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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.11.2004
Aktenzeichen: NotZ 16/04
Rechtsgebiete: GG, BNotO


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 2
BNotO § 6 Abs. 2
BNotO § 6 Abs. 3
Zu den Auswirkungen der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 u.a. - NJW 2004, 1935 = DNotZ 2004, 560 = ZNotP 2004, 281 und 8. Oktober 2004 - 1 BvR 702/03) zur angemessenen Gewichtung fachspezifischer Leistungen beim Zugang zum Beruf des Notars im Nebenamt auf die von einem Mitbewerber angefochtene Auswahlentscheidung der Justizverwaltung.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 16/04

vom 22. November 2004

in dem Verfahren

wegen Bestellung zum Notar

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Galke und Wendt sowie die Notare Dr. Doyé und Dr. Ebner

am 22. November 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin vom 12. Mai 2004 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2004 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der 1962 geborene Antragsteller wurde im September 1992 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt zunächst in D. und im August 1995 bei dem Landgericht B. zugelassen. Im April 2000 bewarb er sich um eine der im Amtsblatt für Berlin vom 31. März 2000 (S. 1091) ausgeschriebenen 60 Notarstellen. Durch Bescheid vom 25. Oktober 2001 benachrichtigte die Präsidentin des Kammergerichts den Antragsteller davon, daß seine fachliche Eignung im Auswahlverfahren mit 100,35 Punkten bewertet worden sei und er damit auf der Bewerbungsliste Rang 60 erreicht habe. Es sei - vorbehaltlich einer Änderung der Besetzungsliste in von Mitbewerbern angestrengten Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - beabsichtigt, ihm nach dem endgültigen Abschluß des Besetzungsverfahrens eine der zu besetzenden Notarstellen zu übertragen. Durch Verfügung vom 13. Dezember 2001 wurde dem Antragsteller sodann mitgeteilt, daß seine Rangstelle von den Anträgen abgelehnter Notarbewerber auf einstweiligen Rechtsschutz betroffen sei und die Landesjustizverwaltung deshalb bis auf weiteres gehindert sei, ihn zum Notar zu bestellen; erst nach Abschluß der schwebenden Verfahren werde man dem Besetzungsverfahren Fortgang geben.

Auf die Konkurrentenklage des Beteiligten hat das Kammergericht durch Beschluß vom 11. Dezember 2002 (Not 17/01 und 18/01 KG Berlin) die Antragsgegnerin verpflichtet, dessen Antrag auf Bestellung zum Notar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und der Behörde zugleich im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, eine der ausgeschriebenen Notarstellen bis zur Neubescheidung des Antrags freizuhalten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat der Senat durch Beschluß vom 14. Juli 2003 zurückgewiesen und dabei u.a. ausgeführt, daß die vom Kammergericht getroffene - nicht selbständig anfechtbare - einstweilige Anordnung ihre Gültigkeit behalte (NotZ 2/03 - unter III, insoweit nicht abgedruckt in NJW 2003, 2752 und ZNotP 2004, 34).

Das mit Antrag vom 22. August 2002 auf gerichtliche Entscheidung verfolgte Begehren des Antragstellers, (sofort) zum Notar bestellt zu werden, hat das Kammergericht durch Beschluß vom 28. Mai 2003 (Not 6/02) - u.a. wegen des noch nicht abgeschlossenen Konkurrentenschutzverfahrens des Beteiligten - als zur Zeit unbegründet zurückgewiesen. Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluß vom 3. November 2003 (NotZ 12/03 - ZNotP 2004, 70) bestätigt und darin erneut auf die weiterhin geltende einstweilige Anordnung aus dem vorgenannten Konkurrentenstreit hingewiesen.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2004 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Abänderung ihrer Verfügung vom 25. Oktober 2001 mit, daß er im Auswahlverfahren nur noch den 61. Rang innehabe. Die nach ihrer Verpflichtung zu einer Neubescheidung vorgenommene Bewertung der fachlichen Eignung des Mitbewerbers habe zu einer Gesamtpunktzahl von 100,50 geführt, weil ihm wegen seiner besonders hohen fachlichen Qualifikation in notarspezifischen Bereichen 0,85 Sonderpunkte zuzubilligen seien. Der Konkurrent belege nunmehr den 60. und damit letzten Rang der Besetzungsliste.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er begehrt die Bestellung zum Notar auf der Grundlage der ihn begünstigenden Verfügung vom 25. Oktober 2001, hilfsweise die Neubescheidung durch die Antragsgegnerin. Zudem verlangt er die Freihaltung einer Notarstelle im Wege der einstweiligen Anordnung. Das Kammergericht hat diesen Antrag zurückgewiesen. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.

II. Die gemäß §§ 111 Abs. 4 BNotO, 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Da die Sache aber nicht zur Entscheidung reif ist, scheidet die im Hauptantrag begehrte Verpflichtung aus, den Antragsteller zum Notar zu bestellen. Die Antragsgegnerin ist jedoch gehalten, ihn entsprechend seinem Hilfsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden (§§ 111 Abs. 4 BNotO, 41 Abs. 3 BRAO).

1. Ein Anspruch des Antragstellers auf Bestellung zum Notar ergibt sich zunächst nicht aus der mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 zugunsten des Antragstellers getroffenen Auswahlentscheidung. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen durch Bekanntgabe an die Bewerber wirksam gewordenen einheitlichen teils begünstigenden, teils belastenden Verwaltungsakt (vgl. Senat, Beschluß vom 16. Juli 2001 - NotZ 8/01 - NJW-RR 2001, 1564, 1565 m.w.N.) Es steht deshalb nicht im Belieben der Justizverwaltung, eine rechtmäßige Auswahlentscheidung wieder aufzuheben. Eine Aufhebung der einem Antragsteller mit der Qualität eines Verwaltungsaktes zugesicherten Bestellung zum Notar kommt nur bei rechtswidriger Auswahlentscheidung in Betracht (vgl. Senatsbeschluß vom 16. Juli 2001 - NotZ 8/01 - aaO). Das war hier der Fall. Die Auswahlentscheidung verletzte den Beteiligten in seinen Rechten. Die Antragsgegnerin hatte nicht erwogen, die Tätigkeit des Beteiligten als Syndikusanwalt als Umstand heranzuziehen, der ihn für das Amt des Notars in ganz besonderer Weise qualifizieren konnte (vgl. hierzu Senat, Beschluß vom 14. Juli 2003 - NotZ 2/03 - ZNotP 2004, 34, 36).

2. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller ferner, das Verfahren dauere zu lang. Es kann dahinstehen, inwieweit dieser Umstand überhaupt sein Verpflichtungsbegehren stützen könnte. Der Antragsteller ist nicht wegen überlanger Verfahrensdauer in seinem aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleiteten Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt.

Dieses Grundrecht gebietet zwar, daß Gerichtsverfahren in angemessener Zeit beendet sein müssen. Es gibt jedoch keine allgemein gültigen Zeitvorgaben. Ob eine Verfahrensdauer noch angemessen ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Dies sind vor allem die Natur des Verfahrens und die Bedeutung der Sache, die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie, sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter (vgl. statt anderer Nachweise, BVerfG, Dritte Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 14. Oktober 2003 - 1 BvR 901/03 - NVwZ 2004, 334, 335 m.w.N.).

Für den hier zu beurteilenden Konkurrentenstreit lassen sich keine von Verfassungs wegen zu beanstandenden Verzögerungen aus dem Verantwortungsbereich der Gerichte oder der Verwaltungsbehörden feststellen. Die Dauer dieses Verfahrens liegt ganz wesentlich darin begründet, daß Antragsteller wie Beteiligter von den ihnen zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht haben. Die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zugunsten des - nach seiner Behauptung - zu Unrecht abgelehnten Mitbewerbers läßt grundsätzlich die damit unvermeidbar verbundene Verzögerung des Abschlusses des Bewerbungsverfahrens durch Hinausschieben der Bestellung der davon betroffenen letztlich erfolgreichen Bewerber als zumutbar erscheinen (so schon Senat, Beschluß vom 3. November 2003 - NotZ 12/03 - aaO).

3. Schließlich vermag auch die unterbliebene Beteiligung an dem gerichtlichen Verfahren des Beteiligten allein keinen Rechtsanspruch des Antragstellers auf Bestellung zum Notar zu begründen (so bereits Senat, Beschluß vom 3. November 2003 - NotZ 12/03 - aaO). Etwaige damit zusammenhängende Verletzungen von Rechten des Antragstellers wirken sich zudem nicht aus. Denn die Antragsgegnerin ist ohnehin zur Vornahme einer umfassenden Neubewertung der Eignung des Antragstellers und des Beteiligten verpflichtet (hierzu nachfolgend unter 4.). Durch das vorliegende Verfahren und das folgende Verwaltungsverfahren ist der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör ausreichend gewährleistet.

4. Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt auch die neue Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 20. April 2004 - 1 BvR 838/01 u.a. - NJW 2004, 1935 = ZNotP 2004, 281 = DNotZ 2004, 560 und vom 8. Oktober 2004 -1 BvR 702/03) nicht zu einer Wiederherstellung der ihn begünstigenden Ausgangsentscheidung, sondern dazu, daß die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in Fortsetzung des bisherigen Bewerbungsverfahrens neu bescheiden muß (vgl. Harborth, DNotZ 2004, 659, 670 f.; Jung, DNotZ 2004, 570, 571; so wohl auch Maaß, ZNotP 2004, 250, 255; für eine Neuausschreibung der Stellen Lerch, ZNotP 2004, 267).

a) Die bisher von der Antragsgegnerin herangezogenen Auswahlkriterien tragen nach diesen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die von ihr getroffene Auswahlentscheidung nicht. Sie dürfen so nicht mehr angewendet werden.

Zwar sind die gesetzlichen Eignungskriterien gemäß § 6 Abs. 3 BNotO in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts unbeanstandet geblieben, da sie bei der Auswahl der Anwaltsnotare eine angemessene Berücksichtigung solcher Kenntnisse und Fähigkeiten ermöglichen, welche sich speziell auf das angestrebte Amt und damit auf den Zweitberuf beziehen (BVerfG, aaO DNotZ 2004, 560, 564 unter C II 3.). Das Bundesverfassungsgericht hat aber festgestellt, daß die Auswahl zwischen mehreren Rechtsanwälten, die für das Amt eines Notars in Betracht kommen, nicht den Vorrang desjenigen mit der besten fachlichen Eignung gewährleistet, wenn sich die Verwaltung nach den bestehenden Verwaltungsvorschriften- oder Allgemeinen Verfügungen in Angelegenheiten der Notarinnen und Notare richtet (BVerfG, aaO DNotZ 2004, 560, 564 ff. unter C III ). Zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standen die Niedersächsischen AVNot vom 1. März 2001 (NdsRpfl. S. 100) und die Regelung in Hessen (Runderlaß des Hessischen Ministeriums der Justiz und Europangelegenheiten vom 25. Februar 1999, Buchstabe A., Abschnitt II., JMBl S. 222) sowie die AVNot Baden-Württemberg vom 10. September 1998 (Die Justiz S. 561). Diese enthalten Auswahlkriterien, wie sie im Wesentlichen inhaltsgleich unter III der Berliner Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare (AVNot) vom 22. April 1996 (ABl. S. 1741) in der Fassung der Änderungsverwaltungsvorschrift vom 30. Oktober 1998 (ABl. S. 4525) festgelegt sind. Eine nach diesen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem größeren Kreis von Bewerbern läßt vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistung des Bewerbers vermissen (BVerfG, aaO DNotZ 2004, 560, 564 unter C III 1.) Die bisher aufgrund der AVNot vorgenommenen Auswahlentscheidungen der Antragsgegnerin können daher keinen Bestand haben, soweit sie - wie gegenüber dem Antragsteller - noch keine Bestandskraft erlangt haben.

Erforderlich ist nunmehr eine Neubewertung, bei der auch die von den Bewerbern bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen - wie insbesondere bei den Beurkundungen - differenziert zu gewichten sind. Solange es insoweit an beachtlichen Bewertungen noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem, höherem Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen müssen (BVerfG, aaO DNotZ 2004, 560, 566 f., 570 = ZNotP 2004, 281, 287 ff. unter C III 2., 3., 5. a).

b) Eine an diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientierte Auswahlentscheidung hat die Antragsgegnerin bisher nicht getroffen. Die mit Schriftsatz vom 20. Juli 2004 vorgenommene "Neubeurteilung" genügt den Anforderungen nicht. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in einer tabellarischen Gegenüberstellung der bereits nach der AVNot zu berücksichtigenden Merkmale, ohne diese für die Beurteilung der fachlichen Eignung des Antragstellers und des Beteiligten jeweils zu gewichten und die Ergebnisse gegeneinander abzuwägen, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, wer dabei besser abschneidet (vgl. BVerfG, aaO unter C III 5. a). Die Antragsgegnerin legt nicht einmal dar, ob sie insoweit überhaupt eine Neubewertung vornimmt. Diese wäre jedoch, wie der Antragsteller mit Schriftsatz vom 30. August 2004 dargelegt hat, schon deshalb erforderlich gewesen, weil der Punktvorsprung des Beteiligten vor allem auf die an lediglich 0,61 Punkte bessere Examensnote zurückzuführen ist, hingegen der Antragsteller mehr Notarvertretungen (177 gegenüber 136 Tagen) übernommen hat und hierbei auch mehr Urkunden entworfen und errichtet hat (118 gegenüber 77 Urkunden) als der Beteiligte. Sie stellt im Ergebnis an sich allein auf die Tätigkeit des Beteiligten als Syndikusanwalt ab - welche allerdings bei einer Neubescheidung entsprechend der Entscheidung des Senats vom 14. Juli 2003 (NotZ 2/03 - ZNotP 2004, 34, 36) durchaus zu berücksichtigen sein wird -, ohne die sonstigen relevanten Umstände in die Abwägung mit einzubeziehen.

Eine abschließende, alle Gesichtspunkte umfassende Beurteilung der fachlichen Eignung der Bewerber liegt darin nicht. Sie muß zunächst von der Antragsgegnerin vorgenommen werden, damit sie so den ihr bei der Auswahl mehrerer geeigneten Bewerber für das Amt des Notars zukommenden Beurteilungsspielraum ausschöpfen kann, und unterliegt erst dann der gerichtlichen Nachprüfung (vgl. statt anderer Nachweise Senat, Beschluß vom 22. März 2004 - NotZ 20/03 - ZNotP 2004, 241, 242 m.w.N.). Die bereits festgestellten jeweiligen Eignungsmerkmale führen auch nicht zu einer Einengung des Beurteilungsspielraums dahingehend, daß notwendigerweise der Antragsteller vorzuziehen wäre. Er hat daher zwar nicht mit seinem Begehren auf Übertragung einer Notarstelle, jedoch mit seinem Verlangen nach Neubescheidung Erfolg.

5. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf folgendes hin:

a) aa) Für den Beginn der Dauer der Zeit, in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war (§ 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO), ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht seine (allgemeine) Zulassung zur Anwaltschaft im Sinne des § 12 Abs. 2 BRAO im September 1992 oder gar die vorherige Betätigung als Assessor ab Juli 1992, sondern die Eintragung in die Liste des betreffenden Gerichts der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 31 Abs. 2 BRAO) maßgeblich. Denn erst mit der Eintragung in diese Liste beginnt die Befugnis, die Anwaltstätigkeit auszuüben (§ 32 Abs. 1 BRAO; vgl. Senat, Beschluß vom 16. Juli 2001 - NotZ 9/01 - DNotZ 2001, 968, 969). Dies galt, wovon das Kammergericht zu Recht ausgegangen ist, auch im Anwendungsbereich des RAG vom 13. September 1990, in das mit Wirkung ab dem 1. Juli 1992 durch das Rechtspflegeanpassungsgesetz vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1947, 1951) mit den §§ 31, 31a RAG eine der BRAO entsprechende Regelung eingefügt worden war.

Das Kammergericht hat nach Durchführung der ihm möglichen Ermittlungen als frühesten Zeitpunkt der Eintragung den 3. November 1992 feststellen können. Die demgegenüber vom Antragsteller geäußerten Bedenken einschließlich seines Vorbringens in der Beschwerdeinstanz vermögen diese Feststellung nicht in Zweifel zu ziehen. Die Festlegung eines früheren Termins zugunsten des Antragstellers, der insoweit die materielle Feststellungslast trägt, ist danach nicht möglich. Auf die überzeugenden Ausführungen des Kammergerichts, denen sich der Senat auch zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, wird verwiesen

bb) Der reinen Dauer der Anwaltstätigkeit wird - abgesehen von der Mindestwartezeit des § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO - nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bei der Auswahlentscheidung ein geringeres Gewicht zukommen. Die Berufserfahrung als Rechtsanwalt kann den notarspezifischen Praxisbezug nicht ersetzen. Die Anwaltstätigkeit ist zwar aussagekräftig in Bezug auf die Vertrautheit mit der Praxis der Rechtsbesorgung und deren organisatorischer Bewältigung, die Sicherheit im Umgang mit dem rechtsuchenden Bürger und das durch Erfahrung gewonnene Verständnis für deren Anliegen (BT-Drucks. 11/6007, S. 10; vgl. Senat, Beschluß vom 16. Juli 2001 - NotZ 8/01 - NJW-RR 2001, 1564, 1565). All das geschehe - so das Bundesverfassungsgericht - aber im Kontext der für den Rechtsanwaltsberuf typischen einseitigen Interessenwahrnehmung, kann Rechtsgebiete betreffen, die nur geringe Berührung mit der notariellen Berufstätigkeit haben, und ist häufig nicht gekennzeichnet durch die Vorbereitung umfänglicher Urkunden samt der Überwachung ihrer Durchführung. Die Antragsgegnerin wird danach nicht mehr außer acht lassen können und daher auch zu gewichten haben, inwieweit der jeweilige Schwerpunkt der Anwaltstätigkeit "notarnäher" oder "notarferner" ausgestaltet war (BVerfG, aaO DNotZ 2004 560, 567, 570 unter C III 3. b), 5. a); kritisch Harborth, aaO S. 661 ff.; Maaß, aaO S. 251 f.).

b) aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Antragsgegnerin die mit Schreiben des Antragstellers vom 20. August 2003 angeführten Tätigkeiten und Qualifikationen nicht daraufhin überprüft, ob sie zur Vergabe von Sonderpunkten geeignet sind, da der Antragsteller die dortigen Umstände nicht ordnungsgemäß in das Bewerbungsverfahren eingeführt hat. Nach § 6b Abs. 2 BNotO ist die Bewerbung innerhalb der in der Ausschreibung gesetzten - als gesetzliche Ausschlußfrist ausgestalteten - Bewerbungsfrist einzureichen; dementsprechend sind gemäß § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO bei der Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei Ablauf der Bewerbungsfrist vorlagen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die in dieser gesetzlichen Regelung ihren Niederschlag gefunden hat, darf die Justizverwaltung die fachliche Eignung eines Bewerbers um das Amt des Notars nur dann bejahen, wenn diese bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist nachgewiesen ist (Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 1997 - NotZ 48/96 - NJW-RR 1998, 57, 58 und vom 16. März 1998 - NotZ 13/97 - NJW-RR 1998, 1599, 1600 jeweils m.w.N.; vgl. auch Senat, BGHZ 126, 39, 44 ff.). Dies gilt insbesondere auch für den Nachweis der fachlichen Leistungen, die im Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO zu berücksichtigen sind. Der erforderliche fristgemäße Nachweis der Leistungen setzt neben der Vorlage entsprechender Bescheinigungen voraus, daß der Bewerber der Justizverwaltung innerhalb der Bewerbungsfrist mitteilt, welche bei der Vorbereitung auf den Notarberuf bereits erbrachten Leistungen zu seinen Gunsten bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden sollen (Senat, Beschluß vom 16. März 1998, aaO). Auch insoweit dient die Festlegung des Stichtags der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber auch der Gleichbehandlung aller Bewerber aufgrund einer einheitlichen Bewertungssituation, die nur gewährleistet ist, wenn zu Beginn des Auswahlverfahrens sämtliche für jeden Bewerber maßgeblichen Kriterien feststehen (vgl. BGHZ 126, 39, 50).

Folgerichtig hat die Antragsgegnerin im Auswahlverfahren bisher eine in den Bewerbungsunterlagen überhaupt nicht erwähnte anwaltliche Tätigkeit in notarspezifischen Bereichen unberücksichtigt gelassen. Gleiches gilt für das Studium an der Verwaltungshochschule in Speyer im Rahmen der Referendarausbildung. Die schlichte Aufnahme dieses Studiums in den Lebenslauf reicht nicht aus (vgl. Senat, Beschluß vom 3. November 2003 - NotZ 14/03 - NJW-RR 2004, 708, 709).

bb) Nach den vorstehend unter a) bb) erörterten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wird die Antragsgegnerin jedoch notarspezifische Bezüge der anwaltlichen Tätigkeit beachten müssen. Näheren Beschreibungen der Anwaltstätigkeit kommt insoweit nicht mehr der Charakter neuer, durch § 6b Abs. 4 Satz 1 BNotO präkludierten Umstände zu, sondern sie sind dann lediglich zusätzliche durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts veranlaßte Erläuterungen der als berücksichtigungsfähig eingebrachten Anwaltszeit. Das genügt, um dem Erfordernis einer vollständigen Bewerbung zum Stichtag gerecht zu werden. Die weitere Klärung zu diesem Punkt ist dann Sache der Justizverwaltung (vgl. § 64a BNotO; Senat, Beschluß vom 14. Juli 2003 - NotZ 2/03 - ZNotP 2004, 34, 36).

III. Da der Antragsteller zwar nicht mit seinem Begehren auf Übertragung einer Notarstelle, jedoch mit seinem Verlangen nach Neubescheidung Erfolg hat, ist sein im Beschwerdeverfahren gestellter Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos geworden.

Ende der Entscheidung

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