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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.05.2001
Aktenzeichen: IX ZR 9/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 845
ZPO § 845

a) Die der Vorpfändung dienende Benachrichtigung des Drittschuldners muß die Forderung, deren Pfändung angekündigt wird, ebenso eindeutig bezeichnen wie die Pfändung der Forderung selbst.

b) Die rangwahrende Arrestwirkung einer Vorpfändung beschränkt sich im Falle einer weitergehenden endgültigen Pfändung auf die vorgepfändeten Forderungen.

BGH, Urteil vom 8. Mai 2001 - IX ZR 9/99 - OLG Celle LG Hannover


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

IX ZR 9/99

Verkündet am: 8. Mai 2001

Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Dezember 1998 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank als Drittschuldnerin die Erfüllung einer gemäß § 845 ZPO vorgepfändeten Forderung.

Die Klägerin erwirkte am 30. Oktober 1992 gegen die D. GmbH (künftig auch: Schuldnerin) ein vorläufig vollstreckbares Urteil auf Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen. Aufgrund dieses Titels wurde der Beklagten am 29. Dezember 1992 ein "vorläufiges Zahlungsverbot" in Höhe von 215.727,29 DM nebst Zinsen ab 23. Dezember 1992 gemäß § 845 ZPO durch den Gerichtsvollzieher zugestellt. Darin heißt es:

"Wegen dieser Ansprüche einschließlich der Zustellungskosten und der weiter anfallenden Zinsen steht die Pfändung der Ansprüche und Rechte unmittelbar bevor, die der Schuldnerin gegen

(Anschrift und Bankleitzahl der Beklagten)

- Kto.-Nr.: 299511

zustehen."

Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß über 214.845,45 DM nebst Zinsen ab 23. Dezember 1992 wurde der Beklagten am 21. Januar 1993 zugestellt. Am 17. Februar 1993 erteilte die Beklagte eine "Drittschuldnererklärung", in der die Pfändung in ein "Girokonto - Nr. 299.420 u.a." dem Grunde nach anerkannt wurde. Nachdem die Klägerin die Beklagte darauf hingewiesen hatte, daß die Schuldnerin auf ihrem Geschäftspapier ihr Konto Nr. 2062388 bei der Beklagten angebe, ergänzte die Beklagte mit Schreiben vom 7. Mai 1993 ihre Drittschuldnererklärung dahin, daß die Schuldnerin bei Zugang der Vorpfändung und Pfändung bei ihr fünf Konten - darunter Konten Nr. 299420 und 299511 - unterhalten habe, zu keinem Zeitpunkt aber Inhaberin des Kontos Nr. 2062388 gewesen sei.

Das letztgenannte Konto war am 28. April 1992 eröffnet worden; als "Kontoinhaber" wurde eingetragen "W. GmbH w/D.". Diese Kontoerrichtung erklärt sich daraus, daß W., der Alleingeschäftsführer und -gesellschafter der W. GmbH ist, den Geschäftsführern und Gesellschaftern der Schuldnerin ein Darlehen von 200.000 DM gewährte. Im August 1992 wurde W. Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin. Er allein durfte über das Konto Nr. 2062388 verfügen. Über dieses Konto wurde der gesamte Geschäfts- und Zahlungsverkehr der Schuldnerin abgewickelt. Am 13. Januar 1993 - zwischen Vorpfändung und Pfändung - überwies die Beklagte von diesem Konto 265.411,33 DM auf das Privatkonto W's.

Die Vorinstanzen haben der Klage auf Zahlung von 242.908,34 DM in der Hauptsache stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte weiter die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).

I.

Die Vorinstanzen haben die Klageforderung zugesprochen, weil die Beklagte am 13. Januar 1993 - zwischen Vorpfändung und Pfändung - 265.411,33 DM von dem Konto Nr. 2062388 an W. überwiesen hat.

Ein solcher Anspruch gegen die Beklagte wegen dieser Auszahlung setzt voraus, daß die Vorpfändung eine Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte aus diesem Konto umfaßt hat. Das Berufungsgericht hat das angenommen und dazu ausgeführt: Zwar habe sich das der Beklagten im Rahmen der Vorpfändung zugestellte vorläufige Zahlungsverbot ausdrücklich nur auf das Konto Nr. 299511 der Schuldnerin bezogen. Dieses Konto sei jedoch nur beispielhaft im Anschluß an die Adresse der Beklagten genannt worden. Da die Pfändung der Ansprüche und Rechte der Schuldnerin gegen die Beklagte angekündigt worden sei, erstrecke sich die Vorpfändung auf alle Ansprüche - auch auf Auszahlung künftiger Guthaben - aus der Geschäftsbeziehung und damit auch auf das Konto Nr. 2062388.

Diese tatrichterliche Auslegung hält der Revisionsrüge nicht stand (§ 286 ZPO).

1. Die der Vorpfändung dienende Benachrichtigung an den Drittschuldner (§ 845 Abs. 1 ZPO) muß die Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner, deren Pfändung angekündigt wird, ebenso eindeutig bezeichnen wie die Pfändung selbst (OLG Düsseldorf MDR 1974, 409; Brehm, in: Stein/Jonas ZPO 21. Aufl. § 845 Rn. 7; Smid, in: Münchener Kommentar zur ZPO 1992 § 845 Rn. 13; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 59. Aufl. § 845 Rn. 4, 12; Zöller/Stöber, ZPO 22. Aufl. § 845 Rn. 3; Musielak/Becker, ZPO 2. Aufl. § 845 Rn. 3; Stöber, Forderungspfändung 12. Aufl. Rn. 799). Das ergibt sich aus dem Sicherungszweck der Vorpfändung. Diese wirkt wie eine Beschlagnahme der betroffenen Forderung (BGHZ 87, 166, 168) und begründet den Rang eines Pfändungspfandrechts, das durch die Pfändung innerhalb eines Monats seit Zustellung der Benachrichtigung entsteht (§ 845 Abs. 2 mit §§ 804, 930 Abs. 1 ZPO; vgl. BGHZ 66, 394, 397 und BGHZ 68, 289, 292 für die Arrestpfändung).

Ein gerichtlicher Pfändungsbeschluß (§ 829 ZPO), der als Hoheitsakt durch das Revisionsgericht ausgelegt werden darf, hat zur Rechts- und Verkehrssicherheit die gepfändete(n) Forderung(en) und deren Rechtsgrund so bestimmt zu bezeichnen, daß bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Die gepfändete Forderung muß von anderen unterschieden werden können; das Rechtsverhältnis, aus dem sie hergeleitet wird, ist wenigstens in allgemeinen Umrissen anzugeben. Die Bestimmtheit des Pfändungsgegenstandes muß sich bei einer Auslegung des Pfändungsbeschlusses aus diesem selbst ergeben und nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern auch für andere Personen - insbesondere für weitere Gläubiger des Schuldners - klar sein. Deswegen können Umstände außerhalb des Beschlusses bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. An die Bezeichnung der gepfändeten Forderung dürfen allerdings keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden, weil der Gläubiger regelmäßig die Verhältnisse seines Schuldners nur oberflächlich kennt. Ungenauigkeiten sind unschädlich, wenn eine sachgerechte Auslegung ergibt, was in Wahrheit gemeint ist (u.a. BGHZ 13, 42, 43 f; 93, 82, 83 f; BGH, Urt. v. 9. Juli 1987 - IX ZR 165/86, WM 1987, 1311, 1312; v. 28. April 1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544; Beschl. v. 1. März 1990 - IX ZR 147/89, WM 1990, 1397, 1399; Urt. v. 13. Juli 2000 - IX ZR 131/99, WM 2000, 1861, 1862).

2. Die der Vorpfändung dienende Benachrichtigung des Drittschuldners durch den Gläubiger kann ebenfalls vom Revisionsgericht selbst ausgelegt werden, weil § 845 ZPO ihr die hoheitliche Wirkung einer Verstrickung der betroffenen Forderung beilegt und damit einem Hoheitsakt gleichstellt. Diese Auslegung ergibt, daß sich die angekündigte "Pfändung der Ansprüche und Rechte ..., die der Schuldnerin gegen" die - mit Adresse und Bankleitzahl angegebene - Beklagte "Kto.-Nr.: 299511 zustehen", nur auf Forderungen aus dem Girovertrag betreffend das allein angegebene Konto erstreckt hat. Nur dieses Rechtsverhältnis ist nach Inhalt und Umfang in der Benachrichtigung bezeichnet. Dafür, daß die Vorpfändung auch ein anderes Rechtsverhältnis zwischen der Schuldnerin und der Beklagten - etwa betreffend das Konto Nr. 2062388 - umfassen sollte, bietet der Wortlaut der Benachrichtigung keinen Anhaltspunkt (vgl. BGH, Beschl. v. 1. März 1990, aaO). Daran ändert der Ausdruck "Ansprüche und Rechte" nichts, weil sich die Verwendung der Mehrzahl unmittelbar und ausschließlich auf das allein bezeichnete Kontoverhältnis bezieht und insoweit dahin zu verstehen ist, daß sämtliche Forderungen aus diesem Rechtsverhältnis vorgepfändet werden. Als Hinweis auf die Vorpfändung einer anderen Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte reicht die Angabe "Ansprüche und Rechte" auch deswegen nicht aus, weil sie dafür zu unbestimmt ist (vgl. BGHZ 13, 42, 43). Der - vom Berufungsgericht verwendete - Begriff "Geschäftsbeziehung" oder ein gleichbedeutender Ausdruck, der über das in der Vorpfändung angegebene Konto hinaus auf ein weiteres Konto hindeuten könnte, fehlt in der Bezeichnung des Gegenstandes der Vorpfändung. Deren Wortlaut enthält auch keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, daß das mitgeteilte Konto nur beispielhaft genannt worden ist; eine entsprechende Hervorhebung, etwa durch das Wort "insbesondere" oder einen ähnlichen Ausdruck, fehlt (vgl. BGH, Urt. v. 28. April 1988, aaO).

Nach alledem enthält die weitergehende Auslegung durch das Berufungsgericht eine unzulässige Ergänzung der Benachrichtigung, die der Beklagten im Rahmen der Vorpfändung gemäß § 845 Abs. 1 ZPO zugestellt worden ist (vgl. BGHZ 93, 82, 84).

3. Der Gegenstand der Vorpfändung kann nicht mehr durch die spätere Pfändung erweitert werden. Vielmehr kommt der rechtzeitigen Pfändung die rangwahrende Arrestwirkung der Benachrichtigung an den Drittschuldner nur insoweit zugute, als die Vorpfändung reicht (§§ 845 Abs. 2, 930 ZPO; BGH, Urt. v. 4. Juli 1973 - VIII ZR 59/72, WM 1973, 892, 893; Brehm, aaO § 845 Rn. 24; Smid, aaO § 845 Rn. 19; Hartmann, aaO § 845 Rn. 12; Musielak/Becker, aaO § 845 Rn. 8; Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl. § 845 ZPO Rn. 7; Schütz NJW 1965, 1009, 1010; Stöber, Forderungspfändung aaO Rn. 807). Deswegen kann es für die hier zu entscheidende Frage, ob der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erfüllung einer vorgepfändeten Forderung betreffend das Konto Nr. 2062388 zusteht, offenbleiben, ob die Pfändung sich auch auf dieses Konto erstreckt hat. Aus diesem Grunde kommt es - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - für die Auslegung der Vorpfändung ebenfalls nicht auf den Inhalt der Drittschuldnererklärung an.

III.

Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif.

Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auch auf andere Anspruchsgrundlagen gestützt. Sie hat geltend gemacht, ihr stehe die Klageforderung aufgrund einer Pfändung des Kontos Nr. 2062388 zu (§§ 829, 835 ZPO). Außerdem hat die Klägerin Schadensersatz wegen falscher Drittschuldnererklärung verlangt (§ 840 Abs. 2 ZPO). Weiterhin hat die Klägerin Schadensersatz wegen einer angeblichen Beteiligung der Beklagten an einer Untreue des W. zum Nachteil der Schuldnerin oder an einer Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung begehrt (§§ 823 Abs. 2, 830 BGB mit §§ 266, 283c, d StGB); dazu hat die Klägerin vorgebracht, W. habe mit Unterstützung der Beklagten Kundengelder der Schuldnerin unbefugt entzogen und am 13. Januar 1993 zu Lasten der Klägerin Überweisungen vom Konto Nr. 2062388 an sich veranlaßt. Schließlich hat die Klägerin ihren Anspruch auf eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gestützt (§ 826 BGB) mit der Begründung, die Beklagte habe mit W. zusammengewirkt, um diesem unter Ausschaltung anderer Gläubiger die Einkünfte der Schuldnerin über das genannte Konto zu sichern. Zu diesen weiteren Anspruchsgrundlagen hat das Berufungsgericht noch keine Feststellungen getroffen. Da in den Vorinstanzen die Erfüllung einer angeblich vorgepfändeten Forderung im Vordergrund gestanden hat, ist es auch nicht sicher, daß die Parteien dazu bereits erschöpfend vorgetragen haben. Sollte das nicht der Fall sein, so kann das Vorbringen im weiteren Berufungsverfahren ergänzt werden.

Soweit es entscheidungserheblich sein sollte, wer Inhaber des Kontos Nr. 2062388 bei der Beklagten gewesen ist, wird das Berufungsgericht die Einwände der Revision gegen seine entsprechende Feststellung zu berücksichtigen haben (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Oktober 1994 - XI ZR 237/93, NJW 1995, 261 f; v. 12. Dezember 1995 - XI ZR 15/95, WM 1996, 249, 250).

Ende der Entscheidung

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