfüllt gewesen; die Ehefrauen der Gesellschafter hätten als Privatpersonen keinen Anspruch auf Zuteilung solcher Mittel gehabt. Darauf habe die Klägerin die Beklagte schuldhaft pflichtwidrig nicht hingewiesen. Dieser seien dadurch, daß sie zunächst mit der Durchführung des Vorhabens begonnen und später wegen der fehlenden Fördermittel davon habe Abstand nehmen müssen, nutzlose Aufwendungen in Form der an das Bauunternehmen gezahlten Abfindung von 760.000 DM, von rund 48.000 DM Architektenhonorar, knapp 130.000 DM Finanzierungskosten sowie weiteren Nebenkosten entstanden; insgesamt betrage der Schaden der Beklagten 967.011,42 DM, den die Klägerin der Beklagten zu ersetzen habe.

3. Diese Ausführungen halten in einem Punkt der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß die Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel Teil des von der Klägerin vorgeschlagenen Konzepts gewesen sei. Der Senat hat die Verfahrensrüge geprüft, erachtet sie aber nicht für durchgreifend (§ 565 a ZPO).

b) Zu Unrecht macht die Revision auch geltend, die Pflichtverletzung der Klägerin sei für den der Beklagten entstandenen Schaden nicht ursächlich geworden.

Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, daß nur Angehörige der gewerblichen Wirtschaft die öffentlichen Mittel hätten in Anspruch nehmen können und die Ehefrauen der Gesellschafter der Beklagten nicht dazugehört hätten. Sie meint aber, dies habe sich tatsächlich nicht ausgewirkt. Nach der unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin hätten die Ehefrauen - und nicht, wie die Beklagte vorgetragen habe, diese selbst - die Zusage eines Eigenkapitalhilfedarlehens von rund 3,4 Mio. DM erhalten. Diesen Beweis hätte das Berufungsgericht erheben müssen.

Die Rüge ist unbegründet. Es ist zwar unstreitig im März 1993 eine Finanzierungszusage von rund 3,4 Mio. DM erteilt worden. Diese Zusage kann sich aber nach dem Prozeßstoff, der dem Berufungsgericht vorlag, nur an die GmbH (also die Beklagte) gerichtet haben. Das Konzept der Klägerin war, wie diese nicht bestritten hat, bereits im Jahre 1992 aufgegeben worden, und die Beklagte hatte später zeitweise versucht, das Grundstück selbst zu erwerben; deshalb hat sie bereits am 6. April 1992 einen eigenen, von ihr vorgelegten Bauvertrag mit demselben Bauunternehmen abgeschlossen. Die Klägerin selbst hat der Beklagten zum Vorwurf gemacht, daß sie den Plan, das Projekt in eigener Regie zu verwirklichen, schließlich nicht weiterverfolgt habe (vgl. unten c). Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht dem von der Revision herangezogenen erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin, das, wenn es hätte aufrechterhalten werden sollen, im Hinblick auf das sonstige Prozeßgeschehen näherer Erläuterung bedurft hätte, nicht nachzugehen.

c) Die Revision meint weiter, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft den Mitverschuldenseinwand der Klägerin (§ 254 BGB) nicht berücksichtigt. Die Beklagte sei zum Zweck der Schadensminderung gehalten gewesen, das Grundstück selbst zu erwerben und zu bebauen. Den Plan, dies zu tun, habe sie nach dem Vortrag der Klägerin nicht, wie von der Beklagten behauptet, wegen der angeblichen Unmöglichkeit, das Grundstück selbst zu erwerben, sondern deswegen - aber nur vorübergehend - aufgegeben, weil ein vorgesehener Autobahnanschluß zeitweise nicht habe hergestellt werden sollen.

Auf diesen Sachverhalt läßt sich ein Mitverschulden der Beklagten nicht stützen. Das der Beklagten seinerzeit empfohlene "Steuersparmodell", dessen wesentlicher Bestandteil die Einschaltung der aus den Ehefrauen bestehenden BGB-Gesellschaft war, war bereits 1992 endgültig gescheitert. Damit hatte sich die steuerliche Konzeption der Klägerin nicht verwirklichen lassen, und es war eine neue Lage entstanden. Die Beklagte brauchte ihre weiteren unternehmerischen Entscheidungen nicht davon abhängig zu machen, auf welche Weise sich den Kosten, die sie im Zusammenhang mit dem Konzept der Klägerin aufgewandt hatte, noch ein Sinn geben ließ.

d) Das Berufungsgericht hat jedoch, wie die Revision zu Recht rügt, den Umstand nicht berücksichtigt, daß das zuständige Finanzamt bei den Einkommensteuerveranlagungen der GmbH-Gesellschafter für 1991 die damals an das Bauunternehmen gezahlten 1,3 Mio. DM als Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz jedenfalls zunächst anerkannt hat. Die sich daraus ergebende Steuerersparnis ist - offenbar auf der Grundlage des "Geschäftsbesorgungsvertrags" vom 19. Dezember 1991, der die Beklagte zur Übernahme aller Vorteile und aller Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben berechtigte und verpflichtete - an die GmbH weitergegeben worden. Die Beklagte hat schon in der Klageerwiderung und Begründung der Widerklage vorgetragen, sie habe auf diese Weise Einsparungen von ca. 580.000 DM gehabt; dieser Betrag solle vorläufig (bis zu einer Änderung der Steuerbescheide) "gegen den entstandenen Schaden aufgerechnet werden". Dies ist indessen bei der im selben Schriftsatz enthaltenen Schadensberechnung nicht geschehen. Später - offenbar im Jahre 1995 - hat allerdings eine Betriebsprüfung stattgefunden, bei der der Vorgang aufgedeckt und die Auslagerung des Bauvorhabens auf die BGB-Gesellschaft als Gestaltungsmißbrauch qualifiziert worden ist. Das Finanzamt hat in einem Schreiben vom 8. Juli 1996 angekündigt, der Feststellungsbescheid für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts werde gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigt werden und die Einkünfte seien "mit 0 DM festzustellen". In dem Schreiben heißt es jedoch sodann weiter, der Körperschaftsteuerbescheid für die GmbH werde dementsprechend nach § 174 Abs. 3 AO berichtigt werden. Diese Vorschrift sieht die Möglichkeit vor, den Auswirkungen der Änderung eines Steuerbescheids auf einen anderen dadurch Rechnung zu tragen, daß auch dieser berichtigt wird. Im vorliegenden Fall war die Ankündigung des Finanzamts so zu verstehen, daß infolge des Gestaltungsmißbrauchs die Sonderabschreibung anstatt bei der BGB-Gesellschaft nunmehr bei der GmbH berücksichtigt werde. Das dürfte der Rechtslage nicht entsprochen haben. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, können nach dem Fördergebietsgesetz Sonderabschreibungen für Anzahlungen auf Teilherstellungskosten überhaupt nicht in Anspruch genommen werden; das ergibt sich auch aus der allgemeinen Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG. Entscheidend ist aber, daß bisher - davon ist in der Revisionsinstanz auszugehen - weder die Steuerbescheide für die GmbH-Gesellschafter noch der Körperschaftsteuerbescheid für die Beklagte berichtigt worden sind. Dieser ist demnach der ihr zugefallene Steuervorteil, den sie ohne die Pflichtverletzung der Klägerin nicht erhalten hätte, bis jetzt verblieben. Solange das so ist, kann ihr der vom Berufungsgericht berechnete Schaden nicht ohne Abzug jenes Steuervorteils zugesprochen werden.

4. Soweit das Berufungsgericht der Beklagten danach einen zu hohen Schadensersatzbetrag zuerkannt hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Steuervorteil beträgt nach dem Vortrag der Beklagten "ca." 580.000 DM. Der Senat geht davon aus, daß er jedenfalls 600.000 DM nicht übersteigt. Die darüber hinausgehenden 367.011,42 DM stehen der Beklagten zu; insoweit ist die Revision zurückzuweisen. Wegen der genannten 600.000 DM muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses - nach ergänzendem Vortrag der Parteien - Feststellungen dazu treffen kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Schaden der Beklagten infolge der Anerkennung der Zahlung von 1,3 Mio. DM als Sonderabschreibung gemindert ist.

Ende der Entscheidung

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