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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: NotSt (B) 1/09
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 14 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat

durch

den Vorsitzenden Richter Schlick,

die Richterin Dr. Kessal-Wulf,

den Richter Dr. Appl sowie

die Notare Dr. Ebner und Justizrat Dr. Bauer

am 20. April 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 8. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1. Gegen den heute 42-jährigen Notar, der seit September 1996 Rechtsanwalt und seit dem 9. August 2007 Notar mit Amtssitz in O. ist, hat der Beteiligte mit Verfügung vom 29. Juli 2008 das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und ihn mit Verfügung vom 14. Oktober 2008 gemäß § 96 BNotO in Verbindung mit §§ 91, 94 Abs. 1 der Disziplinarordnung Niedersachsen (NDO) in der Fassung vom 7. September 1982 (GVBl. S. 357), vorläufig seines Amtes enthoben.

Der Notar, der am 12. Oktober 1999 seinen Eid als Notarvertreter geleistet hatte, übt sein Amt in der Sozietät M. pp. aus, der seit dem Jahre 2002 auch der Rechtsanwalt und Notar W. M. angehört. Gegen diesen ist ebenfalls ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet.

2. Dem Notar wird vorgeworfen, die ihm nach § 14 Abs. 2 BNotO obliegende Amtspflicht, nicht an Handlungen mitzuwirken, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden, verletzt zu haben:

Die P. GmbH hatte mehrere in der Zwangsversteigerung günstig erworbene Wohnungen an mittellose, in Grundstücksangelegenheiten völlig unbedarfte Erwerber verkauft. Dabei wurde der Kaufpreis in den notariellen Kaufverträgen im Einvernehmen der Käufer und Verkäufer - angeblich unter Mitwirkung des Notars M. - weit überhöht angegeben, um entsprechende Kreditzusagen der finanzierenden Bausparkassen zu erhalten. Aus den von den Banken zur Verfügung gestellten Mitteln erhielten u.a. die Käufer dann so genannte "Kickback-Zahlungen" zur freien Verfügung.

Dem Notar wird zur Last gelegt, zwischen dem 20. und 28. Oktober 2005 in seiner Funktion als Notarvertreter für den Notar M. in insgesamt drei Fällen an der Beurkundung solcher unredlichen Zwecken dienender Kaufverträge mitgewirkt zu haben. In allen drei Fällen war der beurkundete Kaufpreis deutlich höher als der von den Parteien des Kaufvertrags tatsächlich vereinbarte Preis. Dies sei dem Beschwerdegegner - was dieser bestreitet - in zwei Fällen bekannt gewesen, in dem dritten Fall hätte es sich ihm aufdrängen müssen.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Einleitungsverfügung des Beteiligten vom 29. Juli 2008 Bezug genommen.

3. Der Notar hat gegen die auf Verstöße gegen § 14 Abs. 2 BNotO gestützte vorläufige Amtsenthebung Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Oberlandesgericht hat seinem Antrag durch Beschluss vom 8. Januar 2009 entsprochen und die Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung aufgehoben. Dagegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde, der das Oberlandesgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig ( § 105 BNotO i.V.m. § 79 Abs. 1 BDO), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung zu Recht aufgehoben.

1.

Nach § 96 BNotO i.V.m. §§ 91, 94 Abs. 1 NDO kann die Einleitungsbehörde einen Notar vorläufig seines Amtes entheben, wenn ein dienstliches Bedürfnis vorliegt und das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Nähere Vorschriften über das hierbei auszuübende Ermessen enthält das niedersächsische Disziplinarrecht nicht. Maßgeblich sind die vom Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur vorläufigen Amtsenthebung eines Notars entwickelten allgemeinen Grundsätze. Danach setzt die vorläufige Amtsenthebung voraus, dass die endgültige, wenn auch nur befristete Amtsenthebung zu erwarten ist, die Maßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist und dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. März 2006 - NotSt(B) 4/05 - NdsRpfl. 2006, 206, 207 und vom 28. Juli 2008 - NotSt(B) 1/08 - ZNotP 2008, 416, 418 Rn. 25).

2.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, wie das Oberlandesgericht ausführlich und zutreffend dargelegt hat. Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen nicht den hinreichenden Verdacht, dass gegen den Notar im förmlichen Disziplinarverfahren endgültig die Maßnahme einer zumindest befristeten Amtsenthebung gemäß § 97 Abs. 3 Satz 1 BNotO ausgesprochen werden wird. Auf der Grundlage der bisher erhobenen Beweise, insbesondere der teils widersprüchlichen, im Laufe des Verfahrens zudem relativierten Zeugenaussagen kann dem Beschwerdegegner im Hinblick auf einen Verstoß gegen § 14 Abs. 2 BNotO in zwei Fällen - wenn überhaupt - lediglich fahrlässiges, im dritten Fall allenfalls bedingt vorsätzliches Handeln zur Last gelegt werden. Insoweit nimmt der Senat auf die nicht zu beanstandende Beweiswürdigung des angefochtenen Beschlusses, den Nichtabhilfebeschluss des Oberlandesgerichts vom 10. Februar 2009 sowie die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Februar 2009 Bezug.

Bei dieser - vorläufig zugrundezulegenden - Sachlage ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erwarten, der Notar werde zumindest befristet seines Amtes enthoben werden. Zwar gehört die strikte Beachtung des § 14 Abs. 2 BNotO zu den Kernpflichten eines Notars. Allerdings war der disziplinarisch unbelastete Notar - damals als Notarvertreter handelnd - in Grundstücksgeschäften noch relativ unerfahren. Er hat weder an einer Täuschung zu Lasten der kreditierenden Banken aktiv mitgewirkt noch war er an der mit "Kickback-Zahlungen" einhergehenden finanziellen Abwicklung der später rückabgewickelten drei Kaufverträge in irgendeiner Form beteiligt. Insgesamt ist nicht festzustellen, dass er unter Missbrauch seiner Amtsstellung als Notarvertreter in kollusiver Weise in die unredlichen Geschäfte der P. GmbH verstrickt war oder gar aus diesen finanziellen Nutzen gezogen hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es - auch in Anbetracht des dem Ansehen des Notarstandes zugefügten Schadens - nicht hinreichend sicher, dass der Notar durch weniger einschneidende Maßnahmen nicht mehr beeinflussbar wäre und dass etwa eingedenk der Warnfunktion der in diesem Verfahren vorübergehend erfolgten vorläufigen Amtsenthebung eine Geldbuße nicht ausreichend sein würde, um ihn in Zukunft an seine grundlegenden Pflichten zu erinnern und ihn zu ordnungsgemäßer Amtsausübung zu bewegen.

Ende der Entscheidung

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