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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.11.2002
Aktenzeichen: PatAnwZ 1/02
Rechtsgebiete: ZPO, PAO


Vorschriften:

ZPO § 915
PAO § 153 Abs. 1
PAO § 21 Abs. 2 Nr. 8
PAO § 21 Abs. 2 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

PatAnwZ 1/02

vom

4. November 2002

in dem Verfahren

Der Bundesgerichtshof, Senat für Patentanwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, den Richter Prof. Dr. Jestaedt sowie die Patentanwälte Dipl. Ing. Prof. Gramm und Dipl. Phys. von Rohr

nach mündlicher Verhandlung

am 4. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Patentanwaltssachen bei dem Oberlandesgericht München vom 21. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde am 10. Mai 1990 mit Kanzleisitz in S. in die Liste der Patentanwälte in der früheren DDR eingetragen. Derzeit ist der Antragsteller in A. wohnhaft.

Laut Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis erging gegen den Antragsteller am 10. Dezember 1999 Haftbefehl zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, das zu einem Strafverfahren gegen den Antragsteller vor dem Amtsgericht S. mit dem Vorwurf der Untreue wegen Nichtweiterleitung von Mandantengeldern an das Patentamt geführt hat, wurden am 13. und 15. September 2000 Räumlichkeiten des Antragstellers in S. und in Z. durchsucht. Im Durchsuchungsbericht wurde unter Beifügung von Lichtbildern unter anderem festgehalten, daß sich zahlreiche private und die patentanwaltliche Tätigkeit des Antragstellers betreffende Unterlagen in ungeordnetem und "chaotischem" Zustand befanden, darunter auch ungeöffnete Briefe des Patentamts.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2001 hat der Antragsgegner die Zulassung des Antragstellers zur Patentanwaltschaft unter Berufung auf § 21 Abs. 2 Nr. 7 und Nr. 8 PAO widerrufen. Zur Begründung wurde angeführt, der Antragsteller sei in Vermögensverfall geraten, was im Hinblick auf seine Eintragung im Schuldnerverzeichnis zu vermuten sei. Ferner habe er seine Kanzlei im Geltungsbereich des Gesetzes aufgegeben, da ein Kanzleibetrieb, der den ordnungsgemäßen Verkehr mit den Rechtsuchenden sowie mit Gerichten und Behörden gewährleiste, ersichtlich nicht mehr unterhalten werde.

Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht M. im angefochtenen Beschluß, der dem Antragsteller am 22. Februar 2002 zugestellt wurde, zurückgewiesen. Es hat insbesondere ausgeführt:

Der Antragsteller habe nichts vorgetragen, was die auf seiner Eintragung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts S. mit Haftanordnung beruhende Vermutung, er sei in Vermögensverfall im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 8 PAO geraten, entkräften könne. Nach den getroffenen Feststellungen könne auch nicht ausgeschlossen werden, daß die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet seien; dies werde durch die Ergebnisse der gegen den Antragsteller wegen Untreueverdachts geführten Ermittlungen bestätigt.

Auch die Widerrufsvoraussetzung des § 21 Abs. 2 Nr. 7 PAO sei erfüllt. Schon die Tatsache, daß ihm Schriftverkehr an seine Wohnanschrift im Bereich A. zugeleitet werden solle, lasse darauf schließen, daß er keine Kanzlei mehr in S. (oder dem benachbarten Z. ) führe. Er habe nichts zu einer Verlegung oder einem Neuaufbau seiner Kanzlei dargelegt. Im übrigen zeige das Ergebnis der Durchsuchungen vom 13. und 15. September 2000, daß keine Räumlichkeiten des Antragstellers anzutreffen gewesen seien, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kanzlei auch nur annäherungsweise genügten.

Mit seinem am 7. März 2002 beim Oberlandesgericht eingegangenen, als sofortige Beschwerde zu behandelnden "Einspruch" gegen diesen Beschluß verfolgt der Antragsteller sein Begehren auf Aufhebung des Widerrufs seiner Zulassung weiter. Eine schriftliche Begründung seines Rechtsmittels in der Sache hat er innerhalb der ihm hierzu gesetzten, zuletzt bis zum 20. Juli 2002 verlängerten Frist nicht vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde er zu seiner Beschwerde angehört.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 38 Abs. 1 Nr. 4 PAO). Sie ist in der Sache jedoch nicht begründet. Der Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Patentanwaltschaft und die hierzu im angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichts angestellten Überlegungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

1. Zutreffend hat der Antragsgegner den Widerruf der Zulassung des Antragstellers auf § 21 Abs. 2 Nr. 8 PAO gestützt, da aufgrund des gegen ihn am 10. Dezember 1999 ergangenen Haftbefehls des Amtsgerichts S. zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 901 ZPO) eine Eintragung in das gemäß § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis erfolgt ist und daher der Vermögensverfall des Antragstellers zu vermuten ist. Eine Widerlegung dieser Vermutung hätte einer umfassenden Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers bedurft, insbesondere einer Aufstellung aller gegen ihn erhobener Forderungen und seiner laufenden Einkünfte (vgl. dazu Feuerich, PAO, Rdn. 7 zu § 21; siehe auch BGH, Beschl. v. 25. März 1991 - AnwZ (B) 80/90 - NJW 1991, 2083 betreffend die entsprechende Regelung für Rechtsanwälte). Obwohl der Antragsteller im Verfahren mehrfach, zuletzt auch im vorliegenden Beschwerderechtszug, auf dieses Erfordernis hingewiesen wurde, ist er diesen Darlegungs- und Mitwirkungspflichten (vgl. § 32 a Abs. 2 PAO) nicht nachgekommen. Daher verbleibt es bei der Vermutung des Vermögensverfalls; Anhaltspunkte dafür, daß ausnahmsweise die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (vgl. hierzu Feuerich, PAO, aaO), sind nicht ersichtlich.

2. Das Oberlandesgericht hat auch zu Recht den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 7 PAO bejaht.

Dabei mag dahinstehen, ob - wie im angefochtenen Beschluß ausgeführt ist - bereits deshalb anzunehmen ist, daß der Antragsteller seine Kanzlei in S. (oder im benachbarten Z. ) aufgegeben hat, weil er im vorliegenden Verfahren um Zusendung des Schriftverkehrs an seinen jetzigen Wohnsitz (zunächst G. bei A. , nunmehr A. selbst) gebeten und eine Verlegung oder einen Neuaufbau der Kanzlei nicht behauptet hat.

Denn eine Kanzleiaufgabe liegt auch dann vor, wenn die formell weiterbestehende Kanzlei (hier etwa in S. ) die an sie zu stellenden Mindestanforderungen nicht mehr erfüllt (vgl. Feuerich, PAO, Rdn. 6 zu § 21 mit Hinweis auf BGH, Beschluß vom 27. Juni 1983, AnwZ (B) 8/83, BRAK-Mitt. 1983, 190). Das Oberlandesgericht hat zutreffend auf der Grundlage der über die Durchsuchungen in den Räumlichkeiten des Antragstellers in S. und Z. am 13. und 15. September 2000 erstellten Berichte (einschließlich der gefertigten Lichtbilder) festgestellt, daß von einer Einrichtung und Ausstattung, die den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Patentanwaltskanzlei auch nur annäherungsweise genügen könnte, angesichts des als "chaotisch" bezeichneten Zustandes nicht mehr die Rede sein konnte. Allerdings gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vor einem Widerruf den Patentanwalt zunächst mit geringeren Maßnahmen (wie zum Beispiel einer Belehrung nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 PAO) zur Erfüllung seiner Kanzleipflicht zu bewegen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 12. Februar 1986 - 1 BvR 1770/83 - NJW 1986, 1801 f. = BVerfGE 72, 26 ff.). Insoweit ist vorliegend aber zu bedenken, daß der Antragsteller, der bereits mit Schreiben des Patentamts vom 29. März 2001 eingehend auf die in Rede stehende Problematik hingewiesen wurde, weder im behördlichen Widerrufsverfahren noch im Rahmen seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung und auch nicht im vorliegenden Beschwerderechtszug zu den genannten erheblichen Mängeln Stellung genommen hat, wegen deren von der Unterhaltung einer den zu stellenden Anforderungen entsprechenden Kanzlei - auch unter Berücksichtigung seiner Erklärungen in der mündlichen Verhandlung - nicht mehr ausgegangen werden kann. Es ist in keiner Weise zu ersehen, daß der Antragsteller in der Lage ist, seinen diesbezüglichen Pflichten künftig nachzukommen. Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen eines Widerrufs gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 7 PAO erfüllt.

3. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers war daher mit der Kostenfolge entsprechend § 153 Abs. 1 PAO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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