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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: V ZB 118/06
Rechtsgebiete: ZVG


Vorschriften:

ZVG § 83 Nr. 6

Entscheidung wurde am 24.09.2007 korrigiert: unter III. 3. a) muß es im ersten Satz statt "(Senat, Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 118/06, ..." richtig "(Senat, Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, ..." heißen
Hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag im ersten Termin nach § 85a Abs. 1 ZVG - ohne dass dies angefochten worden ist - versagt, obwohl es das Gebot wegen Rechtsmissbrauchs nach § 71 Abs. 1 ZVG hätte zurückweisen müssen, so richtet sich das weitere Verfahren nicht danach, wie bei richtiger Beurteilung zu verfahren gewesen wäre, sondern nach der formell rechtskräftig gewordenen, wenn auch falschen Zwischenentscheidung.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB 118/06 vom

5. Juli 2007

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 28. Juli 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Ausspruch über die Wirkungen der Versagung des Zuschlags, über die Voraussetzungen zur Fortsetzung des Verfahrens und über die Wertgrenzen entfallen.

Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 35.000 €.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung in das im Eingang des Beschlusses bezeichnete Grundstück der Beteiligten zu 1.

Das Vollstreckungsgericht hat den Verkehrswert des Grundstücks auf 100.000 € festgesetzt. In dem ersten Versteigerungstermin gab nur die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 2 im eigenen Namen ein Gebot von 5.000 € ab. Das Vollstreckungsgericht versagte den Zuschlag gemäß § 85a Abs. 1 ZVG. In dem zweiten Versteigerungstermin gab allein die Beteiligte zu 4 ein Gebot von 35.000 € ab und blieb damit Meistbietende. Das Vollstreckungsgericht erteilte ihr den Zuschlag.

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den Zuschlagsbeschluss aufgehoben, der Beteiligten zu 4 den Zuschlag auf ihr Meistgebot versagt und festgestellt, dass dem die Wirkung einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens zukomme, das nur auf Antrag fortgesetzt werden könne, und dass die in §§ 74a, 85a ZVG bestimmten Wertgrenzen fortbestünden. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 2 die Wiederherstellung des Zuschlagsbeschlusses.

II.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen. Die von Amts wegen nach §§ 85a Abs. 2, 74a Abs. 3 Satz 1 ZVG vorgenommene Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sei unzulässig gewesen. Das von der Terminsvertreterin im ersten Termin abgegebene Gebot sei nämlich unwirksam gewesen und hätte daher von dem Vollstreckungsgericht nach § 71 Abs. 1 ZVG mit der Folge der Einstellung (§ 77 Abs. 1 ZVG) zurückgewiesen werden müssen. Die Terminsvertreterin der Beteiligten zu 1 sei - wie die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben habe - am Erwerb nicht interessiert gewesen und habe das Gebot nur abgegeben, um in einem Folgetermin zuschlagsfähige Gebote Dritter zu ermöglichen. Nur auf Antrag eines das Verfahren betreibenden Gläubigers habe es fortgesetzt werden dürfen. Ein solcher Antrag sei indes nicht gestellt worden. Die Versteigerung des Grundstücks in dem Folgetermin sei daher unzulässig gewesen, weshalb der Zuschlag auf das im zweiten Termin von der Beteiligten zu 4 abgegebene Gebot gem. § 83 Nr. 6 ZVG versagt werden müsse.

Die Versagung des Zuschlags wirke gem. § 86 ZVG wie eine einstweilige Einstellung des Verfahrens. Da der zweite Termin nicht hätte stattfinden dürfen, gälten die Wertgrenzen nach §§ 74a und 85a ZVG in einem neuen, auf Antrag eines der das Verfahren betreibenden Gläubigers zu bestimmenden Termins fort. Diese Rechtsfolgen seien aus Gründen der Klarstellung in dem Beschlusstenor festzustellen.

III.

Die Rechtsbeschwerde bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat aufgrund der getroffenen Feststellungen das im ersten Termin im eigenen Namen abgegebene Gebot der Terminsvertreterin der Beteiligten zu 2 zu Recht als unwirksam angesehen, weil es ausschließlich zu dem Zweck abgegeben wurde, die Wertgrenze des § 85a Abs. 1 ZVG in einem neuen Versteigerungstermin zu Fall zu bringen. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, NJW 2006, 1355 f.), die er, gestützt nun auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs, jüngst bestätigt hat (Beschluss vom 10. Mai 2007, V ZB 83/06, Umdruck S. 6 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Auf die Begründung dieser Entscheidung, die sich eingehend mit der in Rechtsprechung und Literatur geäußerten und von der Rechtsbeschwerde aufgegriffenen Kritik auseinandersetzt, wird verwiesen.

2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Beschwerdegericht nicht gehindert, die Unwirksamkeit des in dem ersten Termin abgegebenen Gebots festzustellen, obwohl der auf § 85a Abs. 1 ZVG gestützte Zuschlagsversagungsbeschluss nicht angefochten und damit - jedenfalls formell - rechtskräftig geworden war. Die Frage nach der Bindungswirkung dieses Versagungsbeschlusses, deretwegen das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, hat der Senat inzwischen beantwortet. Danach besteht eine solche Bindungswirkung nicht. Nach § 79 ZVG ist das Beschwerdegericht vielmehr verpflichtet, im Rahmen einer Zuschlagsbeschwerde die Rechtmäßigkeit des gesamten Verfahrens zu überprüfen. Die Anfechtbarkeit einzelner Zwischenentscheidungen steht dem nicht entgegen (Senat, Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, Umdruck S. 23, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vgl. auch schon Senat, Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, NJW-RR 2007, 194, 197 f.). Auf die Ausführungen dort wird Bezug genommen.

3. Das führt allerdings entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht zu einer Versagung des Zuschlags wegen eines Verfahrensfehlers nach § 86 Nr. 6 ZVG, weil das Vollstreckungsgericht den zweiten Termin nicht von Amts wegen hätte bestimmen dürfen, sondern nur auf Antrag eines das Verfahren betreibenden Gläubigers (§ 31 Abs. 1 Satz 1 ZVG).

a) Zutreffend ist, dass das Vollstreckungsgericht das rechtsmissbräuchliche Gebot in dem ersten Termin nach § 71 Abs. 1 ZVG hätte zurückweisen müssen (Senat, Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, Umdruck S. 21, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Nach fehlerhafter Zulassung hätte es den Zuschlag mangels Wirksamkeit des Gebots versagen müssen (Senat, aaO). Wäre es so verfahren, hätte dies zur Folge gehabt, dass das Verfahren entweder wegen Mangels an Geboten nach § 77 Abs. 1 ZVG einzustellen oder infolge der Versagung des Zuschlages nach § 86 ZVG als einstweilen eingestellt anzusehen gewesen wäre und nur auf einen Antrag eines betreibenden Gläubigers nach § 31 Abs. 1 ZVG hätte fortgesetzt werden dürfen. Für das Vollstreckungsgericht richtet sich das weitere Verfahren aber nicht danach, wie bei richtiger Beurteilung zu verfahren gewesen wäre, sondern nach den formell rechtskräftig gewordenen, wenn auch falschen, Zwischenentscheidungen (vgl. Reinhard/Müller, ZVG, 8. Aufl., § 86 Rdn. 1; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 79 Rdn. 4.5). Es durfte daher von Amts wegen einen neuen Termin bestimmen.

b) Die Versagung des Zuschlags durch das Beschwerdegericht ist aber durch § 85a Abs. 1 ZVG gerechtfertigt. Wegen des unwirksamen Gebots im ersten Termin galt die dem Schutz des Schuldners dienende Wertgrenze fort. Das Meistgebot der Beteiligten zu 4 erreichte diese Grenze nicht. Die Folge ist, dass nach §§ 74a Abs. 3, 85a Abs. 2 ZVG von Amts wegen ein neuer Versteigerungstermin zu bestimmen ist, für den nunmehr die Grenze des § 85a Abs. 1 ZVG nicht mehr gilt (§ 85a Abs. 2 Satz 2 ZVG).

c) Als rechtsfehlerhaft aufzuheben sind folglich die aus Gründen der Klarstellung in den Tenor aufgenommenen Aussagen, dass die Versagung des Zuschlags die Wirkung einer einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens hat, dieses nur auf Antrag der Beteiligten zu 2 oder zu 3 fortgesetzt wird und die Wertgrenzen der §§ 74a Abs. 1 und 85a Abs. 1 fortbestehen.

V.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und eines sich hieran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahrens in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilpro-zessordnung gegenüberstehen. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs, 1 ZPO entgegen (Senat, Beschl. v. 25. Januar 2007, V ZB 125/05, Rdn. 7, WM 2007, 947; Beschl. v. 15. März 2007, V ZB 95/06, Rdn. 10 m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt). Der Wert der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen, dessen Erteilung die Beteiligte zu 2 erstrebt. Er entspricht damit dem Meistgebot der Beteiligten zu 4 (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG).



Ende der Entscheidung

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