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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.07.2005
Aktenzeichen: NotSt (B) 2/05
Rechtsgebiete: BNotO, LDO, StPO, BDO, ZPO, VwGO


Vorschriften:

BNotO § 95a
BNotO § 96
BNotO § 96 Satz 1
BNotO § 105
LDO § 26 Satz 1
LDO § 33 Abs. 3
LDO § 33 Abs. 3 Satz 1
LDO § 33 Abs. 4 Satz 2
LDO § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
LDO § 57 Abs. 1 Nr. 3
LDO § 69 Abs. 3 Satz 1
LDO § 105
LDO § 105 Abs. 1 Satz 1
LDO § 106
LDO § 106 Abs. 1
LDO § 106 Abs. 2 Nr. 1
LDO § 107 Abs. 1
LDO § 107 Abs. 2
LDO § 108 Abs. 1
LDO § 108 Abs. 2
LDO § 108 Abs. 3
LDO § 108 Abs. 4
LDO § 108 Abs. 5
LDO § 108 Abs. 6
LDO § 108 Abs. 7
LDO § 108 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2
LDO § 108 Abs. 8
StPO § 206 a Abs. 1
BDO § 79 Abs. 2
ZPO § 91a
VwGO § 161 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotSt (B) 2/05

vom 11. Juli 2005

in dem Disziplinarverfahren

wegen Kostenentscheidung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, den Richter Becker und die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die Notare Dr. Ebner und Eule am 11. Juli 2005

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des früheren Notars wird der Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin vom 13. Januar 2005 im Kostenpunkt geändert und wie folgt neu gefaßt:

Der frühere Notar hat die Kosten des Antragsverfahrens vor dem Kammergericht zu tragen. Es wird davon abgesehen, die ihm insoweit entstandenen notwendigen Auslagen dem Land Berlin aufzuerlegen. Weitere Kosten hat der frühere Notar nicht zu tragen; auch sonstige Auslagen sind ihm nicht zu erstatten.

2. Der frühere Notar trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Präsident des Landgerichts Berlin hatte im nichtförmlichen Disziplinarverfahren gegen den früheren Notar mit Disziplinarverfügung vom 22. Januar 2003 einen Verweis sowie eine Geldbuße von 1.000 € verhängt. Die vom früheren Notar erhobene Beschwerde wies die Präsidentin des Kammergerichts mit Bescheid vom 1. August 2003, die weitere Beschwerde die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin durch Bescheid vom 18. November 2003 zurück. Gegen den letztgenannten Bescheid stellte der frühere Notar beim Senat für Notarsachen des Kammergerichts Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Nachdem der frühere Notar auf seinen Antrag mit Wirkung vom 31. Dezember 2004 aus seinem Amt als Notar entlassen worden war, hat das Kammergericht mit Beschluß vom 13. Januar 2005 "gemäß § 96 Satz 1 BNotO i. V. m. den §§ 69 Abs. 3 Satz 1, 57 Abs. 1 Nr. 3, 26 Satz 1 LDO a. F., § 206 a Abs. 1 StPO" das Verfahren eingestellt und, ohne dies näher zu begründen, dem früheren Notar nach "§ 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 LDO a. F." die "Kosten des Verfahrens" auferlegt.

Dieser Beschluß ist dem ehemaligen Notar am 14. Januar 2005 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit am 28. Januar 2005 beim Kammergericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und mitgeteilt, der Rechtsbehelf solle unter allen rechtlichen Gesichtspunkten als eingelegt gelten. Das Kammergericht hat die Beschwerde als Gegenvorstellung gegen die Kostenentscheidung seines Beschlusses vom 13. Januar 2005 angesehen. Diese hat es mit Beschluß vom 8. Februar 2005 zurückgewiesen, da kein Anlaß zur Änderung der Kostenentscheidung bestehe. Der frühere Notar habe entsprechend § 106 LDO a.F. die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil feststehe, daß er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt habe.

Nachdem ihm dieser Beschluß zugegangen war, hat der frühere Notar mit an das Kammergericht gerichtetem Schriftsatz vom 17. März 2005 unter Hinweis auf den in einem Strafverfahren ergangenen und im Anwaltsblatt 1976, 305 veröffentlichten Beschluß des OLG Karlsruhe geltend gemacht, daß die Kostenentscheidung eines unanfechtbaren Einstellungsbeschlusses mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sei und "unter diesen Umständen um Überprüfung des Beschlusses" gebeten. Hierauf hat das Kammergericht die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Der Senat entnimmt dem Schriftsatz des früheren Notars vom 17. März 2005, daß er sein Rechtsmittel gegen den Beschluß des Kammergerichts alleine noch gegen den Kostenausspruch dieser Entscheidung richtet und im übrigen zurücknimmt. In dem damit noch aufrechterhaltenen Umfang ist die Beschwerde - entgegen der Ansicht des Kammergerichts - zulässig.

Gemäß § 105 BNotO, § 79 Abs. 1 BDO ist gegen nicht endgültige Beschlüsse der Oberlandesgerichte in Disziplinarverfahren gegen Notare die Beschwerde statthaft. Dies gilt trotz der Überschrift von Abschnitt III Unterabschnitt 11 auch außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens (vgl. BVerwGE 63, 114, 115; Claussen/Janzen, BDO 8. Aufl. § 79 Rdn. 1; vgl. Schippel/Lemke, BNotO 7. Aufl. § 105 Rdn. 7). Zwar sind nach § 96 BNotO, § 33 Abs. 4 Satz 2 der Landesdisziplinarordnung (LDO) des Landes Berlin in der Fassung vom 1. März 1979 (GVBl. S. 546, mit der gemäß § 96 Satz 1 BNotO - Stichtag 1. März 2001 - maßgeblichen letzten Änderung durch das Gesetz vom 20. April 1993, GVBl. S. 187; s. jetzt: Disziplinargesetz vom 29. Juni 2004, GVBl. S. 263) die Entscheidungen im Antragsverfahren des § 33 Abs. 3 LDO grundsätzlich endgültig mit der Folge, daß auch eine isolierte Anfechtung des gerichtlichen Kostenausspruchs ausscheidet (vgl. Claussen/Janzen aaO § 116 Rdn. 3). Dies gilt jedoch nur für Sachentscheidungen, die den eventuellen Disziplinaranspruch rechtlich abschließend erledigen (vgl. Senat, Beschl. vom 17. Dezember 1962 - NotSt (B) 1/62 = DNotZ 1963, 360), nicht dagegen für reine Prozeßentscheidungen, die zwar das laufende Verfahren wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses beenden, eine künftige disziplinarrechtliche Ahndung des dem Notar angelasteten Verstoßes dagegen aus Rechtsgründen nicht ausschließen. So liegt es hier. Mit der antragsgemäßen Entlassung des früheren Notars aus seinem Amt (§ 47 Nr. 2, § 48 BNotO) ist eine notwendige formelle Voraussetzung für die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens entfallen, so daß dieses einzustellen war (vgl. Claussen/Janzen aaO § 1 Rdn. 1 und 10a sowie § 31 Rdn. 22b). Dies stünde aus Rechtsgründen einer erneuten disziplinarrechtlichen Ahndung der dem früheren Notar vorgeworfenen Verfehlung jedoch nicht entgegen, sollte dieser - vor Ablauf der Verjährungsfrist des § 95a BNotO - erneut zum Notar ernannt werden (vgl. Senat, Beschl. vom 14. Oktober 1985 - NotSt (B) 1/85; Claussen/Janzen aaO § 76 Rdn. 3a). Die Kostenentscheidung des Einstellungsbeschlusses unterliegt daher der Anfechtung (vgl. für das förmliche Disziplinarverfahren Senat, Beschl. vom 14. Oktober 1985 aaO sowie Beschl. vom 9. Mai 1988 - NotSt (B) 1/87 = BGHR BNotO § 105 Beschwerde 1, jew. m. w. N.).

Die Beschwerdefrist des § 79 Abs. 2 BDO ist gewahrt. Mit seinem Beschluß vom 17. März 2005 hat das Kammergericht der Sache nach der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 BDO).

2. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Das Kammergericht hat dem früheren Notar die Verfahrenskosten in zu weitem Umfang auferlegt (a). Darüber hinaus hat es eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des früheren Notars unterlassen. Dies holt der Senat dahingehend nach, daß diese nicht zu erstatten sind (b).

a) Das Kammergericht hat dem früheren Notar nach Einstellung des Verfahrens sämtliche Verfahrenskosten gemäß § 96 Satz 1 BNotO, § 106 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LDO auferlegt. Dies ist fehlerhaft, denn § 106 LDO findet hier keine Anwendung; er gilt ausschließlich für das förmliche Disziplinarverfahren (vgl. Claussen/Janzen aaO § 113 Rdn. 1).

Die Kosten des nichtförmlichen Disziplinarverfahrens sind in § 105 LDO geregelt. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 LDO können dem Notar Verfahrenskosten nur auferlegt werden, wenn gegen ihn eine Disziplinarmaßnahme verhängt wird und die Kosten wegen des Dienstvergehens entstanden sind, das den Gegenstand der Disziplinarmaßnahme bildet. Gegen den früheren Notar ist hier indessen eine Disziplinarmaßnahme bestandskräftig nicht verhängt worden. Dem stand der Eintritt eines Verfahrenshindernisses entgegen. Dies zog nicht nur die Einstellung des Verfahrens, sondern auch die Unzulässigkeit der Disziplinarverfügung nach sich, deren Aufhebung zumindest aus Gründen der Klarstellung in dem Einstellungsbeschluß hätte ausgesprochen werden sollen (vgl. Schütz, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 3. Aufl. § 31 LDO NW Rdn. 13). Die mögliche Kostenfolge richtet sich nunmehr nach der neuen Verfahrenssituation. Diese läßt es indessen nach § 105 Abs. 1 Satz 1 LDO nicht mehr zu, dem Notar Verfahrenskosten des nichtförmlichen disziplinarrechtlichen Verwaltungsverfahrens zu überbürden (vgl. Claussen/Janzen aaO § 112 Rdn. 1a). Daran ändert der Umstand nichts, daß das Verfahrenshindernis erst während des gerichtlichen Verfahrens nach § 33 Abs. 3 LDO entstanden ist. Hierdurch darf der Notar nicht benachteiligt werden. Auch das Gericht hat über die Kosten des nichtförmlichen disziplinarrechtlichen Verwaltungsverfahrens ausschließlich auf der Grundlage des § 105 LDO zu entscheiden. Nicht etwa darf es den allein die Kosten des förmlichen Disziplinarverfahrens regelnden § 106 LDO heranziehen, der es unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt, auch bei Einstellung des Verfahrens dessen Kosten dem Notar aufzuerlegen (vgl. Claussen/Janzen aaO § 112 Rdn. 5).

Über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens, die durch den Antrag des früheren Notars nach § 33 Abs. 3 Satz 1 LDO entstanden sind, ist dagegen grundsätzlich in sinngemäßer Anwendung des § 107 Abs. 1 und 2 LDO zu befinden (§ 107 Abs. 3 LDO). Die dortigen Kostenregelungen sind indessen lückenhaft. Sie erfassen insbesondere nicht den Fall, daß sich durch Maßnahmen der Einleitungsbehörde oder des Notars der Zweck des Antragsverfahrens erledigt mit der Folge, daß der Antrag zurückzunehmen oder, wie hier, das Verfahren wegen eines Eintritts eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden muß. Nach allgemeiner Ansicht findet insoweit der in anderen gerichtlichen Verfahrensordnungen geltende Rechtsgedanke über die Kostenfolge bei Erledigung der Hauptsache Anwendung, wie er etwa in § 91a ZPO und § 161 Abs. 2 VwGO seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerwGE 63, 114; Claussen/Janzen aaO § 114 Rdn. 3 m. w. N.). Die Kosten des Antragsverfahrens sind danach dem Notar dann aufzuerlegen, wenn sein Antrag vor Eintritt des erledigenden Ereignisses unzulässig oder unbegründet war.

Nach diesen Grundsätzen sind dem früheren Notar die Kosten des Verfahrens nach § 33 Abs. 3 Satz 1 LDO aufzuerlegen; denn ohne die auf seinen Antrag ausgesprochene Entlassung aus dem Notaramt und den dadurch bedingten Abbruch des Verfahrens hätte sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung keinen Erfolg gehabt. Dieser war unbegründet, da die gegen ihn erlassene Disziplinarverfügung zu Recht ergangen ist. Dies vermag der Senat der Aktenlage ohne weiteres zu entnehmen. Der frühere Notar hatte die ihm in der Disziplinarverfügung vom 22. Januar 2003 angelasteten Pflichtverletzungen in seiner Anhörung vom 30. Oktober 2002 in objektiver Hinsicht in vollem Umfang eingeräumt. Daß ihn an diesen Verstößen entgegen seinem Verteidigungsvorbringen ein Verschulden zumindest in der Form der Fahrlässigkeit trifft, hat die Senatsverwaltung für Justiz in ihrem Bescheid vom 18. November 2003 zutreffend dargelegt.

b) Das Kammergericht hat übersehen, daß auch eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des früheren Notars zu treffen war (vgl. Claussen/ Janzen aaO § 115 Rdn. 7 m. w. N. sowie § 116 Rdn. 2). Diese Entscheidung kann in der Beschwerdeinstanz nachgeholt werden (vgl. für das Strafverfahren Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 464 Rdn. 12). Die notwendigen Auslagen des früheren Notars, die diesem in dem nichtförmlichen disziplinarrechtlichen Verwaltungsverfahren entstanden sind, sind nach Verfahrenseinstellung nicht erstattungsfähig (Claussen/Janzen aaO § 112 Rdn. 1a). Für die notwendigen Auslagen im Antragsverfahren gelten die Regelungen in § 108 Abs. 1 - 8 LDO sinngemäß (§ 108 Abs. 9 LDO). Entsprechend § 108 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 LDO ist es angemessen davon abzusehen, dem Land Berlin die notwendigen Auslagen des früheren Notars im gerichtlichen Antragsverfahren aufzuerlegen, da lediglich der Eintritt eines Verfahrenshindernisses verhinderte, daß sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Disziplinarverfügung vom Kammergericht verworfen wurde. Auf die Ausführungen zu a) wird insoweit verwiesen.

3. Nach alledem ist die Kostenentscheidung des Kammergerichts wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich abzuändern und um die Auslagenentscheidung zu ergänzen.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 109 BNotO, § 87 Abs. 1 Satz 1, § 114 Abs. 2, § 115 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 9 BDO. § 115 BDO findet über Absatz 9 dieser Vorschrift entsprechende Anwendung, da das hier ausnahmsweise zulässige Beschwerdeverfahren das Antragsverfahren nach § 33 Abs. 3 LDO fortsetzt, das dem Verfahren nach § 31 Abs. 3 BDO entspricht. Da der frühere Notar seine ursprüngliche Beschwerde teilweise zurückgenommen und im übrigen mit seinem Rechtsmittel im Ergebnis nur einen geringfügigen Erfolg erzielt, ist es nicht unbillig, daß er die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die ihm in diesem entstandenen notwendigen Auslagen in vollem Umfang selbst trägt.

Ende der Entscheidung

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