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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: IX ZR 46/99
Rechtsgebiete: AGBG, KWG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 3
AGBG § 9
KWG § 10
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 124
BGB § 718
BGB § 768
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 46/99

Verkündet am: 8. November 2001

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Stodolkowitz, Dr. Ganter, Raebel und Kayser

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 15. Oktober 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Bank nimmt den beklagten Zahnarzt aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch.

1991 bat die R. GmbH (künftig auch: Hauptschuldnerin), deren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin die Mutter des Beklagten ist, die Klägerin um die Finanzierung von Grundstücksgeschäften. Die Klägerin sagte dies zu, nachdem sie sich mit der R. GmbH über eine mittelbare Beteiligung an dem Grundstücksgeschäft "W." geeinigt hatte. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens errichteten die G. GmbH (fortan: G. GmbH), die von einem Vorstandsmitglied und einem Mitarbeiter der Klägerin gegründet wurde, und die R. GmbH am 22. Oktober 1991 die "L." (künftig: L. GbR); die Gesellschaftsanteile wurden zu 25 % von der G. GmbH und im übrigen von der R. GmbH übernommen. Am 28. Februar 1992 trat diese GmbH zur Sicherung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin dieser eine Forderung gegen die L. GbR wegen künftiger Verkaufserlöse und Gewinne aus dem Grundstücksprojekt W. in Höhe von 1 Mio. DM ab.

Die Klägerin gewährte der R. GmbH gemäß Schreiben vom 29. Januar 1992, dem diese am 28. Februar 1992 zustimmte, einen Kontokorrentkredit über 656.000 DM mit einer Laufzeit "b.a.w. zunächst bis zum: 30.01.1993" sowie - auf einem gesonderten Konto - ein "langfristiges Darlehen" in Höhe von 344.000 DM bis zum 30. Oktober 2001. In der Vertragsurkunde heißt es zum Kontokorrentkredit, daß sein Verwendungszweck in der Ablösung der laufenden Verpflichtungen des Beklagten gegenüber der Klägerin und in einer "Liquiditätsreserve" bestehe; die Tilgung solle "sukzessive aus Verkaufserlösen bzw. Gewinneinnahmen 'Projekt W.' spätestens bei Fälligkeit" erfolgen. Zu dem weiteren Darlehen, das in bestimmten Monatsraten zu tilgen war, wird in der Vertragsurkunde angegeben, daß sein Verwendungszweck die "Übernahme der Darlehensverpflichtungen" des Beklagten sei. Dieser schuldete der Klägerin damals die Rückzahlung eines Kredits, der nach seinem Vorbringen die Einrichtung einer Praxis betraf und in Höhe von 344.000 DM bestand. Am 29. Februar 1992 übernahm der Beklagte gegenüber der Klägerin eine formularmäßige selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu 1 Mio. DM. Mit Schreiben der Klägerin vom 6. Oktober 1993, mit dem sich die Hauptschuldnerin am 28. Oktober 1993 einverstanden erklärte, wurde eine "Prolongation" des Kontokorrentkredits vereinbart; bis auf einen ermäßigten Zinssatz blieben die Vertragsbedingungen unverändert.

Am 13. Juli 1992 verkauften die R. GmbH und die G. GmbH "als Gesellschafter" der L. GbR ein dieser Gesellschaft gehörendes Grundstück an die A. AG (fortan: A. AG) für 1.850.000 DM. Die Käuferin zahlte den Kaufpreis gemäß dem Vertrag auf ein Anderkonto des Urkundsnotars. Die Klägerin verlangte vom Notar die Auszahlung des Kaufpreises unter Vorlage einer Urkunde vom 6./11. August 1992, nach der die L. GbR zur Sicherung von Forderungen der Klägerin gegen sie Ansprüche gegen Grundstückserwerber "aus den noch abzuschließenden Kaufverträgen" an die Klägerin abtrat. Daraufhin überwies der Notar den auf sein Anderkonto gezahlten Kaufpreis in Höhe von 2.068.960 DM - einschließlich Zinsen und abzüglich Kosten - an die Klägerin, die diese Zahlung auf einen der L. GbR gewährten Kredit von 1,5 Mio. DM verrechnete. Die A. AG leistete "Nachzahlungen" auf den Kaufpreis, und zwar an die L. GbR in Höhe von 157.990 DM und an die G. GmbH in Höhe von 38.295 DM. Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Juli 1996 teilten die Hauptschuldnerin und der Beklagte der Klägerin mit, der Kaufpreis hätte in Höhe des Gewinnanteils der Hauptschuldnerin deren Konto gutgeschrieben werden müssen, hilfsweise werde mit einem Schadensersatzanspruch der Hauptschuldnerin gegen eine Saldoforderung der Klägerin aufgerechnet. Mit Schreiben vom 2. April 1997 rechnete die Hauptschuldnerin gegen Forderungen der Klägerin wegen Rückzahlung der Kredite mit einem Anspruch in Höhe von 1.325.625,38 DM wegen Verletzung des Bankvertrages sowie aus unerlaubter Handlung auf.

Die Klägerin hat vom Beklagten eine erststellige Teilforderung in Höhe von 100.000 DM aus der Bürgschaft geltend gemacht, weil die Kontokorrentkreditschuld Ende Juli 1996 697.833,81 DM betragen habe. Land- und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).

I.

Die Revision beanstandet erfolglos, das Berufungsgericht habe nicht die erforderlichen Feststellungen zum Anlaß der Bürgschaft des Beklagten getroffen. Das Berufungsgericht hat vielmehr im Ergebnis zu Recht angenommen, daß sich die Bürgschaft auf diejenigen Forderungen der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin beschränkt, die Anlaß der Bürgschaft waren.

1. Das Berufungsgericht hat in Betracht gezogen, daß die umfassende Zweckerklärung der Bürgschaft im übrigen gemäß § 3 AGBG als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Nach seinen - in anderem Zusammenhang getroffenen - Feststellungen hat der Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft gewußt, daß die beiden Kredite an die Hauptschuldnerin - gemäß der Vertragsurkunde vom 29. Januar/28. Februar 1992 - auch dazu dienen sollten, die Schuld des Beklagten gegenüber der Klägerin abzulösen, und der Kontokorrentkredit durch Einnahmen aus dem vorgesehenen Grundstücksprojekt zu tilgen war. Mit Rücksicht darauf hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß sich die Höchstbetragsbürgschaft des Beklagten über 1 Mio. DM nur auf diese beiden - betragsmäßig limitierten - Kredite in Gesamthöhe von 1 Mio. DM erstreckt hat. An dieser Festlegung der verbürgten Forderungen ändert die Ansicht der Revision, der Beklagte habe keinen im Kontokorrent geführten Betriebsmittelkredit an die Hauptschuldnerin besichern wollen, nichts. Zwar konnte diese auf den verbürgten Kontokorrentkredit als "Liquiditätsreserve" insoweit zurückgreifen, als dieser nicht zur Ablösung der Verbindlichkeiten des Beklagten zu verwenden war. Die entsprechenden Liquiditätsmittel sollten aber dazu dienen, der Hauptschuldnerin die Verwirklichung des Grundstücksprojekts zu ermöglichen, aus dessen Einnahmen die Verbindlichkeit des Beklagten gegenüber der Klägerin erfüllt werden sollte.

Danach ist die weitergehende Zweckerklärung der Bürgschaft als überraschende Formularklausel gemäß § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden, so daß sich die Bürgschaft auf diejenigen Kredite gemäß der Vertragsurkunde vom 29. Januar/28. Februar 1992 beschränkt, die Anlaß der Verbürgung waren (vgl. BGHZ 130, 19, 24 ff; 137, 153, 157; 143, 95, 102 f).

2. Dieses Ergebnis folgt auch aus § 9 AGBG, weil die weite Zweckerklärung der Bürgschaft nach dieser Vorschrift unwirksam ist, soweit die Bürgschaft auch Kredite umfaßt, die nicht Anlaß der Verbürgung waren (vgl. BGHZ 130, 19, 31 ff; 132, 6, 9; 137, 153, 155 ff; 143, 95, 96 ff).

II.

Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Bürgschaft habe sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf den am 29. Januar/28. Februar 1992 eingeräumten, bis zum 30. Januar 1993 laufenden Kontokorrentkredit erstreckt, nicht aber auf einen neuen - streitgegenständlichen - Kredit, den die Klägerin mit Schreiben vom 6. Oktober 1993 der Hauptschuldnerin gewährt habe.

Ob die Parteien eine Novation oder nur eine Änderung der bisherigen Vertragsmodalitäten gewollt haben, ist durch Auslegung der Vereinbarungen zu ermitteln; da mit einer Schuldumschaffung einschneidende Folgen verbunden sind, ist im Zweifel nur eine Vertragsänderung gewollt (BGH, Urt. v. 30. September 1999 - IX ZR 287/98, WM 1999, 2251, 2252; v. 6. April 2000 - IX ZR 2/98, WM 2000, 1141, 1142). Eine formularmäßige Bürgenhaftung für nachträgliche Vertragserweiterungen und Erhöhungen der Kreditlinie eines Kontokorrentkredits kann grundsätzlich nicht wirksam vereinbart werden (BGHZ 132, 6, 9); das gilt auch dann, wenn diese den Bürgschaftshöchstbetrag nicht übersteigen (BGH, Urt. v. 2. Juli 1998, - IX ZR 255/97, WM 1998, 1675, 1676). Für Forderungen, die während einer nachträglich vereinbarten Verlängerungszeit des verbürgten Kredits entstanden sind, haftet der Bürge grundsätzlich nicht, es sei denn, daß sich die Vertragspartner von vornherein über eine Kreditverlängerung einig waren (BGHZ 142, 213, 219 ff; Fischer WM 1998, 1705, 1711 und WM 2001, 1049, 1053).

1. Das Berufungsgericht hat die Kreditvereinbarung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß sich die Vertragspartner schon bei Vertragsschluß darüber geeinigt haben, den Kontokorrentkredit, dessen Laufzeit mit Rücksicht auf § 10 KWG (dazu BGHZ 142, 213, 220) zunächst auf ein Jahr bemessen worden ist, so lange fortzusetzen, bis die im Kreditvertrag vorgesehene Tilgung aus dem Grundstücksprojekt erfolgen konnte. Dafür spricht eindeutig die Laufzeitklausel in Verbindung mit der Tilgungsabrede. Deswegen und mit Rücksicht darauf, daß die Bürgschaft in der Krediturkunde als Sicherheit erwähnt wird und vom Beklagten am Tage nach der Zustimmung der Hauptschuldnerin zum Kreditangebot der Klägerin erteilt worden ist, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß festgestellt, die Bürgschaft habe sich auf die Prolongation des alten Kontokorrentkredits erstreckt. Diese Feststellung ist nicht nur möglich, sondern auch naheliegend, weil der Beklagte gewußt hat, daß die Verwirklichung des Grundstücksprojekts, das zu seiner Entschuldung gegenüber der Klägerin beitragen sollte, Zeit brauchte. Aus diesem Grunde und wegen der bereits in der Krediturkunde angelegten Laufzeitverlängerung durfte der Beklagte entgegen der Ansicht der Revision nicht davon ausgehen, der verbürgte Kontokorrentkredit werde bis zum Ende der ursprünglichen Laufzeit am 30. Januar 1993 zurückgeführt. Daran ändert der Ausdruck "spätestens bei Fälligkeit" in der Tilgungsabrede nichts, weil diese wiederum auf eine künftige Verwirklichung des Grundstücksprojekts abstellte.

Die wirksame Verbürgung von Ansprüchen aus einem verlängerten Kontokorrentkredit betraf zukünftige Forderungen, die nach Grund und Umfang von vornherein abgesteckt waren, so daß das Bürgenrisiko eindeutig umrissen war (vgl. BGHZ 142, 213, 220).

2. Der gemäß Vertrag vom 29. Januar/28. Februar 1992 gewährte Kontokorrentkredit ist nach rechtsfehlerfreier Feststellung des Berufungsgerichts nach Ablauf der ursprünglichen Vertragszeit am 30. Januar 1993 gemäß der von vornherein vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeit zunächst stillschweigend fortgesetzt worden (vgl. dazu Fischer, aaO) und sodann mit schriftlicher Vereinbarung der Klägerin und der Hauptschuldnerin vom 6./28. Oktober 1993 - mit geringerem Zinssatz, im übrigen zu gleichbleibenden Bedingungen - bis zum 30. Oktober 1994 verlängert worden. Nach Ablauf dieser Vertragszeit ist der Kontokorrentkredit wiederum durch schlüssiges Verhalten fortgesetzt worden, wie sich aus den überreichten Unterlagen ergibt. Dementsprechend betrifft die Klageforderung ein Soll des Kontokorrentkreditkontos am 31. Juli 1996 in Höhe von 697.833,81 DM.

Entgegen der Rüge der Revision ist es rechtlich unerheblich, ob der Beklagte gemäß seiner Behauptung von der Prolongation des Kontokorrentkredits erst durch den vorgerichtlichen Schriftwechsel erfahren hat. Die Bürgschaft des Beklagten hat sich von vornherein auf eine Kreditverlängerung erstreckt; von einer solchen mußte der Beklagte ausgehen, solange er keine Nachricht erhielt, daß der Kredit aus dem Grundstücksprojekt getilgt worden sei.

III.

Die Revision wendet sich jedoch zu Recht dagegen, daß das Berufungsgericht eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft verneint hat (§ 138 Abs. 1 BGB).

1. Dazu hat es ausgeführt: Es sei schon nicht ersichtlich, daß die Bürgschaft - für die Klägerin erkennbar - die gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten bei Vertragsschluß weit überstiegen habe. Der Beklagte sei Anfang 1992 als selbständiger Zahnarzt tätig gewesen; das rechtfertige zumindest zum damaligen Zeitpunkt den Schluß auf regelmäßige und nicht unerhebliche Einnahmen. Der Beklagte habe nicht genügend dargelegt, seitens der Klägerin in seiner Entschließungsfreiheit verletzt worden zu sein. Zwar habe der Beklagte behauptet, Mitarbeiter der Klägerin hätten ihn am 29. Februar 1992 mit dem Bürgschaftsformular in seiner Wohnung überrumpelt und erklärt, die Unterzeichnung des Schriftstücks sei reine Formsache. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles erscheine es aber fernliegend, daß der Beklagte erstmals anläßlich eines solchen Besuchs der Bankvertreter erfahren habe, daß die Klägerin seine Bürgschaft als Sicherheit für ihre Darlehen an die Hauptschuldnerin verlange. Die Kreditgewährung habe nämlich auch den Belangen des Beklagten gedient, weil dadurch seine Kreditschuld gegenüber der Klägerin abgelöst worden sei und der Kontokorrentkredit aus den Erlösen des Grundstücksprojekts habe getilgt werden sollen. Deswegen liege es nahe, daß der Beklagte spätestens mit Schreiben der Klägerin vom 29. Januar 1992 erfahren habe, daß die Hauptschuldnerin mit der Klägerin verhandelt und diese seine Bürgschaft zur Sicherung der Kredite gefordert habe. Es sei davon auszugehen, daß der Beklagte die Bedeutung und Tragweite der Bürgschaft gekannt habe und seine Willensentscheidung nicht mehr durch die Klägerin habe beeinflußt werden können. Der Beklagte sei nicht geschäftsunerfahren, wie sich aus seiner Darlehensverpflichtung gegenüber der Klägerin ergebe. Die Herkunft des Beklagten aus den neuen Bundesländern sei unerheblich, da das Rechtsinstitut der Bürgschaft auch in der früheren DDR bekannt gewesen sei. Außerdem habe der wirtschaftliche Hintergrund auf der Hand gelegen. Der Beklagte habe nicht ernsthaft davon ausgehen können, daß die Klägerin ihn aus der persönlichen Haftung entlasse, solange seine Schuld nicht getilgt, sondern lediglich auf die nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftende Hauptschuldnerin umgeschrieben sei.

Diese Erwägungen halten der Verfahrensrüge der Revision nicht stand (§ 286 ZPO), weil das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten übergangen hat.

2. Eine Bürgschaft ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt, und durch weitere, dem Gläubiger zurechenbare Umstände bei Vertragsschluß zusätzlich so erheblich belastet wird, daß ein unerträgliches Ungleichgewicht der Vertragspartner entsteht. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, daß der Gläubiger die geschäftliche Unerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen ausnutzt oder ihn auf andere Weise in seiner Entschließungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt (u.a. BGHZ 125, 206, 210; 128, 230, 232; 136, 347, 350; 137, 329, 332 f). Eine emotionale Bindung an seine Mutter hat den Beklagten nicht zur Übernahme der Bürgschaft bewogen; vielmehr hat er sich unstreitig allein von seinem wirtschaftlichen Eigeninteresse an einer Entschuldung leiten lassen.

Der Beklagte hat vorgebracht (GA I 128, 141, 148, 176 unter Beweisantritt, 218 mit Steuerunterlagen 228 ff): In den Jahren 1990 bis 1992 habe er kein Einkommen und Vermögen gehabt; deswegen habe er 1991 und 1992 keine Einkommensteuer zahlen müssen. Die Klägerin habe mit ihm und der Hauptschuldnerin vereinbart, diese solle im Wege einer befreienden Übernahme der Schuld des Beklagten gegenüber der Klägerin an dessen Stelle neue Schuldnerin werden. Entgegen dieser Abrede hätten Mitarbeiter der Klägerin ihn am 29. Februar 1992 - einem Samstag - in seiner Wohnung mit dem unterschriftsreif vorbereiteten Bürgschaftsformular überrumpelt und erklärt, die Unterzeichnung des Schriftstücks sei eine reine Formsache, damit die GmbH den Kredit übernehmen könne. Zuvor sei mit ihm nicht über eine Bürgschaft verhandelt worden.

3. Bei Richtigkeit dieses Vortrags des Beklagten ist nicht auszuschließen, daß der Bürgschaftsvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.

a) Sollte das vom Berufungsgericht nicht berücksichtigte Vorbringen des Beklagten zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen bei Vertragsschluß zutreffen, so kann dieser durch seine Bürgschaft finanziell überfordert worden sein.

Hatte der Beklagte bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages gemäß seiner Behauptung kein zu versteuerndes Einkommen und Vermögen, so ist zu prüfen, ob er bei einer Prognose bezogen auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft die bis zu 1 Mio. DM eingegangene [Haupt]Verbindlichkeit aus eigenen Mitteln zumindest zu einem erheblichen Teil hätte erfüllen können (vgl. BGHZ 132, 328, 334 f; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410, 411 f). Die tatrichterliche Vermutung, die Tätigkeit des Beklagten als selbständiger Zahnarzt bei Vertragsschluß rechtfertige den Schluß auf regelmäßige erhebliche Einnahmen, mag im Regelfall zutreffen, schließt aber den hier behaupteten Ausnahmefall nicht aus. Daß anderweitige Sicherheiten der Klägerin das Haftungsrisiko des Beklagten ausgeglichen oder entscheidend gesenkt haben (vgl. dazu BGHZ 136, 347, 352; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, aaO 412), ist bisher nicht festgestellt worden.

b) Entgegen der Wertung des Berufungsgerichts hat der Beklagte substantiiert dargelegt, er habe die Bürgschaft übernommen, weil er in seiner Entscheidungsfreiheit durch Mitarbeiter der Klägerin, deren Verhalten sich diese entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muß (vgl. BGH, Urt. v. 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 55), in unlauterer Weise beeinträchtigt worden sei. Nach seinem Vorbringen ist der Beklagte, ohne daß mit ihm zuvor über eine Bürgschaft verhandelt worden war, an einem Wochenende in seiner Wohnung durch zwei Mitarbeiter der Klägerin mit der Erklärung, es handele sich um eine reine Formsache, zur Übernahme der Bürgschaft veranlaßt worden. Sollte dieses Vorbringen richtig sein, so ist der Beklagte seitens der Klägerin in anstößiger Weise überrumpelt worden, weil er in eine Lage versetzt worden ist, in der ihm eine eigenverantwortliche Abwägung der für und gegen eine Bürgschaft sprechenden Gründe unmöglich war (vgl. BGH, Urt. v. 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 513). Außerdem ist das Bürgschaftsrisiko gegenüber dem Beklagten nach dessen Behauptung verharmlost worden, weil Mitarbeiter der Klägerin bei dieser Gelegenheit die Bürgschaft als reine Formsache bezeichnet haben (vgl. BGHZ 132, 328, 330; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, WM 1994, 680, 683; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, WM 1995, 900, 904). Ein solches Vorgehen konnte in dem Beklagten den Eindruck erwecken, er habe keinen ernstlichen Nachteil durch eine Bürgschaft zu befürchten, und ihn deswegen hindern, die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Bürgschaft zu erkennen sowie das Für und Wider einer solchen Verpflichtung eigenständig zu prüfen und abzuwägen.

c) Entgegen dem Vorbringen des Beklagten (GA I 140, 148) ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, der Beklagten habe spätestens durch das Schreiben der Klägerin vom 29. Januar 1992 von den Verhandlungen zwischen Hauptschuldnerin und Klägerin und damit auch von deren Forderung erfahren, daß der Beklagte eine Bürgschaft für dessen vorgesehene Entschuldung zu übernehmen habe. Das Berufungsgericht hat übersehen, daß dieses Schreiben zwar auch an den Beklagten gerichtet, aber ausschließlich an die Hauptschuldnerin adressiert war. Außerdem hat das Berufungsgericht die Zeugin H., die der Beklagte auch insoweit für die Richtigkeit seines Vorbringens benannt hat, nicht vernommen, wie die Revision zu Recht rügt.

4. Da die Klägerin dem Vorbringen des Beklagten entgegengetreten ist (GA I 206, 244 ff), wird das Berufungsgericht aufzuklären haben, welches Einkommen und Vermögen der Beklagte bei Abschluß des Bürgschaftsvertrages gehabt hat und ob er durch die behauptete und unter Beweis gestellte unlautere Einwirkung auf seine Entschließungsfreiheit zur Übernahme der Bürgschaft veranlaßt worden ist. Die Beweislast hat insoweit der Beklagte (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1046).

IV.

Die Revision rügt weiterhin mit Erfolg, daß das Berufungsgericht eine - mit der Klageerwiderung erklärte - wirksame Anfechtung seiner Bürgschaftserklärung wegen arglistiger Täuschung verneint hat (§§ 123, 124, 142 BGB), die der Beklagte mit der behaupteten Überrumpelung und Verharmlosung des Bürgschaftsrisikos begründet hat.

Die tatrichterliche Feststellung, der Beklagte habe bereits durch das Schreiben der Klägerin vom 29. Januar 1992 erfahren, daß seine Bürgschaft Voraussetzung der Umschuldung sei, ist rechtsfehlerhaft, wie bereits dargelegt worden ist (III 3 c). Nach Vernehmung der vom Beklagten benannten Zeugin wird das Berufungsgericht erneut zu entscheiden haben, ob der Beklagte durch eine arglistige, der Klägerin zuzurechnende Täuschung durch deren Mitarbeiter zu seiner Bürgschaftserklärung bestimmt worden ist.

Sollte, wie die Klägerin geltend gemacht hat (GA I 206), die Anfechtungsfrist des § 124 BGB versäumt worden sein, so wird das Vorbringen des Beklagten auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Verschuldens der Klägerin bei Vertragsschluß zu prüfen sein (vgl. BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 4/96, WM 1997, 77, 78; v. 15. April 1997, aaO 1047).

V.

1. Die Revision beanstandet vergeblich die Feststellung des Berufungsgerichts, die verbürgte Hauptforderung der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin sei nicht durch deren Aufrechnung erloschen (§§ 387 ff, 767 Abs. 1 Satz 1 BGB), soweit diese darauf gestützt werde, die Klägerin habe eine eigene Kaufpreisforderung der Hauptschuldnerin eingezogen und mit der Kreditschuld der L. GbR verrechnet.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Klägerin ein fälliger Anspruch auf Rückzahlung der Kredite gegen die Hauptschuldnerin zusteht und diese dagegen mit einer Forderung wegen der Einziehung und der Verrechnung des von der A. AG gezahlten Kaufpreises aufgerechnet hat. Es hat ausgeführt: Ein eigener Anspruch der Hauptschuldnerin gegen die Klägerin im Zusammenhang mit der Einziehung und Verbuchung des von der A. AG gezahlten Kaufpreises komme nicht in Betracht. Selbst wenn die Klägerin dazu nicht berechtigt gewesen sei, könnten Ansprüche gegen diese nur vom Inhaber der Kaufpreisforderung geltend gemacht werden. Die Kaufpreisforderung habe der Hauptschuldnerin aber nicht allein, sondern nur in gesamthänderischer Verbundenheit mit der G. GmbH zugestanden, weil beide als Gesellschafter der L. GbR die Grundstücke veräußert hätten. Die Kaufpreisforderung sei der Hauptschuldnerin nicht - auch nicht teilweise - von der L. GbR abgetreten worden. Dafür reiche der Vortrag des Beklagten nicht aus, die Hauptschuldnerin und die G. GmbH hätten Mitte Februar 1992 vereinbart, den Verkaufserlös aus dem Vertrag mit der A. AG in Höhe von 75 % zu Gunsten der Hauptschuldnerin und in Höhe von 25 % zu Gunsten der G. GmbH aufzuteilen und den Anteil der Hauptschuldnerin zur Rückführung ihres Kredits zu verwenden. Daraus könne nicht entnommen werden, daß die Kaufpreisforderung der Hauptschuldnerin unmittelbar zu 75 % zustehen sollte. Eine Abtretung des Kaufpreisanspruchs an die Hauptschuldnerin ergebe sich auch nicht aus der Abtretungsurkunde vom 28. Februar 1992, die nur Ansprüche der Hauptschuldnerin gegen die L. GbR, insbesondere auf ein künftiges Auseinandersetzungsguthaben, erfasse.

a) Die Hauptschuldnerin kann entgegen der Ansicht der Revision keinen aufrechenbaren Anspruch gegen die Klägerin herleiten mit der Begründung, ihr habe die Kaufpreisforderung gegen die A. AG zugestanden. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, Verkäuferin der Grundstücke sei die L. GbR als Eigentümerin gewesen, die durch die G. GmbH und die Hauptschuldnerin als ihre Gesellschafterinnen - gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrages - bei Abschluß des Kaufvertrages gemeinschaftlich vertreten worden sei. Das ergibt sich aus der Vorbemerkung zu Ziffer I in Verbindung mit Ziffer II § 1 des Kaufvertrages und dem Vertragszweck, das Projekt "W." der Hauptschuldnerin und der - mittelbar über die G. GmbH beteiligten - Klägerin über die L. GbR zu verwirklichen. Danach haben deren Gesellschafterinnen die Kaufpreisforderung zur gesamten Hand erworben (§ 718 BGB). Diese Gesellschaft ist nicht, wie die Revision meint, bloße Innengesellschaft gewesen, sondern hat - gemäß dem Gesellschaftszweck (§ 3 des Gesellschaftsvertrages) - mit dem Kaufvertrag und der Kreditaufnahme bei der Klägerin am Rechtsverkehr teilgenommen.

b) An der gesamthänderischen Bindung der Kaufpreisforderung aus dem Vertrag vom 13. Juli 1992 ändert entgegen der Ansicht der Revision das - von der Klägerin bestrittene (GA II 18 f. unter Beweisantritt) - Vorbringen des Beklagten nichts, Mitte Februar 1992 hätten die Gesellschafterinnen der L. GbR beschlossen, den Verkaufserlös für die Grundstücke unter die Hauptschuldnerin zu 75% und die G. GmbH zu 25% aufzuteilen und von dem Erlösanteil der Hauptschuldnerin zunächst deren Kreditschuld gegenüber der Klägerin zu erfüllen (GA II 3, 8, 28 unter Beweisantritt). Zu Unrecht meint die Revision, der Beklagte habe damit eine Teilungsabrede (dazu BGH, Urt, v. 14. Dezember 1998 - II ZR 360/97, WM 1999, 438, 439) dargelegt. Dieser Vortrag betrifft nur das Einvernehmen der Gesellschafterinnen über eine Aufteilung künftigen Gesellschaftsvermögens, die § 4 des Gesellschaftsvertrages entspricht, und die Zweckbestimmung des Anteils der Hauptschuldnerin. Der Beklagte hat nicht behauptet, daß die Gesellschafterinnen der L. GbR - erhebliche Zeit vor dem ersten Grundstücksgeschäft - beschlossen hätten, abweichend von den §§ 8 bis 11 und 15 ihres Gesellschaftsvertrages selbständige und abtretbare Ansprüche der Gesellschafterinnen auf Gewinnanteile und Auseinandersetzungsguthaben zu begründen. Dementsprechend dürfte sich die Sicherungsabtretung der Hauptschuldnerin an die Klägerin vom 28. Februar 1992 (GA I 139 - Anlage) - gemäß der tatrichterlichen Auslegung - auf Ansprüche erstrecken, die der Hauptschuldnerin aus einer Gewinnbeteiligung an der L. GbR gemäß §§ 4, 10 des Gesellschaftsvertrages und aus einem Auseinandersetzungsguthaben nach §§ 11, 15 des Gesellschaftsvertrages zustehen.

2. Die Revision macht allerdings zu Recht geltend, aus dem Vorbringen der Parteien könne sich ein Anspruch der Hauptschuldnerin gegen die Klägerin ergeben, den der Hauptschuldnerin bei Ausführung des Gesellschaftsvertrages vom 22. Oktober 1991 zustehenden Anteil an dem erlangten Kaufpreis auf deren Kreditschuld zu verrechnen, und auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht könne sich der beklagte Bürge gemäß § 768 BGB berufen.

Als Rechtsgrundlage für einen solchen Gegenanspruch - und einen daraus möglicherweise folgenden Schadensersatzanspruch - kommt in erster Linie der Kreditvertrag der Klägerin und der Hauptschuldnerin vom 29. Januar/28. Februar 1992 in Verbindung mit deren "Sicherungsvertrag" vom 28. Februar 1992 in Betracht. Die Klägerin kann eine sich daraus ergebende Nebenpflicht, den Vertragszweck nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden (§ 242 BGB), schuldhaft verletzt haben, wenn sie mit der Einziehung der Kaufpreises und dessen Verrechnung auf die Kreditschuld der L. GbR vereitelt hat, daß die Hauptschuldnerin mit ihrem Gewinnanteil ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin tilgen konnte. Eine Pflichtverletzung läge insbesondere dann nahe, wenn die Abtretungsurkunde vom 6./11. August 1992, mit der die Klägerin den Kaufpreis von dem Notaranderkonto erlangt hat, gemäß der - von der Klägerin bestrittenen (GA I 101, 126) - Behauptung des Beklagten bezüglich der Unterschrift der Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin gefälscht ist (u.a. GA I 225, II 24). Sollte sich die Echtheit dieser Urkunde ergeben, so wird zu prüfen sein, ob sie Forderungen aus dem Kaufvertrag mit der A. AG vom 13. Juli 1992 erfaßt und ob gegebenenfalls die Hauptschuldnerin sich damit einverstanden erklärt hat, daß mit dem der L. GbR zustehenden Kaufpreis vorrangig deren Kreditschuld gegenüber der Klägerin getilgt wird.

Die Parteien und Vorinstanzen haben den Sachverhalt unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt noch nicht erörtert. Das kann im weiteren Berufungsverfahren nachgeholt werden.

Ende der Entscheidung

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