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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.12.2003
Aktenzeichen: IXa ZB 165/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 850
ZPO § 850i Abs. 1
ZPO § 850c
Erhält ein Schuldner laufend vom Umsatz abhängige Lizenzgebühren als Entgelt für die Nutzung eines von ihm persönlich entwickelten "Produkts" können diese dem Pfändungsschutz nach § 850 oder § 850i Abs. 1 ZPO jeweils in Verbindung mit § 850c ZPO unterfallen.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

IXa ZB 165/03

vom

12. Dezember 2003

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft, die Richter Raebel, Dr. Boetticher, von Lienen und die Richterin Dr. Kessal-Wulf

am 12. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 7. April 2003 wird auf Kosten der Gläubigerin zu 2 zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: 10.303,10 €.

Gründe:

I.

Der Rechtspfleger des Amtgerichts Tübingen hat mit Beschluß vom 4. September 2000 Ansprüche des Schuldners aus einem Lizenzvertrag gepfändet und der Gläubigerin zu 2 zur Einziehung überwiesen. Am 2. Juli 2002 hat der Schuldner beim Vollstreckungsgericht den Antrag gestellt, gemäß § 850i ZPO einen Betrag von monatlich 4.000 € für pfandfrei zu erklären. Der Rechtspfleger hat den Antrag mit Beschluß vom 2. Oktober 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, Lizenzgebühren seien unbeschränkt pfändbar, sie unterlägen nicht dem Pfändungsschutz des § 850i ZPO; der Schuldner habe nur eine Erfindung gemacht und lizenziert; diese bilde nicht die Grundlage für seinen Lebensunterhalt. Der dagegen vom Schuldner eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren hat der Schuldner vorgetragen, er habe bis 1999 selbständig als Gärtner gearbeitet. Danach habe er saisonal als Gartenplaner und ab Februar 2003 als Altenpflegeassistent gearbeitet. Nebenberuflich sei er als Produktdesigner tätig und habe laufend Entwürfe bei möglichen Abnehmern angeboten. Er sei auch Mitglied im Deutschen Designer Verband. Das Landgericht hat festgestellt, der Schuldner habe im Jahr 2002 aus seiner Tätigkeit als Selbständiger rund 337 € monatlich und aus dem Lizenzvertrag mit der Drittschuldnerin in unregelmäßigen Abständen Lizenzgebühren in Höhe von rund 406 € monatlich erhalten. Seit dem 1. Februar 2003 arbeite der Schuldner als teilzeitbeschäftigter Altenpfleger und verdiene monatlich 760,88 €. Das Arbeitsverhältnis sei bis zum 31. Januar 2004 befristet; seine Familie erhalte zusätzlich Sozialhilfe. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 7. April 2003 zugunsten des Schuldners bis zum 30. September 2004 monatlich einen Betrag für pfandfrei erklärt, der sich nach den Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen gemäß § 850c ZPO unter Berücksichtigung von vier unterhaltspflichtigen Personen und unter Anrechnung der sonstigen Einkünfte des Schuldners bemißt. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin zu 2 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Beschwerdegericht hat auf den Antrag des Schuldners die Pfändungsfreigrenze für dessen Einkünfte aus dem Lizenzvertrag nach den Pfändungsschutzvorschriften des § 850i Abs. 1 und § 850c ZPO bestimmt. Es ist der Ansicht, es gebe keine sachlichen Gründe dafür, das Entgelt für die Nutzung der mit der Drittschuldnerin über die Verwertung eines vom Schuldner persönlich ohne Ausnutzung fremder Arbeitskraft konzipierten Designs für einen Honiglöffel gegenüber dem fortlaufenden Arbeitseinkommen ungleich zu behandeln. Die aus einem Lizenzvertrag erzielten Vergütungen seien als Entgelt für "konservierte Arbeit" unter § 850i Abs. 1 ZPO zu fassen.

2. Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde die Meinung, die Anwendung des § 850i Abs. 1 ZPO auf Ansprüche aus Lizenzvereinbarungen sei nicht sachgerecht, wenn - wie hier - der Schuldner keine dem laufenden Arbeitseinkommen vergleichbaren Ansprüche gegen die Drittschuldnerin, sondern Gebührenansprüche aus einer einmaligen Lizenzvergabe habe. Auch eine Gleichstellung des Vergütungsanspruchs eines einmaligen Lizenzgebers mit den Honoraransprüchen von Freiberuflern sei nicht geboten, weil Freiberufler ihre Tätigkeit selbständig und nachhaltig ausübten, während hier die Lizenzgebühren aus einer einmaligen Erfindung resultierten. Die Beziehung zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer werde nicht durch persönliche Arbeit oder Dienste, sondern durch ein pachtähnliches Nutzungsrecht gekennzeichnet.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Landgericht getroffene Bestimmung des pfändungsfreien Betrages, der sich unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen des Schuldners nach den Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen gemäß § 850c Abs. 1 und Abs. 3 ZPO bemißt, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Nach § 850 Abs. 1 ZPO ist fortlaufendes Arbeitseinkommen nach Maßgabe der Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO unpfändbar. Gemäß § 850 Abs. 2 Satz 2 ZPO gelten als Arbeitseinkommen auch sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Abgestellt wird nicht darauf, ob die Entgelte aufgrund eines freien oder abhängigen Dienstvertrags gewährt werden. Wesentlich ist vielmehr, daß es sich um wiederkehrende zahlbare Vergütungen für selbständige oder unselbständige Dienste handelt, die die Existenzgrundlage des Dienstpflichtigen bilden (BGHZ 96, 324, 327; BGH, Urt. v. 8. Dezember 1977 - II ZR 219/75, NJW 1978, 756; BAG NJW 1962, 1221).

Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen liegt es nahe, daß die von der Drittschuldnerin an den Schuldner ausgezahlten Lizenzgebühren Vergütungen nach § 850 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind. Der Schuldner übt seinen Nebenberuf als Produktdesigner bereits seit längerer Zeit neben seinen Hauptberufen aus. Sowohl während seiner früheren selbständigen Tätigkeit als Gartenplaner als auch neben seiner Teilzeitarbeit als Pfleger fertigte er laufend Entwürfe und bot sie verschiedenen Abnehmern zur Verwertung an. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß er für seinen Nebenberuf einen wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft aufwendet. Einkünfte erzielt er freilich allein aus dem mit der Drittschuldnerin geschlossenen Lizenzvertrag. Dabei handelt es sich um laufende und regelmäßige Lizenzgebühren jeweils zum Quartal, selbst wenn diese der Höhe nach nicht feststehen, weil sie vom Verkaufserlös abhängen, den die Lizenznehmerin mit dem Produkt erlangt. Damit bezieht der Schuldner wie ein abhängig Beschäftigter aus einem Nebenberuf regelmäßige Einkünfte und trägt damit wesentlich zum Einkommen seiner Familie bei. Dieses Einkommen ergänzt seine weiteren geringen Einnahmen und bildet einen wesentlichen Teil seiner finanziellen Lebensgrundlage. Deshalb spricht viel dafür, daß es unter § 850 ZPO fällt und somit nur nach Maßgabe des § 850c ZPO gepfändet werden kann.

2. Zu keinem anderen Ergebnis führt indes die Bestimmung der Pfändungsfreigrenze durch das Beschwerdegericht nach § 850c Abs. 1 und 3 ZPO auf den vom Schuldner gemäß § 850i Abs. 1 ZPO gestellten Antrag, weil die vom Schuldner erzielten Lizenzgebühren - sollten sie kein Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 Satz 2 ZPO sein - jedenfalls als nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste anzusehen sind und deshalb des erweiterten Pfändungsschutzes nach § 850i ZPO bedürfen.

a) Die Vorschrift des § 850i Abs. 1 ZPO schützt vor allem die freiberuflich Tätigen, die über kein laufendes Arbeitseinkommen verfügen, sondern ihre Leistungen persönlich und aufgrund einzelner Aufträge oder Mandate erbringen und ihre Honorare einmalig und damit nicht wiederkehrend unmittelbar nach Erfüllung ihrer persönlich erbrachten Arbeitsleistung erhalten. Auf diese Weise werden Vergütungsansprüche etwa der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen, Krankengymnasten, Rechtsanwälte, Notare, Architekten, Maler, Komponisten, Schriftsteller und Erfinder den laufenden Arbeitseinkommen gleich behandelt, soweit es sich nicht aufgrund vertraglicher Vereinbarung (etwa bei einem Dauermandat nur eines Auftraggebers) um wiederkehrende zahlbare Vergütungen handelt, die schon von § 850 Abs. 2 und den §§ 850c bis f ZPO erfaßt werden. Es besteht Einigkeit darüber, daß es dabei nicht auf die Rechtsnatur des jeweiligen Arbeits- und Dienstverhältnisses (Dienstvertrag, Werkvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag u.ä.) ankommt (MünchKomm-ZPO/Smid, 2. Aufl. § 850i Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO 3. Aufl. § 850i Rn. 3, 4).

b) Streitig ist allerdings die Frage, inwieweit Lizenzgebühren im Sinne von § 850i ZPO als nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten angesehen werden können.

aa) Dazu wird die Meinung vertreten, es komme, anders als bei den Verträgen, die den Tätigkeiten der freien Berufe zugrunde liegen, bei Lizenzverträgen doch auf deren Rechtsnatur an. Diese verbiete es, Lizenzgebühren dem Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO zu unterstellen. Bei den Lizenzverträgen bestehe vielmehr eine Nähe zur Rechtspacht, denn der Lizenzgeber überlasse wie bei der einmaligen Übertragung eines Rechtes dem Lizenznehmer ein fertiges Arbeitsergebnis zur freien Benutzung. Eine Vergütung werde allein für dieses einmalige Überlassen gezahlt. Diese stehe dem Pachtzins gleich, der nicht unter den erweiterten Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO falle (Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rn. 1233 und Rn. 1649a unter Hinweis auf OLG Karlsruhe BB 1958, 629 und LG Essen MDR 1958, 433).

bb) Die überwiegende Meinung im Schrifttum, der auch das Beschwerdegericht gefolgt ist, stellt indes darauf ab, daß Einnahmen aus Lizenzverträgen dem Pfändungsschutz des § 850i Abs. 1 ZPO unterfallen, soweit es um den Schutz persönlicher Arbeitsleistungen ohne gewerblichen Kapitaleinsatz gehe, die der Gegenwert für den vor der erweiterten Pfändung zu schützenden Vergütungsanspruch seien. Mit diesen persönlich erbrachten Leistungen werde "konservierte Arbeit" geschaffen. Der Erfolg dieser Arbeit werde dem Lizenznehmer zur Verwertung überlassen, der Lizenzgeber werde über das Entgelt bei Ablieferung des Werkes am wirtschaftlichen Erfolg der Lizenz beteiligt. Lizenzgebühren verdienten gegenüber laufendem Arbeitskommen eher größeren Schutz, denn die dem wahren wirtschaftlichen Wert der schöpferischen Leistung entsprechenden Lizenzgebühren würden häufig erst viel später in vom Umsatz abhängigen Teilbeträgen gezahlt. Dem entspreche, daß bei Komponisten, Autoren, Übersetzern oder Journalisten die Zahlung von Entgelten für die schöpferische Leistung häufig in Form von Tantiemen auch erst viele Jahre später erfolge. Solche Vergütungen würden in diesen Fällen nicht unmittelbar von den Lizenznehmern, sondern über die GEMA oder die Verwertungsgesellschaft Wort an die Hersteller der Werke ausbezahlt. Nach übereinstimmender Meinung fielen auch diese Entgelte unter den erweiterten Pfändungsschutz nach § 850i Abs. 1 ZPO (Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl. § 850i Rn. 6; MünchKomm-ZPO/Smid aaO Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Lüke aaO Rn. 3; Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 850i Rn. 2; Schuschke/Walker Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz Bd. I. 3. Aufl. § 850i Rn. 2; insoweit bejahend auch Stöber aaO Rn. 1233).

cc) Lizenzverträge sind als Verträge eigener Art anzusehen, die Elemente verschiedener gesetzlich normierter Vertragstypen enthalten (BGHZ 105, 374, 378). Da der Inhalt und die vereinbarten Rechtsfolgen im Rahmen der Vertragsfreiheit sehr verschieden sein können, hängt auch die Qualifizierung der Lizenzgebühr von der einzelnen Vertragsausgestaltung ab. So gelangen im Einzelfall Kaufregeln, das Gesellschaftsrecht, die Vorschriften der Miete oder der Pacht nach §§ 581 ff BGB zur Anwendung (vgl. Benkard/Ullman, Patentgesetz 9. Aufl. § 15 Rn. 49 m.w.Nachw.). Es können die Bestimmungen über den Verkauf von Rechten rechtsähnlich anzuwenden sein, wenn sich aus dem Vertrag ergibt, daß der Lizenznehmer nur eine einmalige Lizenzgebühr entrichtet (Ullmann aaO Rn. 20 m.w.Nachw.). In der Regel besteht das Entgelt des Lizenznehmers für die Benutzung des Arbeitsergebnisses in einer vereinbarten Gebühr, die im Zweifel bei monatlichen oder vierteljährlichen Abrechnungen eine teilbare Leistung darstellt (Benkard/Ullmann aaO Rn. 72; RGZ 155, 306, 314). Sie kann auch eine Abgabe auf jeden erzeugten oder veräußerten Gegenstand (Stücklizenz) oder nach sonstigen Berechnungsmaßstäben bemessen sein (als ein Hundertsatz vom Umsatz, RGZ 136, 320). Der wahre Wert der Lizenzvereinbarung ist deshalb vom wirtschaftlichen Erfolg abhängig und drückt sich in umsatzbezogenen Teilleistungen des Lizenznehmers an den Lizenzgeber aus. Damit kann nicht allgemein angenommen werden, daß die Lizenzgebühr regelmäßig nur für das einmalige Überlassen des Arbeitsergebnisses gezahlt wird.

Sind die Lizenzgebühren Entgelt für persönlich erbrachte Dienstleistungen, für die nicht nur eine einmalige Vergütung zu zahlen ist, sondern noch vom Umsatz abhängige nachträgliche Teilleistungen vereinbart werden, sind sie den von der GEMA oder der Verwertungsgesellschaft Wort ausgezahlten Tantiemen oder Verwertungshonoraren vergleichbar, die ebenfalls dem Pfändungsschutz nach § 850i Abs. 1 ZPO unterfallen. Für eine Ungleichbehandlung gegenüber den in den freien Berufen gezahlten Vergütungen besteht somit kein Raum.

Ende der Entscheidung

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