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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: V ZB 101/08
Rechtsgebiete: ZVG


Vorschriften:

ZVG § 27 Abs. 2
ZVG § 84 Abs. 1
ZVG § 100 Abs. 2
ZVG § 100 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat

am 22. Januar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,

den Richter Dr. Klein,

die Richterin Dr. Stresemann und

die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 6. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 371.319,73 EUR.

Gründe:

Auf Antrag der E. AG (im Folgenden: Zedentin) ordnete das Vollstreckungsgericht im Mai 2004 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks der Beteiligten zu 3 (Schuldnerin) aus einer in Abteilung III Nr. 2 eingetragenen Grundschuld an. Den Verkehrswert setzte das Vollstreckungsgericht auf 544.000 EUR fest. Die Beteiligte zu 1 erwarb im Verlauf des Verfahrens unter anderem diese Grundschuld durch Abtretung und betrieb die Zwangsversteigerung weiter.

Die Beteiligte zu 2 ist Inhaberin nachrangiger Grundschulden. Sie beantragte im Februar 2007 die Zulassung des Beitritts zum Zwangsversteigerungsverfahren wegen ihrer Ansprüche aus einer in Abt. III Nr. 5 eingetragenen Grundschuld. Das Vollstreckungsgericht, das im Juni 2007 Termin zur Versteigerung auf den 10. Januar 2008 bestimmt hatte, ließ mit Beschluss vom 8. Januar 2008 den Beitritt der Beteiligten zu 2 zu dem anhängigen Verfahren zu.

Das Vollstreckungsgericht stellte in dem Termin fest, dass das Verfahren von der Beteiligten zu 1 betrieben werde, und gab den Anwesenden die weiteren Anmeldungen, unter anderem der Beteiligten zu 2, bekannt. Meistbietende blieb die Beteiligte zu 4 mit einem Gebot von 329.871 EUR. Ihr erteilte das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2008 den Zuschlag.

Die von dem Ehemann der Beteiligten zu 3 in deren Namen erhobene Zuschlagsbeschwerde, die auf die verspätete Entscheidung über den Beitrittsantrag der Beteiligten zu 2 gestützt worden ist, hat das Landgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beteiligte zu 3 Ihren Antrag weiter, den Zuschlag zu versagen.

Das Beschwerdegericht meint, da eine Zuschlagsbeschwerde gemäß § 100 Abs. 2 ZVG nicht auf Gründe gestützt werden könne, die Rechte anderer beträfen, könne der Schuldner auch keine mittelbare Beeinträchtigung aus der Verletzung von Rechten Dritter für sich in Anspruch nehmen, weil ggf. durch Abgabe eines höheren Gebotes ein Überschuss zu seinen Gunsten erzielt worden wäre. Davon sei hier allerdings angesichts der massiven Belastung des Versteigerungsgegenstandes auch nicht auszugehen, zumal die Beteiligte zu 3 dazu nicht einmal ansatzweise etwas vorgetragen habe.

Für eine Verletzung eigener Rechte der Beteiligten zu 3 und sich daraus ergebender Versagungsgründe nach § 100 Abs. 1 ZVG sei ebenfalls nichts vorgetragen. Das geringste Gebot sei ordnungsgemäß nach §§ 43, 44 ZVG auch unter Berücksichtigung der Rechte der Beteiligten zu 2 festgestellt worden, und das Meistgebot der Beteiligten zu 4 habe die 7/10 Grenze nach § 74a Abs. 1 ZVG erreicht.

Schließlich lägen auch keine nach § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu berücksichtigenden Versagungsgründe vor.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft.

2.

Sie ist auch zulässig. Die Rechtsbeschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist gewahrt. Zwar ist die Rechtsbeschwerdeschrift erst am 28. Juli 2008 bei dem Bundesgerichtshof eingegangen, während die Beschwerdeentscheidung bereits am 24. Juni 2008 der Beteiligten zu 3 zugestellt worden war.

Diese Zustellung verstieß jedoch gegen § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach in einem anhängigen Verfahren die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten vorgeschrieben ist. Eine Zustellung unter Verstoß gegen diese Bestimmung ist unwirksam und setzt eine Rechtsmittelfrist nicht in Lauf (BGHZ 61, 308, 310 ; BGH, Beschl. v. 28. November 2006, VIII ZB 52/06, NJW-RR 2007, 356). Das gilt auch in Verfahren der Zwangsvollstreckung, wenn der Schuldner seinen Ehegatten für das Verfahren bevollmächtigt hat (OLG Zweibrücken Rpfleger 2001, 558) und das dem Gericht zur Kenntnis gebracht worden ist (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 28. November 2006, VIII ZB 52/06, aaO). Letzteres ist hier durch die Anzeige der Bevollmächtigung ihres Ehemannes durch die Beteiligte zu 3 an das Gericht geschehen.

Da eine förmliche Zustellung an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3 gemäß § 166 Abs. 1 ZPO nicht erfolgt ist, kann die Rechtsmittelfrist frühestens nach § 189 ZPO mit dem tatsächlichen Zugang der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde bei dem Ehemann der Schuldnerin zu laufen begonnen haben. Dieser erfolgte nach dessen Erklärung durch Einlegung in dessen Postfach am 28. Juni 2008, so dass im Falle einer Heilung des Zustellungsmangels in diesem Zeitpunkt die Rechtsbeschwerdefrist eingehalten ist.

3.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

a)

Eine Zuschlagsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse an der Aufhebung der Zuschlagsentscheidung hat. Daran fehlt es, wenn nur die Rechte eines anderen beeinträchtigt worden sind, oder wenn feststeht, dass sich der gerügte Verfahrensverstoß auf das Recht des Beschwerdeführers nicht ausgewirkt hat (Senat, Beschl. v. 20. Juli 2006, V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143).

Eine Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die allein mit der Verletzung der Rechte eines Gläubigers begründet wird, ist schon deshalb unzulässig, weil dieses Rechtsmittel nach § 100 Abs. 2 ZVG nicht auf einen Grund gestützt werden kann, der nur das Recht eines anderen betrifft. So ist es hier, soweit die Beteiligte zu 3 ihre Beschwerde auf eine Verletzung der Rechte der Beteiligten zu 2 durch die verspätete Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über deren Antrag nach § 27 Abs. 1 ZVG auf Zulassung des Beitritts gestützt hat.

aa)

Die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über den ihm bereits lange vorliegenden Beitrittsantrag der Beteiligten zu 2 erst zwei Tage vor dem Versteigerungstermin hatte allerdings zur Folge, dass die Beteiligte zu 2 trotz des ergangenen Beitrittsbeschlusses in dem Termin nicht gemäß § 27 Abs. 2 ZVG dieselbe Rechtsstellung erlangt hatte, wie wenn die Versteigerung auch auf ihren Antrag rechtzeitig angeordnet worden wäre (vgl. dazu BGH, Urt. v. 31. Mai 1988, IX ZR 103/87, Rpfleger 1988, 543). Die Versteigerung wurde wegen Nichteinhaltung der in § 43 Abs. 2 ZVG bestimmten Zustellungsfrist für den Beitrittsbeschluss nicht (auch) für die Beteiligte zu 2, sondern nur für die Beteiligte zu 1 durchgeführt (vgl. dazu Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/ Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 43 Rdn. 7; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 43 Rdn. 6.1).

bb)

Der Schuldner kann allein aus der Verletzung von Rechten eines Gläubigers im Verfahren kein eigenes Beschwerderecht herleiten. Die Befugnisse, die das Zwangsversteigerungsgesetz den Beteiligten gewährt, sind Individualrechte. Ihre Verletzung muss von den jeweils Betroffenen gerügt werden (Motive zum Entwurf eines ZVG von 1889, S. 251; Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 100 Rdn. 6). § 100 Abs. 2 ZVG ergänzt zugleich die Regelung in § 84 Abs. 1 ZVG, welche die in § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG genannten Versagungsgründe ausdrücklich zur Disposition des davon beeinträchtigten Beteiligten stellt, als dieser das fehlerhafte Verfahren genehmigen kann (dazu Denkschrift zum ZVG von 1897, S. 57). Der von einer Verletzung seiner Rechte betroffene Beteiligte kann das Verfahren auch dadurch billigen, dass er keine Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss einlegt. Er wird dann so gestellt, als habe er sich mit der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts einverstanden erklärt (Korintenberg/Wenz, ZVG, 6. Aufl., § 100 Anm. 4).

cc)

Daran ist auch unter Berücksichtigung des Hinweises der Rechtsbeschwerde festzuhalten, dass die Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes im Hinblick auf das Grundrecht des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG so auszulegen sind, dass das Verfahren fair zu führen und der Schuldner vor einer Verschleuderung seines Grundbesitzes zu schützen ist (vgl. BVerfGE 46, 325, 333 ; BGH, Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 196/03, WM 2004, 901, 902).

Die Chance, dass ein Gläubiger nach dem Beitritt seinerseits vermehrt Interessenten werben und sich daher in einem neuen Termin wahrscheinlich ein besseres Versteigerungsergebnis einstellen wird, vermag ein Recht des Schuldners, mit der Zuschlagsbeschwerde auch die Verletzung von Gläubigerrechten geltend zu machen, nicht zu begründen. Der aus Art. 14 Abs. 1 GG gebotene Schutz des Schuldners vor einer Verschleuderung seines Eigentums rechtfertigt keine Durchbrechung der gesetzlichen Anordnung in § 100 ZVG, die bei den mit der Zuschlagsbeschwerde geltend zu machenden Gründen ausdrücklich zwischen den auf der Verletzung eigener Rechte beruhenden (Absatz 1), den sich aus der Verletzung der Rechte anderer sich ergebenden (Absatz 2) und den von Amts wegen zu berücksichtigenden (Absatz 3) Zuschlagsversagungsgründen unterscheidet. Die von der Rechtsbeschwerde propagierte Befugnis des Schuldners, alle - auch die sich aus der Verletzung von Rechten anderer ergebenden - Zuschlagsversagungsgründe mit der Beschwerde geltend zu machen, führte zu einer Verzögerung der Verfahren zum Nachteil der anderen Beteiligten (Gläubiger und Ersteher), jedoch nicht zu einem allgemeinen Vorteil für den Schuldner durch ein besseres Versteigerungsergebnis, da ein neuer Termin nicht zu einem höheren Meistgebot führen muss.

b)

Ein eigenes Beschwerderecht nach § 100 Abs. 1 ZVG wegen der Verletzung des Rechts eines anderen Beteiligten steht dem Schuldner allerdings - aber auch nur dann - zu, wenn diese Verletzung mittelbar auch zu einer Beeinträchtigung seiner rechtlich geschützten und nicht nur wirtschaftlichen Interessen geführt hat (KG Rpfleger 1977, 146; Korintenberg/Wenz, aaO, § 100 Anm. 4; Reinhard/Müller, ZVG, 3. u. 4. Aufl., § 100 Anm. III.3; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 100 Rdn. 18).

aa)

Das ist zwar nicht von vornherein auszuschließen. Solche mittelbaren Beeinträchtigungen rechtlich geschützter Interessen des Schuldners infolge der Verletzung von Gläubigerrechten sind denkbar (vgl. Korintenberg/Wenz, aaO, § 84 Anm. 2 b; Reinhard/Müller, aaO, § 100 Anm. III.3). Ob eine solche mittelbare Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen des Schuldners durch eine verfahrensfehlerhafte Nichtbeachtung von Gläubigerrechten vorliegt, kann jedoch nur im Einzelfall festgestellt werden. Dafür müssen konkrete Anhaltpunkte vorliegen, die - soweit sie nicht schon aus dem Akteninhalt ersichtlich sind - von dem Beschwerdeführer vorzutragen sind (OLGR Celle 1997, 147, 148).

bb)

Gemessen daran, ist der angegriffene Beschluss nicht zu beanstanden. Nach den Ausführungen des Beschwerdegerichts über die richtige Berechnung des geringsten Gebots (§§ 43, 44 ZVG) und eines über der 7/10 Grenze (§ 74a Abs. 1 ZVG) liegenden Versteigerungserlöses ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine mittelbare Verletzung eigener rechtlich geschützter Interessen der Beteiligten zu 3 durch die verspätete Zulassung des Beitritts der Beteiligten zu 2. Zu einer Verletzung eigener Rechte hat die Beteiligte zu 3 nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nichts vorgetragen; die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Verfahrensrügen.

c)

Schließlich liegt eine Verletzung der nach § 100 Abs. 3 ZVG im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden Zuschlagsversagungsgründe nach § 83 Nr. 6, 7 ZVG nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ebenfalls nicht vor.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.).

Der Gegenstandswert ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen, dessen Aufhebung beantragt ist. Dessen Wert ist nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG zu bemessen, der sich aus dem Bargebot und dem Wert des bestehen bleibenden Rechts ergibt (vgl. Senat, Beschl. v. 5. Oktober 2006, V ZB 168/05, AGS 2007, 99, 100).

Ende der Entscheidung

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