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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.04.2008
Aktenzeichen: LwZR 6/07
Rechtsgebiete: BGB, LwVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 252 Satz 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 830 Abs. 1 Satz 1
BGB § 830 Abs. 2
BGB § 858
BGB § 956
BGB § 956 Abs. 1 Satz 1
LwVG § 20 Abs. 1
LwVG § 48 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 283 Satz 2
ZPO § 547 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

LwZR 6/07

Verkündet am: 25. April 2008

in dem Rechtsstreit

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Lemke und Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Gose und Karle

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Senats für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. Juni 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung von 128.726,22 € nebst Zinsen verurteilt worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 7. und 8. August 2004 erntete der Beklagte zu 1 im Beisein des Beklagten zu 2 die in dem Klageantrag bezeichneten Ackerflächen überwiegend ab und brachte dabei 1.104,57 t Winterweizen ein. Die Klägerin meint, dass nicht der Beklagte zu 1, sondern die G. KG zur Bewirtschaftung und Aberntung dieser Felder berechtigt gewesen sei. Wegen des Bewirtschaftungsrechts waren mehrere Gerichtsverfahren anhängig. U.a. ist der Beklagte zu 1 im Februar 2006 verurteilt worden, die Bewirtschaftung der Flächen zu unterlassen und deren Bewirtschaftung durch die G. KG zu dulden; seine Klage auf Herausgabe der Flächen ist abgewiesen worden. Das Urteil ist seit dem 27. April 2007 rechtskräftig (Nichtzulassungsbeschluss des Senats, LwZR 9/06).

Die Klägerin verlangt aus eigenem, hilfsweise aus abgetretenem Recht der G. KG die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 145.656,11 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist nur zum Teil erfolgreich gewesen; das Oberlandesgericht hat diese als Gesamtschuldner zur Zahlung von 128.726,22 € nebst Zinsen verurteilt.

Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin aus von der G. KG abgetretenem Recht von dem Beklagten zu 1 nach § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz in der ausgeurteilten Höhe verlangen. Zwar habe der Beklagte zu 1 die abgeernteten Flächen zusammen mit einem Dritten mit Vertrag vom 1. Januar 1998 bis zum Jahr 2010 gepachtet. Das ihm zustehende Bewirtschaftungs- und Fruchtziehungsrecht habe er jedoch als Kommanditeinlage in die G. KG eingebracht. Damit sei diese zur Bewirtschaftung der Flächen und nach § 956 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Aneignung der Erträge berechtigt gewesen. Daran hätten die außerordentliche Kündigung der Gesellschafterstellung und der Ausspruch eines Betretungs- und Bewirtschaftungsverbots durch den Beklagten zu 1 am 2. August 2004 nichts geändert. Mit der Aberntung des Winterweizens habe der Beklagte zu 1 das Aneignungsrecht der G. KG verletzt, welches ein sonstiges Recht i.S. von § 823 Abs. 1 BGB sei.

Der Beklagte zu 2 haftet nach Ansicht des Berufungsgerichts nach §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB für den Schaden, welcher der G. KG durch die unberechtigte Ernte durch den Beklagten zu 1 entstanden ist; denn er habe als Teilnehmer daran mitgewirkt.

Die Schadenshöhe setzt sich nach Auffassung des Berufungsgerichts aus einem entgangenen Verkaufspreis von 116.338,68 € für den Weizen und 21.330,46 € für Weizenstroh, aus Kosten von 1.910,85 € für das Nachmulchen der abgeernteten Flächen und 1.558,46 € für eine zusätzliche Herbizidbehandlung abzüglich 12.412,23 € ersparter Drusch-, Transport- und Lagerkosten zusammen.

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

II.

Das Berufungsurteil ist bereits deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht - wie die Beklagten zutreffend rügen - bei der Entscheidungsfindung nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

1. Der Rechtsstreit betrifft eine Landpachtsache (§ 1 Nr. 1a LwVG). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG handelt es sich um eine streitige Landwirtschaftssache, in der das Gesetz die Beteiligung von zwei ehrenamtlichen Richtern in allen Instanzen vorschreibt (§ 2 Abs. 2 LwVG). Das hat das Berufungsgericht zunächst auch beachtet; an der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2007 haben zwei ehrenamtliche Richter mitgewirkt, sie sind auch im Eingang des Berufungsurteils aufgeführt. Jedoch ist weder aus den Verfahrensakten noch aus der von dem Vorsitzenden des Berufungsgerichts abgegebenen Stellungnahme ersichtlich, dass die ehrenamtlichen Richter auch an der abschließenden Urteilsberatung mitgewirkt haben. Diese durfte, nachdem den Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eine Schriftsatzfrist von drei Wochen eingeräumt worden war und die nachgelassenen Schriftsätze an dem Tag des Fristablaufs bei dem Berufungsgericht eingegangen waren, nicht unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung, sondern erst nach dem Fristablauf stattfinden. Denn nach § 283 Satz 2 ZPO musste das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung den Inhalt dieser Schriftsätze berücksichtigen. Die Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu dieser Urteilsberatung war notwendig (vgl. § 309 ZPO), weil die in § 20 Abs. 1 LwVG genannten Ausnahmen nicht vorliegen.

2. Somit war das Berufungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung nicht ordnungsgemäß besetzt (OLG Jena RdL 1998, 36; vgl. auch Senat, Urt. v. 23. November 2007, LwZR 5/07, RdL 2008, 72). Dieser Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach § 547 Nr. 1 ZPO ein absoluter Revisionsgrund. Das hat zur Folge, dass die Kausalität der Rechtsverletzung für die angefochtene Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird. Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1. Ob das Berufungsgericht zu Recht das Aneignungsrecht nach § 956 BGB als "sonstiges Recht" i.S. von § 823 Abs. 1 BGB angesehen hat, kann dahingestellt bleiben. Denn der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist jedenfalls nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt.

a) Ohne Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht angenommen, dass nicht der Beklagte zu 1, sondern die G. KG zur Aberntung und zum Verkauf des Weizens berechtigt war. Denn im Verhältnis zwischen dem Beklagten zu 1 und der G. KG steht dies rechtskräftig fest. Diesen Umstand durfte das Berufungsgericht berücksichtigen, ohne die Akten des Vorprozesses zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens zu machen.

b) Die G. KG war unmittelbare Besitzerin der Flächen. Das ergibt sich für das Revisionsverfahren aus der tatbestandlichen Feststellung des Berufungsgerichts, dass die von dem Beklagten zu 1 und dem Zeugen J. bei der Gründung der KG erbrachte Sacheinlage unstreitig in den Rechten aus dem Pachtvertrag über die Domäne W. bestanden habe. Dagegen haben sich die Beklagten nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag gewandt, so dass der Senat daran gebunden ist. Mit dem Abernten hat der Beklagte zu 1 die KG in ihrem Besitz gestört (vgl. Senat, Urt. v. 23. November 2007, LwZR 5/07, aaO). Das geschah ohne ihren Willen und somit durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB). Der Beklagte zu 1 hat damit gegen ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB (BGHZ 73, 355, 362) verstoßen. Den daraus entstandenen Schaden muss er ersetzen.

2. Dass das Berufungsgericht die Würdigung der in der ersten Instanz vernommenen Zeugen durch das Amtsgericht, soweit ihre Bekundungen das Verhalten des Beklagten zu 2 während der Aberntung der Flächen betreffen, nicht beanstandet hat, ist rechtlich unbedenklich. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanzen nicht sämtliche Zeugenaussagen berücksichtigt haben. Es fehlt auch keine "Gesamtwürdigung weiterer Aussagen", wie die Beklagten meinen. In Wirklichkeit setzen sie lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Würdigung durch die Vorinstanzen. Dies führt zu keiner von dem Berufungsurteil abweichenden Beurteilung.

3. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen allerdings nicht die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in der ausgeurteilten Höhe.

a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist jedoch die von dem Berufungsgericht zugrunde gelegte Menge, die der Beklagte zu 1 geerntet hat. Der Richtigkeit der Mengenerfassung durch die GE. sind die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten. Damit sind ihre Einwendungen gegen die von dem Berufungsgericht angenommene Größe der abgeernteten Flächen unerheblich.

b) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist es, dass das Berufungsgericht Kosten für das Nachmulchen und einer Herbizidbehandlung angesetzt hat. Diese Maßnahmen waren wegen der unsachgemäßen Aberntung der Flächen notwendig. Das einfache Bestreiten der Notwendigkeit der Maßnahmen durch die Beklagten reicht nicht aus.

c) Schließlich begegnet das Ansetzen eines Betrages von 21.330,46 € für die entgangene Verwertung des Weizenstrohs keinen rechtlichen Bedenken. Die von dem Berufungsgericht vorgenommene abstrakte Schadensberechnung, welche die eingesparten Kosten berücksichtigt, hat ihre Rechtsgrundlage in § 252 Satz 2 BGB. Den zulässigen Gegenbeweis, dass der Lauf der Dinge hier anders gewesen wäre, haben die Beklagten nicht geführt.

d) Nicht zu erkennen ist jedoch, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten in ihren nachgelassenen Schriftsätzen berücksichtigt hat, soweit er die von der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegten Kontrakte betrifft. Die Beklagten haben u.a. - zutreffend - darauf hingewiesen, dass diese z.T. nicht Geschäfte zwischen der Klägerin und der G. KG betreffen, dass die in den Kontrakten genannte Qualität des Weizens nicht der ursprünglich von der Klägerin angegebenen Qualität entspricht, dass einige Kontrakte keine Registrierungsnummer, kein Datum und keine Unterschrift enthalten und dass die Kontrakte nicht den von dem Zeugen J. genannten Preis von 10,80 €/dt ausweisen. Angesichts dessen fehlt der Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung Vertragsunterlagen vorgelegt habe, welche den von dem Zeugen genannten Kontraktpreis bestätigten, die Grundlage.

4. Somit wird das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung die Schadenshöhe weiter aufklären müssen.

Ende der Entscheidung

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