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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.07.1998
Aktenzeichen: NotZ 7/98
Rechtsgebiete: BNotO, DDR / NotVO


Vorschriften:

BNotO § 5
DDR / NotVO § 4
BNotO § 5; DDR: NotVO § 4

Es verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn im Land Berlin Diplomjuristen nur unter den Voraussetzungen des § 5 BNotO, § 5 Abs. 1 DRiG zu (Anwalts-)Notaren zugelassen werden.

BGH, Beschluss vom 20. Juli 1998 - NotZ 7/98 - KG


Sachverhalt:

Der Antragsteller hat sein juristisches Studium an der H. -Universität zu Berlin 1984 mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen. Er ist seit 1991 als zuerst bei dem Landgericht Berlin und seit 1996 auch bei dem Kammergericht zugelassener Rechtsanwalt tätig. Seine Bewerbung um eine der von der Antragsgegnerin im Amtsblatt für Berlin vom 27. Oktober 1996 ausgeschriebenen Notarstellen hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 abgelehnt und dies mit der fehlenden Befähigung des Antragstellers zur Ausübung des Richteramtes nach dem Deutschen Richtergesetz (§ 5 BNotO) begründet. Den hiergegen mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur Übertragung einer Notarstelle auf den Antragsteller, hilfsweise zur neuerlichen Bescheidung zu verpflichten, gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung und den damit verbundenen Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen mit den vorgesehenen anderen Bewerbern zu untersagen, hat der Senat für Notarsachen des Kammergerichts zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag in der Hauptsache weiter verfolgt und erneut einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung stellt.

Der Antragsteller ist der Ansicht, seine Ablehnung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da ein sachlicher Grund fehle, ihn als Diplomjuristen im "beigetretenen Teil Berlins" anders zu behandeln als die Diplomjuristen im Geltungsbereich der Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis (NotVO) sowie die Diplomjuristen, die vor dem 3. Oktober 1990 im "beigetretenen Teil Berlins" bereits als Notare zugelassen waren. Die ungleiche Behandlung beeinträchtige auch seine grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Ungleichbehandlung sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt und stelle deshalb keine Verletzung des Gleichheitsgebotes dar.

Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Der Antragsteller kann im Bezirk des Kammergerichts nicht zum Notar bestellt werden, da er die nach § 5 BNotO hierfür notwendige Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz nicht erlangt hat: Ihm fehlen der sich an die erste Staatsprüfung anschließende Vorbereitungsdienst und die zweite Staatsprüfung (vgl. § 5 Abs. 1 DRiG).

1. Die Zulassungsvoraussetzungen zum Notariat und die Notariatsformen haben sich in Berlin und in den fünf neuen Bundesländern wie folgt entwickelt:

Für das Land Berlin ist die Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961 durch Gesetz vom 27. Februar 1961 übernommen worden. Es wurden weiterhin (vgl. § 3 Abs. 2 BNotO) ausschließlich Anwaltsnotare bestellt. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands trat in dem Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt, die Bundesnotarordnung mit der Maßgabe (Anlage I zum EVertr Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt IV Nr. 1 b) in Kraft, daß dort ausschließlich Anwaltsnotare bestellt und Rechtsanwälte, die am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts dort zu Anwaltsnotaren in eigener Praxis bestellt waren, nach ihrer Zulassung bei einem Gericht in Berlin zu Anwaltsnotaren nach der Bundesnotarordnung bestellt werden. Die Bestellung von Anwaltsnotaren in eigener Praxis in Berlin (Ost) war möglich geworden durch die Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis (NotVO) vom 20. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 475), mit der die Notariatsverfassung der DDR geändert, die staatlichen Notariate durch zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellte Notare ersetzt und nur in Berlin (Ost) zur Vereinheitlichung der Rechts- und Lebensverhältnisse das Anwaltsnotariat wieder eingeführt worden waren (vgl. Zimmermann/Halle NJ 1991, 56).

In der DDR wurden seit Inkrafttreten der NotVO Notare in eigener Praxis zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellt. Diese Bestellungen sind nach der Wiedervereinigung wirksam geblieben. Im Beitrittsgebiet ist die NotVO mit Maßgaben des Einigungsvertrages fortgeltendes Recht geblieben (Anlage II zum EVertr Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2). Danach ist zur Notarbestellung grundsätzlich neben einem mit Staatsexamen abgeschlossenem rechtswissenschaftlichen Studium ein zweijähriger Vorbereitungsdienst mit einer weiteren Staatsprüfung vorgesehen (§ 4 Buchstabe b) NotVO). Auf den Vorbereitungsdienst mit der Staatsprüfung wird verzichtet, wenn der Bewerber als Notar in einem Staatlichen Notariat tätig war (§ 5 Abs. 1 NotVO); auf ihn kann auch verzichtet werden, wenn der Bewerber die sonstigen Voraussetzungen nach § 4 erfüllt, 10 Jahre als Jurist gearbeitet hat und notarspezifische Kenntnisse nachweist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 NotVO). Auf diese Weise ist es auch Diplom-Juristen möglich, in den neuen Bundesländern zum Notar bestellt zu werden.

2. Der Antragsteller wird durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72, 88; 62, 256, 274; 82, 126, 146; Senatsbeschl. vom 29. März 1993 - NotZ 19/92 = BGHR BNotO § 4 Abs. 1 a.F. Bedürfnisprüfung 2). Das ist hier nicht der Fall.

Im Verhältnis zu den bis zum 3. Oktober 1990 in Berlin (Ost) zu Anwaltsnotaren in eigener Praxis Bestellten ist der Antragsteller schon deswegen nicht ungerechtfertigt benachteiligt, weil er seinerzeit die danach maßgeblichen Voraussetzungen für eine Bestellung zum Notar noch nicht erfüllte. Im übrigen wäre insoweit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ebenso zu verneinen wie er im Verhältnis zu den seit Inkrafttreten der NotVO zuerst in der DDR und sodann in den neuen Bundesländern zu Notaren in eigener Praxis Bestellten zu verneinen ist; denn die aufgrund der unterschiedlichen Bestellungsvoraussetzungen bestehende Ungleichheit ist sachlich gerechtfertigt.

Im Verhältnis zu den vor dem 3. Oktober 1990 in Berlin (Ost) zugelassenen Anwaltsnotaren in eigener Praxis besteht der Differenzierungsgrund der Rechtssicherheit. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat (Beschl. vom 29. März 1993 NotZ 19/92 = BGHR BNotO § 4 Abs. 1 a.F. Bedürfnisprüfung 2), war die Bestellung dieses Personenkreises zu Anwaltsnotaren zur Herstellung der Rechtseinheit im Land Berlin gerechtfertigt; auch hatten diese Anwaltsnotare bereits eine berufliche Position erlangt, deren Fortbestand jedenfalls zulässig, wenn nicht gar durch Art. 12 Abs. 1 GG geboten war. Die vom Antragsteller vorgebrachten Bedenken gegen die Praxis der Bestellungen vor dem 3. Oktober 1990 ändern daran nichts, da nach Art. 19 des Einigungsvertrages vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR einer Überprüfung grundsätzlich entzogen sind.

Im Verhältnis zu den vor dem 3. Oktober 1990 in der DDR und seither in den neuen Bundesländern bestellten Notaren in eigener Praxis stellt der Unterschied der Notariatsformen einen ausreichenden Differenzierungsgrund dar. Daß sich der Gesetzgeber bezüglich der neuen Bundesländer für das Nurnotariat, hinsichtlich des Teils des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bis dahin nicht galt, für das Anwaltsnotariat entschieden hat, entspricht der von der Bundesnotarordnung vorgegebenen Existenz verschiedener Notariatsformen und ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 17, 381 ff.). Wie in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt ist, ermöglicht die Beschränkung der Tätigkeit auf das Notariat eine beschleunigte Kompensation vorhandener Ausbildungsdefizite.

3. Der angefochtene Bescheid verletzt den Antragsteller auch nicht in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Er hat sowohl die Möglichkeit, die fehlende Qualifikation nachzuholen, als auch sich mit seiner vorhandenen Qualifikation, sofern diese den gesetzlichen Anforderungen genügt, um eine freie Notarstelle in den neuen Bundesländern zu bewerben. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Belange von Bewerbern um ein Notaramt nur im Rahmen der - verfassungsrechtlich unbedenklichen - gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Bestellung.

Ende der Entscheidung

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