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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: KZR 19/01
Rechtsgebiete: ZPO, GWB


Vorschriften:

ZPO § 309
GWB a.F. § 26 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 19/01

Verkündet am: 18. Februar 2003

in dem Rechtsstreit

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. August 2001 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben (§ 8 GKG).

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin vertreibt unter der Marke "U. " Rührgeräte, mit denen in Apotheken Salben und dergleichen unmittelbar in den Abgabegefäßen (Kruken) gemischt werden können. Das verwendete Rührsystem ist Gegenstand des deutschen Patentes 42 16 252, dessen Inhaber der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin ist und das während des Revisionsverfahrens durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. September 2002 (X ZR 1/99) unter Abweisung der weitergehenden Klage teilweise für nichtig erklärt worden ist.

Die Beklagte betreibt einen Großhandel mit Bedarfs- und Zubehörartikeln für Apotheken. Neben wenigen anderen Großhändlern führt sie seit 1994 das "U. "-Rührsystem.

Im Jahre 1997 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, in deren Folge die Klägerin die weitere Belieferung der Beklagten mit "U. "-Produkten verweigerte. Im Dezember 1997 erhob die jetzige Beklagte deshalb vor dem Landgericht Mainz Klage, mit der sie einen aus dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung folgenden Belieferungsanspruch gegen die Klägerin festgestellt wissen wollte.

Zur Beilegung dieses Rechtsstreits schlossen die Parteien am 2. Februar 1998 einen außergerichtlichen Vergleich, in dem die Klägerin anerkannte, verpflichtet zu sein, die Beklagte mit den von ihr vertriebenen "U. "-Produkten zu ihren bei gleicher Mengenabgabe üblichen Preisen und Konditionen zu beliefern.

Im Oktober 1998 brachte die Beklagte unter der Bezeichnung "A. " ein eigenes Rührsystem auf den Markt. Bereits am 9. Dezember 1997 hatte sie einen Misch- und Dosierbehälter zum Gebrauchsmusterschutz angemeldet; das Gebrauchsmuster war unter der Nummer 297 21 534 am 19. März 1998 in die Rolle eingetragen worden.

Nachdem die Klägerin von der Markteinführung des "A. "-Rührsystems erfahren hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 28. Januar 1999 die fristlose Kündigung der Vergleichsvereinbarung vom 2. Februar 1998 sowie die Anfechtung ihrer Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung.

Die Klägerin hat behauptet, sie hätte den fraglichen Vergleich nicht abgeschlossen und sich nicht zur weiteren Belieferung der Beklagten verpflichtet, wenn ihr die Entwicklung des Rührsystems "A. " bekannt gewesen wäre. Die Beklagte habe in der Klageschrift des vor dem Landgericht Mainz geführten Rechtsstreits wahrheitswidrig vorgebracht, sie habe kein derartiges System entwickelt und im Angebot; diese Behauptung habe sie - die Klägerin - dazu bewogen, den Vergleich abzuschließen. Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, daß sie nicht verpflichtet sei, die Beklagte wegen der Vereinbarung vom 2. Februar 1998 mit den von ihr vertriebenen "U. "-Produkten zu beliefern.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie den Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsurteil als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen ist, da das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 551 Nr. 1 ZPO in der nach § 26 Nr. 7 EGZPO anwendbaren, am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung).

Fehlerhaft besetzt ist ein Spruchkörper, wenn bei der Entscheidung entgegen § 309 ZPO ein Richter mitwirkt, der nicht an der dem Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung beteiligt war. Das ist hier der Fall, da an dem angefochtenen Urteil der Richter am Oberlandesgericht F. mitgewirkt hat, der ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2001, auf die das Berufungsurteil ergangen ist, an dieser Verhandlung nicht teilgenommen hat.

II. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerin ihre Willenserklärung, die zu der zur Beilegung des Vorprozesses geschlossenen außergerichtlichen Vereinbarung geführt hat, wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, wird sich das Berufungsgericht mit den Einwänden der Revisionsbegründung gegen die Annahme des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen haben, den im Vorprozeß abgegebenen Erklärungen der Beklagten sei die Vorspiegelung eines unzutreffenden Sachverhalts zu entnehmen.

Soweit die Klägerin geltend macht, daß eine arglistige Täuschung (auch) darin liege, daß die Beklagte ihr die Entwicklung des "A. "-Rührsystems verschwiegen habe, wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagte gehalten war, der Klägerin die Entwicklung des "A. "-Rührsystems und die Anmeldung des Gebrauchsmusters 297 21 534 zu offenbaren. Dabei wird es zu beachten haben, daß die Parteien eine Vereinbarung geschlossen haben, durch die die Klägerin sich sachlich dem von der Beklagten im Vorprozeß geltend gemachten Belieferungsanspruch nach § 26 Abs. 2 GWB a.F. unterworfen hat, und daß deshalb eine etwaige Verpflichtung der Beklagten, auch ihr nachteilige Umstände vorzutragen oder der Klägerin vor Abschluß der Vereinbarung mitzuteilen, nicht ohne weiteres über solche Sachverhaltselemente hinausging, die für die Beurteilung des damaligen Klageanspruchs von Bedeutung sein konnten.

Sollte das Berufungsgericht eine arglistige Täuschung verneinen, wird es zu prüfen haben, ob sich die Klägerin durch Kündigung von der Vereinbarung vom 2. Februar 1998 lösen konnte, insbesondere, weil sich die Beklagte, wie die Klägerin behauptet, nicht genügend um den Absatz ihrer Erzeugnisse bemüht bzw. diesen zugunsten der Vermarktung des "A. "-Rührsystems behindert hat.



Ende der Entscheidung

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