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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.07.1998
Aktenzeichen: IX ZR 51/97
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 27 Abs. 2 Nr. 1
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 1

Macht der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft Ansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer geltend, vertritt er die Gemeinschaft mit Ausnahme der Antragsgegner.

BGH, Versäumnisteil-Urt. v. 2. Juli 1998 - IX ZR 51/97 - KG Berlin LG Berlin


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNIS-TEILURTEIL

IX ZR 51/97

Verkündet am: 2. Juli 1998

Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten zu 2-8 werden die Urteile des 3. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. Januar 1997 und der 23. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 13. Mai 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zu 2-8 gemäß Nr. 1 des landgerichtlichen Urteils verurteilt worden sind, an den Kläger und B.-M. R. 86.740,32 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Februar 1995 zu zahlen.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger für die erste Instanz 92 %, für das Berufungsverfahren 91 % und für die Revisionsinstanz 97 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) hat der Kläger für die erste Instanz 97 %, für das Berufungsverfahren 96 % und für die Revisionsinstanz 97 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) bis 8) hat der Kläger für die erste Instanz 92 %, für das Berufungsverfahren 92 % und für die Revisionsinstanz 97 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt für sich und seinen Sozius (im folgenden nur noch: der Kläger) die Beklagten auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Anspruch.

Die Beklagten, die personell und wirtschaftlich miteinander verflochten sind, waren Mitglieder der Eigentümergemeinschaft einer Wohnanlage. In dieser Gemeinschaft bildeten sie die Mehrheit. Mit der Minderheit lagen sie im Streit. Insbesondere wurde die am 30. Oktober 1989 vollzogene Wahl der Beklagten zu 3 als Verwalterin des Wohnungseigentums von der Minderheit nicht anerkannt. Im Rahmen des Anfechtungsverfahrens wurden mehrfach - zuletzt am 21. August 1991 - einstweilige Anordnungen erlassen, mit denen ein Notverwalter eingesetzt wurde.

Dieser erstellte Jahresabrechnungen für die Zeit von 1985 bis 1991. Die Beklagten lehnten es ab, hierüber in der Eigentümerversammlung zu beschließen. Im Auftrag des Notverwalters leitete daraufhin der Kläger am 11. Oktober 1991 namens der Eigentümergemeinschaft 203 Verfahren nach § 43 WEG ein, die auf die Feststellung der ordnungsgemäßen Abrechnung für die Wirtschaftsjahre 1985 bis 1990/1991 und die Zahlung der sich daraus ergebenden Beträge sowie auf die Feststellung des Wirtschaftsplans 1991/1992 gerichtet waren. Antragsgegner war jeweils einer der Beklagten. Als Antragsteller führte der Kläger alle anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft auf, also auch die Beklagten mit Ausnahme desjenigen, gegen den sich das jeweilige Verfahren richtete. Das angerufene Amtsgericht verband diese 203 Verfahren in der Weise, daß acht Verfahren - jeweils eines für jedes Wirtschaftsjahr - übrigblieben. In jedem dieser acht Verfahren waren die Beklagten nunmehr als Antragsteller und Antragsgegner aufgeführt.

Sämtliche Verfahren erledigten sich später dadurch, daß ein neugewählter Verwalter die Anträge zurücknahm. Das Amtsgericht entschied durchweg, daß außergerichtliche Kosten nicht zu ersetzen seien.

Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner wegen angeblicher Gebührenforderungen in Höhe von 112.322,31 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten unter Nr. 1 seines Urteilstenors verurteilt, an den Kläger 89.544,72 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Februar 1995 zu zahlen. Davon entfallen 86.740,32 DM auf die Verfahren Nr. 1-8 (in der Zählung nach der Verfahrensverbindung). Das Oberlandesgericht hat die beiderseitigen Berufungen zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beklagten Revision eingelegt. Danach ist über das Vermögen der Beklagten zu 1 das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Revision der übrigen Beklagten hat der Senat nur insoweit angenommen, als sie zur Zahlung von 86.740,32 DM (Honorar für das Betreiben der Verfahren Nr. 1-8) verurteilt worden sind.

Entscheidungsgründe

Da der Revisionsbeklagte trotz rechtzeitiger Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, mußte auf Antrag der Revisionskläger durch Versäumnisurteil entschieden werden (BGHZ 37, 79, 81). Dieses Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten derzeitigen Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79, 82).

Hinsichtlich der in der Revisionsinstanz in Konkurs gefallenen Beklagten zu 1 ist das Verfahren unterbrochen (§ 240 ZPO). Im übrigen ist durch Teilurteil zu entscheiden. Die Revision der Beklagten zu 2 bis 8 hat im Umfang der Annahme Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Notverwalter sei berechtigt gewesen, einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft einzuschalten. Diese - folglich auch die Beklagten als ihre Mitglieder - müsse sich die Mandatierung als eigene zurechnen lassen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Interessenkollision zum Nachteil der Eigentümergemeinschaft liege nicht allein deshalb vor, weil durch die Verbindung der Verfahren die Beklagten teilweise Antragsteller und Antragsgegner gewesen seien. Diese durch die Verfahrensverbindung geschaffene Situation habe der Kläger nicht beeinflussen können.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Soweit der geltend gemachte Honoraranspruch noch Gegenstand des Verfahrens ist, steht er dem Kläger nicht zu, weil die Beklagten - vor und nach der Verbindung der WEG-Verfahren durch das Amtsgericht - nicht seine Mandanten waren.

1. Falls der Verwalter - der hier tätig gewordene Notverwalter (§ 26 Abs. 3 WEG) steht einem gewählten Verwalter gleich (BGHZ 122, 327, 330) - außergerichtlich und gerichtlich Ansprüche im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer geltend macht, ist streitig, ob er die Wohnungseigentümergemeinschaft unter Einschluß des Antragsgegners (so Merle, in: Bärmann/Pick/Merle, WEG 7. Aufl. § 27 Rdnr. 157 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO mit Ausnahme des Antragsgegners (so OLG Zweibrücken WE 1987, 88 m. Anm. Weitnauer; Weitnauer/Lüke, WEG 8. Aufl. § 10 Rdnr. 16; Weitnauer/Hauger, § 16 WEG Rdnr. 31; wohl auch Niedenführ/Schulze, WEG 4. Aufl. § 21 Rdnr. 14 und § 43 Rdnr. 23) gegen diesen vertritt.

2. Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an.

a) Für die Gegenmeinung spricht zwar, daß die Geltendmachung von Ansprüchen im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gerechnet wird, die nach § 21 Abs. 1 WEG allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht (BGH, Beschl. v. 12. Juli 1984 - VII ZB 1/84, NJW 1985, 912; Merle, aaO; Staudinger/Bub, BGB 12. Aufl. § 21 WEG Rdnr. 227). Über die Geltendmachung solcher Ansprüche entscheidet grundsätzlich die Gesamtheit aller Wohnungseigentümer. Auch sind alle Wohnungseigentümer gemeinsam gemäß § 432 BGB empfangsberechtigt (BayObLGZ 1979, 56, 58; Weitnauer/Hauger, aaO). Daraus folgt aber noch nicht, daß der Verwalter, dem die Durchführung des Beschlusses der Wohnungseigentümer obliegt (§ 27 Abs. 2 Nr. 1, 5 WEG), dabei zugleich für und gegen einzelne Wohnungseigentümer auftreten darf. Wenn der Verwalter Ansprüche "der Wohnungseigentümergemeinschaft" gegen einzelne Wohnungseigentümer geltend macht, tritt er nicht für die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche auf, die weder rechts- noch parteifähig ist (BGH, Urt. v. 12. Mai 1977 - VII ZR 167/76, NJW 1977, 1686; v. 6. Oktober 1983 - III ZR 109/82, LM BRAGebO § 6 Nr. 4), sondern für die einzelnen - nicht notwendig alle - Wohnungseigentümer.

b) So wenig ein Wohnungseigentümer zugleich Schuldner und Gläubiger derselben Forderung sein kann, so wenig kann er zugleich Antragsteller und Antragsgegner sein.

aa) Folgte man der Gegenansicht, so könnte der Verwalter namens aller Wohnungseigentümer, also auch der Antragsgegner, einen Anwalt beauftragen. Die Folgen wären ganz unangemessen. Zwar setzt ein anwaltlichen Mandat für eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht voraus, daß deren Mitglieder aufgrund einheitlicher Willensbildung an den Rechtsanwalt herantreten oder im Prozeß als Einheit auftreten (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1983 aaO; v. 12. Februar 1987 - III ZR 255/85, NJW 1987, 2240, 2241; OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 86, 87). Soll der Rechtsanwalt die Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen außenstehenden Dritten (z.B. Bauhandwerker, Behörden, Mieter) wahrnehmen, kann ihm deshalb ein Auftrag namens aller Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt werden, auch wenn es darunter solche gibt, die den Standpunkt des Dritten teilen. Könnte dem Rechtsanwalt ein Mandat zugleich für und gegen einzelne Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt werden, wären indes unlösbare Interessenkonflikte vorprogrammiert. Diesen kann nicht dadurch aus dem Wege gegangen werden, daß der Streit künstlich aufgespalten wird, wie es der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit unternommen hat. Andernfalls hätte der Kläger jeden Beklagten in jeweils sieben Verfahren (gegen jeden der anderen sieben Beklagten) als Mandant betreut und wäre ihm dann in jedem achten Verfahren, das - in der Sache völlig gleichliegend - gegen ihn selbst geführt worden ist, als Gegner gegenübergetreten. Wäre es möglich, Mandatsverhältnisse zu den Mitgliedern der gegnerischen Gruppe zu konstruieren, indem man sie entweder generell zu den Antragstellern rechnet oder - wie hier - jeweils einzeln mit Verfahren überzieht und sie in den Verfahren gegen die anderen Mitglieder "ihrer" Gruppe mitvertritt, müßten die auf diese Weise gewonnenen Mandanten zudem nicht nur den eigenen, sondern auch den gegnerischen Anwalt bezahlen. Damit würde im Ergebnis eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten bewirkt, auch wenn diese - wie im vorliegenden Fall - gerade nicht stattfinden sollte.

bb) Daß der Verwalter den Antragsgegner nicht zugleich als Antragsteller vertreten darf, ist für die Aktivlegitimation der verbleibenden Antragsteller unschädlich. Nach § 21 Abs. 4 WEG kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entspricht. Insbesondere hat jeder Wohnungseigentümer einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die Aufstellung eines Wirtschaftsplans und die Feststellung der Jahresabrechnung sowie die Einziehung der sich daraus ergebenden Beträge (BGH, Beschl. v. 12. Juli 1984 aaO S. 913). Dieser Anspruch ist namens der Wohnungseigentümer, die für sich in Anspruch nehmen, daß ihre Haltung einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, oder von denen der Verwalter dies zumindest annimmt, gegen die anderen Wohnungseigentümer geltend zu machen (Staudinger/Bub, § 21 WEG Rdnr. 102; Niedenführ/Schulze, § 21 WEG Rdnr. 14).

III.

Da sich das angefochtene Urteil in dem Umfang, in dem der Senat die Revision angenommen hat, auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, ist es aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPU) und die Klage abzuweisen.

Ende der Entscheidung

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