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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.02.1999
Aktenzeichen: KZR 51/97
Rechtsgebiete: GWB F. 24. September 1980, BGB


Vorschriften:

GWB § 34 F. 24. September 1980
BGB § 126 Abs. 1
GWB § 34 F: 24. September 1980; BGB § 126 Abs. 1

a) Bei Verträgen, die vor dem 1. Januar 1999 geschlossen worden sind, führt allein der Wegfall des Schriftformerfordernisses des § 34 GWB a.F. nicht zur nachträglichen Wirksamkeit.

b) Die Schriftform des § 34 GWB a.F. ist nicht gewahrt, wenn im Rahmen eines Schriftwechsels eine Vertragspartei ein Angebot lediglich in modifizierter Form annimmt und die Gegenseite den hierin liegenden neuen Antrag nur mündlich oder konkludent annimmt.

BGH, Urt. v. 2. Februar 1999 - KZR 51/97 - OLG Stuttgart


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

KZR 51/97

Verkündet am: 2. Februar 1999

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Coverdisk

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 1999 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Geiß und die Richter Dr. Melullis und Ball, die Richterin Dr. Tepperwien und den Richter Dr. Bornkamm

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. August 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin gibt Zeitschriften heraus, die sich mit Computerspielen befassen, u.a. eine Zeitschrift mit dem Titel »Amiga Games« und eine mit dem Titel »PC Games Disc & Mag«. Diesen Zeitschriften werden zu Werbezwecken eine Diskette oder eine CD-ROM beigegeben, auf denen sich Demonstrationsversionen von im Heft beschriebenen und beworbenen Computerspielen befinden (sog. Cover-Diskette oder Cover-Disk). Die Beklagte befaßt sich mit der Vermarktung von Computerspielen und bietet ihre Dienste den Herstellern solcher Spiele an.

Im April 1994 verhandelten die Parteien über eine Zusammenarbeit, wobei daran gedacht war, daß die Klägerin für ein Jahr ausschließlich Computerspiele der Kunden der Beklagten auf ihren Zeitschriften als »Coverdisc« anbietet und ihr dabei ein Mindestumsatz garantiert werden sollte. Die Einzelheiten der vertraglichen Regelung wurden in einer Korrespondenz festgelegt.

Zunächst unterbreitete die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 21. April 1994 folgendes Angebot:

Kooperation R. /C. [Beklagte/Klägerin]

1. [Die Beklagte] erhält das exklusive Recht, bis einschließlich die im November 1994 im ... Verlag [der Klägerin] erscheinenden Magazine »Amiga Games«, »PC Games« sowie die zu »PC Games« dazugehörige CD-ROM (voraussichtliches Erscheinen Juli 1994) über Werbespiele zu vermarkten. [Die Klägerin] wird zu diesem Zweck eine Diskette auf die Magazine aufkleben und deren Inhalt [der Beklagten] zur Verfügung stellen.

...

4. Die Belegung durch Werbespiele wird von [der Klägerin] an [die Beklagte] mit DM 0,65 je verkauftes Exemplar berechnet.

...

6. [Die Beklagte] garantiert [der Klägerin] einen Mindestumsatz von 100.000 DM bis Ende November 1994. Dieser Betrag kommt spätestens Ende November zur Auszahlung.

7. Ende Oktober entscheiden beide Firmen, ob sie die Kooperation in gleicher Weise fortsetzen wollen.

Nach Telefongesprächen über das Angebot schickte die Beklagte am 30. April 1994 ein Telefax an die Klägerin, in dem es u.a. heißt:

Wie letzte Woche telefonisch vereinbart, im folgenden eine Auflistung von Zusätzen und Konkretisierungen Ihres Vertragsvorschlages:

1. Exklusivität: Während der Vertragslaufzeit ist die [Beklagte] in der Lage, sowohl die beschriebenen Coverdisks als auch die anderen Möglichkeiten des ... Verlags [der Klägerin] exklusiv Unternehmen anzubieten, die mit dem Medium Computer werben.

...

Der Vertrag wird wie vereinbart für vorerst zwölf Monate unterzeichnet (ab Ausgabe 7, da 6 technisch nicht mehr möglich). Der Umsatz der in diesem Zeitraum vergebenen Aufträge der [Beklagten] an den ... Verlag [der Klägerin] wird mit mindestens 200.000 DM veranschlagt. Hat die [Beklagte] nach 6 Monaten nicht schon die Hälfte des veranschlagten Mindestumsatzes in Auftrag gegeben, muß zumindest theoretisch die Möglichkeit offen sein, die Vereinbarung aufzulösen. Der [der Klägerin] auf diese Weise entstandene Schaden ist dann natürlich zu begleichen.

...

Am 6. Mai 1994 schickte die Beklagte das Angebotsschreiben der Klägerin vom 21. April 1994 unterzeichnet an diese zurück, wobei in Ziffer 6 die Monatsangabe »November« gestrichen und durch die Angabe »Januar 1995« ersetzt und folgender Zusatz angebracht worden war:

Ich stimme dieser Vereinbarung unter Berücksichtigung meines Telefaxes vom 30.04. dieses Jahres zu.

Am selben Tag stellte die Klägerin der Beklagten den Mindestumsatz von 100.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung; dieser Betrag sollte bis 31. Januar 1995 zahlbar sein.

In der Zeit bis November 1994 kam es unstreitig zu anrechenbaren Umsätzen in Höhe von 52.325 DM. Hinsichtlich einer Reihe anderer Geschäfte ist zwischen den Parteien streitig, ob die Umsätze auf die Vereinbarung anzurechnen sind. Im September 1994 brachte die Klägerin unter dem Titel »PC Games Disc & Mag CD-ROM« ein neues Produkt auf den Markt, wobei es sich um eine periodisch erscheinende CD-ROM in einer Pappverpackung mit Zeitschriftenformat handelte, auf der sich die Vollversion eines Computerspiels sowie Demonstrationsversionen anderer Spiele befanden. Die November- und Dezember-Ausgaben dieser CD-ROMs enthielten Demonstrationsversionen von Spielen, die die Klägerin von Wettbewerbern der Beklagten hereingenommen hatte.

Mit der Klage beansprucht die Klägerin die Differenz zwischen dem vereinbarten Mindestumsatz und den auch nach ihrer Ansicht anzurechnenden Umsätzen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat sich maßgeblich darauf gestützt, die Klägerin habe dadurch, daß sie mit ihrem neuen CD-ROM-Produkt für Wettbewerber der Beklagten geworben habe, selbst gegen die Ausschließlichkeitsvereinbarung verstoßen und könne sich daher gegenüber der Beklagten nicht auf die Verpflichtung zur Erfüllung oder zur Leistung von Schadensersatz stützen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 61.675 DM verurteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Revision der Beklagten entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien hätten im April/Mai 1994 eine verbindliche Ausschließlichkeitsvereinbarung geschlossen, in deren Rahmen die Beklagte der Klägerin für die Zeit von Juni bis November 1994 Mindestumsätze in Höhe von 100.000 DM versprochen habe. Dem mit Schreiben vom 21. April 1994 unterbreiteten Angebot der Klägerin habe die Beklagte zwar nur zugestimmt, wenn den Änderungswünschen entsprochen werde. Hierin sei jedoch nach § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot zu sehen, das gemäß § 151 BGB von der Klägerin angenommen worden sei, ohne daß dies gegenüber der Beklagten habe erklärt werden müssen. Der Annahmewille der Klägerin ergebe sich daraus, daß sie den Vertrag wie vereinbart durchgeführt habe.

Die Mindestumsatzgarantie stelle ein Garantieversprechen dar. Mit Ausnahme zweier Positionen könnten die Umsätze der Beklagten allerdings nicht berücksichtigt werden, weil sie entweder andere Produkte als die beiden Zeitschriften »Amiga Games« und »PC Games« beträfen oder die Beklagte nicht dargelegt habe, daß die Umsätze bis einschließlich November 1994 getätigt worden seien. Der Klägerin falle ihrerseits kein Verstoß gegen die Exklusivitätsabrede zur Last. Denn diese Abrede habe sich lediglich auf die Zeitschriften »Amiga Games« und »PC Games« sowie auf die zu »PC Games« gehörige CD-ROM bezogen, die anstelle der auf das Deckblatt aufgeklebten Diskette (»Cover-Diskette«) erstmals im Januar 1995 als »Cover-Disk« verwendet worden sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das Schriftformerfordernis des § 34 GWB a.F. nicht berücksichtigt, ist begründet. Der Vertrag, auf den sich die Klägerin mit ihrem Klagebegehren stützt, ist formunwirksam, weil er nicht schriftlich abgefaßt ist (§§ 18, 34 GWB a.F., § 125 BGB).

a) Das Schriftformerfordernis des § 34 GWB a.F. ist - soweit es Verträge betrifft, die Beschränkungen der in § 16 GWB n.F. (§ 18 GWB a.F.) bezeichneten Art enthalten - mit dem Inkrafttreten der 6. GWB-Novelle am 1. Januar 1999 ersatzlos entfallen. Eine Übergangsvorschrift enthält das Gesetz nicht. Der Wegfall des Formerfordernisses kann sich grundsätzlich nur auf Verträge auswirken, die unter der Geltung des neuen Rechts abgeschlossen werden. Bei Verträgen, die noch unter der Geltung des alten Rechts geschlossen worden und nach altem Recht wegen Nichteinhaltung der gebotenen Schriftform unwirksam sind, führt die Rechtsänderung dagegen nicht zur nachträglichen Wirksamkeit. Denn die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts bestimmt sich nach den Formvorschriften, die bei seiner Vornahme galten (»tempus regit actum«; RGZ 55, 36, 39 f.; Staudinger, BGB, 3./4. Aufl. 1907, § 125 Anm. I 8; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 125 Rdn. 29). Unberührt hiervon bleibt die - im Streitfall nicht in Betracht kommende - Möglichkeit einer nach Wegfall des Formerfordernisses vorgenommenen Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts nach § 141 BGB.

b) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag enthält Beschränkungen der in § 18 GWB a.F. (§ 16 GWB n.F.) bezeichneten Art. Denn mit der Ausschließlichkeitsabrede schränkt er die Freiheit der Klägerin ein, die von ihr angebotenen gewerblichen Leistungen an Dritte abzugeben (§ 18 Nr. 2 GWB a.F.). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung handelt es sich bei der Werbeleistung, die die Klägerin für die Beklagte erbringen sollte, nicht um eine einheitliche Werbekapazität, die nur einmal vergeben werden kann, so daß mit der Vergabe an einen Nachfrager andere Nachfrager notwendigerweise vom Wettbewerb ausgeschlossen sind. Denn es ging im Streitfall nicht um die der Beklagten eingeräumte Möglichkeit, eine bestimmte Speicherkapazität der »Cover-Disketten« oder »Cover-Disks« für die von ihr vermarkteten Spiele zu reservieren. Vielmehr war der Klägerin nach der getroffenen Ausschließlichkeitsabrede auch die Vergabe zusätzlicher, durch Erweiterung geschaffener oder vorhandener, von der Beklagten nicht genutzter Speicherkapazitäten untersagt.

c) Die erforderliche Schriftform ist von den Parteien nicht eingehalten worden.

Allerdings war bei dem kartellrechtlichen Schriftformerfordernis das Gebot der Urkundeneinheitlichkeit insoweit eingeschränkt, als sich die Unterschrift der Vertragsparteien nicht auf einer Urkunde zu befinden brauchte, so daß auch ein Vertragsabschluß im Wege der Korrespondenz möglich war (§ 34 Satz 4 GWB a.F., § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). Für die Einhaltung der Schriftform war jedoch stets die eigenhändige Unterschrift der Vertragsparteien erforderlich. Hieran fehlt es im Streitfall: Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das von dem Chefredakteur unterzeichnete Schreiben vom 21. April 1994 nicht als Angebot angesehen werden kann, das von der Beklagten angenommen worden wäre. Vielmehr ist die Vereinbarung in der Weise zustande gekommen, daß die Beklagte das Angebot der Klägerin nur unter Einschränkungen und Änderungen angenommen hat. Darin lag nach § 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung des Angebots der Klägerin verbunden mit einem neuen Antrag. Dieses Angebot ist von der Klägerin angenommen worden, ohne daß dies gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt worden wäre (§ 151 Satz 1 BGB). Damit fehlt es an einem aufeinander bezugnehmenden Schriftwechsel; eine mündlich oder konkludent erklärte Annahme eines Angebots genügt dem Schriftformerfordernis nicht (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1967 - KZR 10/65, WuW/E 900, 904 f. - Getränkebezug; Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 34 Rdn. 44; Hennig in Langen/Bunte, Kartellrecht, 8. Aufl., § 34 Rdn. 9). Von diesem Grundsatz hat der Senat - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - auch in der Entscheidung »Annahmeerklärung« keine Ausnahme gemacht: Dort wurde lediglich entschieden, daß für die Einhaltung der Schriftform der Zugang der (unterzeichneten) Annahmeerklärung beim Antragenden nicht festzustehen braucht (BGH, Urt. v. 27.5.1986 - KZR 38/85, WuW/E 2292, 2293 f.).

Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

2. Dem Senat ist eine abschließende Sachentscheidung verwehrt. Denn von der Formunwirksamkeit ist nicht lediglich die Ausschließlichkeitsabrede erfaßt, als deren Gegenleistung die von der Klägerin beanspruchte Zahlung des Mindestumsatzes angesehen werden könnte. Vielmehr ist der gesamte Vertrag wegen des Verstoßes gegen das Schriftformgebot nichtig, so daß sämtliche aufgrund des formunwirksamen Vertrages erbrachten Leistungen nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren sind. Bei beiderseitig erbrachten Leistungen aus einem unwirksamen gegenseitigen Vertrag ist dabei nach den Grundsätzen der Saldotheorie abzurechnen (vgl. BGH, Urt. v. 6.5.1997 - KZR 42/95, GRUR 1997, 781, 783 = WRP 1997, 961 - Sprengwirkungshemmende Bauteile; Urt. v. 17.3.1998 - KZR 42/96, WuW/E DE-R 138, 142 f. - Lizenz- und Beratungsvertrag). Ob sich bei einer Abrechnung nach diesen Grundsätzen noch ein Saldo für einen der Beteiligten ergibt, mag im Hinblick darauf unwahrscheinlich sein, daß die Beklagte die jeweilige Leistung der Klägerin bezahlt hat, kann anhand der getroffenen Feststellungen aber gleichwohl nicht zuverlässig beurteilt werden.

III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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