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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.07.2006
Aktenzeichen: NotZ 45/05
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 6
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8
BNotO § 54 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

NotZ 45/05

Verkündet am 24. Juli 2006

in dem Verfahren

wegen Feststellung der Voraussetzungen für die Amtsenthebung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, den Richter Becker, die Richterin Dr. Kessal-Wulf sowie die Notare Dr. Doyé und Dr. Ebner

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Notardisziplinarsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 30. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für den Beschwerderechtszug wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1956 geborene Antragsteller ist seit 1987 als Rechtsanwalt zugelassen. Am 29. Oktober 1993 wurde er zum Notar mit Amtssitz in W. bestellt.

Mit Verfügung vom 2. Juni 2005 hat der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO vorläufig seines Amtes enthoben und ihm gleichzeitig eröffnet, dass er beabsichtige, ihn endgültig seines Amtes zu entheben (§ 50 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 BNotO). Auf die hiergegen gerichteten Anträge des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht die vorläufige Amtsenthebung aufgehoben, weil der Antragsgegner das ihm durch § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt habe. Durch den angefochtenen Beschluss hat es demgegenüber festgestellt, dass die Voraussetzungen für die endgültige Amtsenthebung des Antragstellers vorliegen (§ 50 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 BNotO), da er in Vermögensverfall geraten sei (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO) und seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO). Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Amtsenthebung des Antragstellers gegeben sind. Die hiergegen vom Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde erhobenen Einwände greifen nicht durch.

1. Der Antragsteller ist in Vermögensverfall geraten (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO).

Der Vermögensverfall, der einen insolvenzähnlichen Tatbestand darstellt und im Gegensatz zu den Amtsenthebungsgründen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in sich schließt, setzt über den Eintritt ungeordneter schlechter finanzieller Verhältnisse, die sich in absehbarer Zeit nicht beheben lassen (wirtschaftliche Verhältnisse im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 BNotO), voraus, dass der Notar nicht in der Lage ist, seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen (Senat, Beschlüsse vom 3. November 2003 - NotZ 15/03 = NJW-RR 2004, 710; vom 22. März 2004 - NotZ 23/03 = NJW 2004, 2018). Er wird unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Hs. 2 BNotO widerleglich vermutet (s. dazu Senatsbeschluss vom 22. März 2004 aaO). Dies ist hier zwischenzeitlich der Fall; denn nach Erlass des angefochtenen Beschlusses hat das Amtsgericht C. am 16. Mai 2006 auf Antrag des Antragstellers das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet.

Tatsachen, die geeignet wären, die Vermutung zu entkräften, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Demgegenüber wird der Vermögensverfall, den schon das Oberlandesgericht positiv festgestellt hatte, durch das im Verfahren über die Eröffnung der Insolvenz erstattete Gutachten des - zwischenzeitlich zum Insolvenzverwalter bestellten - Rechtsanwalts Dr. S. , das dieser auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers über dessen Vermögenslage gefertigt hat, bestätigt. Danach ist der Antragsteller mit Verbindlichkeiten von insgesamt 11.191.000 € belastet, zu deren Befriedigung das vorhandene Vermögen des Antragstellers und sein Einkommen bei weitem nicht ausreichen. Die grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen von weit über 4.000.000 € übersteigen die Verkehrswerte der belasteten Immobilien des Antragstellers von insgesamt ca. 1.400.000 € so erheblich, dass selbst dann, wenn die Immobilien in den eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren zum vollen Verkehrswert verwertet werden könnten, Restforderungen von knapp 3.000.000 € verblieben. Zu deren Rückführung sowie zur Begleichung der weiteren ungesicherten Gläubigerforderungen stünden allein ein Kassenbestand des Antragstellers von 20.000 €, von dem vorab noch die Kosten des Insolvenzverfahrens von voraussichtlich etwa 12.500 € abzudecken wären, sowie - unter der Voraussetzung einer Fortführung der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers - monatlich allenfalls ca. 1.000 € als zur Schuldentilgung einsetzbarer Überschuss aus dem laufenden Einkommen zur Verfügung. Dementsprechend könnte die im Entwurf des Insolvenzplans vorgesehene quotale Einmalzahlung auf die unbesicherten Insolvenzforderungen in Höhe von - lediglich - 1 % nur durch Geldmittel geleistet werden, die dem Antragsteller von dritter Seite bereitgestellt werden sollen. Dass unter diesen Voraussetzungen Aussicht bestehen könnte, in absehbarer Zeit wieder geordnete Vermögensverhältnisse des Antragstellers herbeizuführen, ist daher auch unter Berücksichtigung der im Insolvenzverfahren bestehenden Möglichkeiten (vgl. dazu BVerfG NJW 2005, 3057, 3058; Senat, Beschluss vom 22. März 2004 - NotZ 23/03 = NJW 2004, 2018, 2019; BGH - Senat für Anwaltssachen - Beschluss vom 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04 = NJW 2005, 1271 f.) derzeit nicht erkennbar. Der Umstand, dass - nach dem Vortrag des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung - von den ca. 20 Insolvenzgläubigern bisher lediglich vier ihre Zustimmung zu dem vorgesehenen Insolvenzplan durch Erteilung entsprechender Vollmachten für die Gläubigerversammlung bekundet haben, ein Gläubiger dagegen seine Zustimmung bereits verweigert hat, begründet nach jetzigem Sachstand vielmehr erhebliche Zweifel an einer erfolgreichen Umsetzung des Insolvenzplanverfahrens.

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz demgegenüber darauf verweist, der Antragsgegner habe durch die vom Oberlandesgericht wieder aufgehobene vorläufige Amtsenthebung zu einer Verschlechterung seiner - des Antragstellers - Einkommenssituation beigetragen, ist dies schon deswegen für die Beschwerdeentscheidung ohne Belang, weil bereits aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers vor seiner vorläufigen Amtsenthebung die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 Hs. 1 BNotO gegeben waren. Nicht etwa hat die vorläufige Amtsenthebung dazu geführt, dass dem Antragsteller die aussichtsreiche Möglichkeit vereitelt worden wäre, seine zerrütteten wirtschaftlichen Verhältnisse zu bereinigen.

2. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht auch die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO zutreffend bejaht.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Ende der Entscheidung

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