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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: V ZB 142/08
Rechtsgebiete: GKG, ZVG


Vorschriften:

GKG § 54 Abs. 1
ZVG § 10 Abs. 1
ZVG § 74a Abs. 5
a) Über einen Beitritt einer Wohnungseigentümergemeinschaft in der Rangklasse nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG darf erst entschieden werden, wenn entweder der Einheitswertsbescheid nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG erfolgreich angefordert oder der Verkehrswert nach § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG festgesetzt ist.

b) Der nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG mitgeteilte Einheitswert ist für die Entscheidung über die Anordnung der Zwangsversteigerung oder einen Beitritt in der Rangklasse nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG verwertbar.


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 7. Mai 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,

die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch und

die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin werden die Beschlüsse der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. September 2008 und des Amtsgerichts Düsseldorf vom 11. August 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Juli 2008 die Zwangsversteigerung der eingangs bezeichneten Eigentumswohnung wegen Ansprüche der Gläubigerin auf Hausgeldrückstände in der Rangklasse nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG angeordnet. Den Antrag der Gläubigerin, ihren Beitritt zu diesem Verfahren in der Rangklasse nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG zuzulassen, hat es mit Beschluss vom 11. August 2008 zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Gläubigerin weiterhin die Zulassung ihres Beitritts in der Rangklasse nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG erreichen.

II.

Das Beschwerdegericht hält den Beitrittsantrag der Gläubigerin für unbegründet. Die Gläubigerin habe nicht nachgewiesen, dass ihre Forderung die Mindesthöhe von drei Prozent des Einheitswerts gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 ZVG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 2 WEG überschreite. Sie sei zwar außerstande, den Einheitswert des Versteigerungsobjekts nachzuweisen. Eine "Vermittlung des Vollstreckungsgerichts" komme aber nicht in Betracht. Es bestehe kein Anlass, den Wert für die Verfahrenskosten festzusetzen und dazu nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG das Finanzamt um Mitteilung des Einheitswerts zu ersuchen. Hinzu komme, dass die Ergebnisse einer Auskunft des Finanzamts nicht verwertbar wären.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1.

Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann einem eigenen Zwangsversteigerungsverfahren, das im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG betrieben wird, im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG beitreten (Senat , Beschl. v. 17. April 2008, V ZB 13/08, NJW 2008, 1956, 1958). Ein solcher Beitritt setzt nach § 10 Abs. 3 Satz 1 ZVG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 2 WEG voraus, dass die zu vollstreckende Forderung eine Mindesthöhe von drei Prozent des Einheitswerts des Vollstreckungsobjekts überschreitet. Das Überschreiten dieser Mindesthöhe ist in § 10 Abs. 3 Satz 1 ZVG als Zwangsversteigerungsvoraussetzung ausgestaltet und deshalb von dem Gläubiger in der Form des § 16 Abs. 2 ZVG nachzuweisen (Senat , Beschl. v. 17. April 2008, V ZB 13/08, aaO S. 1957). Eine dieser Form genügende Urkunde über den Einheitswert hat die Gläubigerin bislang nicht vorgelegt.

2.

Das Vollstreckungsgericht durfte den Beitritt dennoch nicht zurückweisen.

a)

Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Gläubigerin wie jede Wohnungseigentümergemeinschaft nach derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit hat, ohne Mitwirkung des Schuldners eine Bekanntgabe des Einheitswertsbescheids für die zu versteigernde Eigentumswohnung an sich zu erreichen. Eine solche Bekanntgabe setzt mangels Einwilligung des Schuldners ein zwingendes öffentliches Interesse voraus. Ein solches Interesse wird in der Finanzrechtsprechung bislang verneint (FG Düsseldorf ZWE 2009, 81, 83). Selbst der Umstand, dass damit das von dem Gesetzgeber angestrebte Ziel, der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Möglichkeit zu verschaffen, Hausgeldrückstände in der Zwangsversteigerung erfolgreich geltend zu machen (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze in BT-Drs. 16/887 S. 13, 43), leer zu laufen droht, soll daran nichts ändern (so ausdrücklich FG Düsseldorf aaO).

b)

Das bedeutet aber nicht, dass der erforderliche Nachweis in absehbarer Zeit nicht erbracht werden könnte und der Beitritt mangels Nachweises der Mindesthöhe der Forderung ohne weiteres zurückzuweisen wäre. Der Nachweis ist vielmehr (dazu unten IV. 3) durch eine Mitteilung des Finanzamts auf ein Ersuchen des Vollstreckungsgerichts nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG oder durch die Festsetzung des Verkehrswerts nach § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG möglich. Im Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens wird es in jedem Fall entweder zu der Mitteilung des Einheitswerts durch das Finanzamt oder zur Festsetzung des Verkehrswerts durch das Vollstreckungsgericht kommen.

c)

Damit steht aber fest, dass der erforderliche Nachweis im Verlaufe des Verfahrens geführt wird. Art und Umfang der Führung dieses Nachweises stehen auch nicht im Belieben der Wohnungseigentümergemeinschaft als Gläubigerin. Die Durchsetzung der ihr von dem Gesetzgeber zugedachten Rechte im Versteigerungsverfahren hängt vielmehr entscheidend von der Verfahrensweise des Vollstreckungsgerichts ab. Daran muss das Vollstreckungsgericht die Handhabung der Verfahrensvorschriften ausrichten. Das gilt nicht nur für den Schutz des Eigentums bei der Entscheidung über den Zuschlag (BVerfGE 49, 220, 235 ; 51, 150, 156 f. ; BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 27/04, ZfIR 2005, 295, 296). Diese Grundsätze sind vielmehr auch bei der Entscheidung über den Beitritt einer Wohnungseigentümergemeinschaft in der Rangklasse nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG zu beachten. Dazu ist die Entscheidung ü-ber den Beitritt (zum eigenen oder fremden Verfahren) im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG zurückzustellen, bis entweder das Finanzamt den Einheitswert mitgeteilt oder das Vollstreckungsgericht den Verkehrswert nach § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG festgesetzt hat.

d)

Im vorliegenden Fall ist weder ein Ersuchen an das Finanzamt nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG gerichtet noch der Verkehrswert festgesetzt worden. Über den Beitritt durfte deshalb nicht entschieden werden. Die Entscheidung ist bis dahin zurückzustellen.

IV.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Vielmehr kommt es auf den weiteren Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens an. Die Sache ist deshalb nicht an das Beschwerdegericht, sondern unmittelbar an das Vollstreckungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

1.

Das Vollstreckungsgericht kann entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts das Finanzamt nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG um Mitteilung des Einheitswerts ersuchen.

a)

Richtig ist zwar, dass gemäß § 7 Abs. 1 GKG mit Erlass der Anordnung der Zwangsversteigerung nur die nicht vom Wert abhängige Festgebühr für die Anordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach Nr. 2210 des Kostenverzeichnisses in Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (KV GKG) fällig wird (Satz 1 der Vorschrift). Die im Zwangsversteigerungsverfahren entstehenden wertabhängigen Gebühren nach Nr. 2211 bis 2216 KV GKG werden demgegenüber erst zu einem Zeitpunkt fällig, in dem der Verkehrswert nach § 74a Abs. 5 ZVG durch das Vollstreckungsgericht festgesetzt ist, der bei der Berechnung der Gebühren nach § 54 Abs. 1 Satz 1 GKG vorgeht.

b)

Das Beschwerdegericht hat aber übersehen, dass nach § 15 Abs. 1 GKG spätestens bei der Bestimmung des Versteigerungstermins ein Vorschuss in Höhe des Doppelten der - wertabhängigen - Gebühr für die Abhaltung eines Versteigerungstermins zu erheben ist. Schuldner des Vorschusses ist jeder betreibende Gläubiger (Meyer, GKG, 10. Aufl., § 26 Rdn. 3), auch der einem fremden Verfahren beitretende (Hartmann, KostG, 39. Aufl., § 26 GKG Rdn. 2).

Bei Bestimmung des Versteigerungstermins wird zwar eine Wertfestsetzung meist vorliegen (so Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 74a Rdn. 57), weil in der Terminsbestimmung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 ZVG unter anderem auch der Verkehrswert angegeben werden soll. Das bedeutet aber keineswegs, dass das Vollstreckungsgericht den Vorschuss vor diesem Zeitpunkt nicht anfordern dürfte. Es besteht im Gegenteil Einigkeit darüber, dass das Vollstreckungsgericht den Vorschuss sogar schon im Anordnungsverfahren (so: Meyer, aaO, § 15 Rdn. 3), jedenfalls aber nach Anordnung der Zwangsversteigerung (so: Hartmann, aaO, § 15 GKG Rdn. 1) nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 KostVfg, einfordern darf. Dies kann wegen der späten Fälligkeit der Gebührenansprüche schon kostenrechtlich zweckmäßig sein.

c)

Das Ergebnis einer Auskunft des Finanzamts wäre, anders als das Beschwerdegericht meint, im Versteigerungsverfahren auch verwertbar. Zwar wird dem Zweck des § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG das Verbot entnommen, die Mitteilung für andere Zwecke als die der Kostenberechnung zu verwenden (so: FG Düsseldorf ZWE 2009, 81, 83). Das führt aber nicht dazu, dass die Mitteilung über den Einheitswert im Rahmen von § 10 Abs. 3 ZVG unverwertbar wäre. Die Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG dient auch dazu, dem Vollstreckungsgericht die Anforderung eines Vorschusses zu ermöglichen. Außerdem schließt der Zweck des § 54 GKG die Erteilung einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Kostenrechnung mit ein. Ohne diese wäre die Vorschrift sinnlos. Aus der Kostenrechnung muss der Kostenschuldner aber bei wertabhängigen Gebühren und Vorschüssen auch entnehmen können, von welchem Wert das Vollstreckungsgericht ausgegangen ist. Das gilt erst recht, wenn er selbst keine Möglichkeit hat, diese Berechnungsgrundlage in Erfahrung zu bringen. Der Einheitswert darf der Wohnungseigentümergemeinschaft als Vorschussschuldnerin mitgeteilt werden. Unabhängig hiervon darf das Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung oder auf einen Beitritt zu einem Zwangsversteigerungsverfahren im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG nicht zurückweisen, wenn es weiß, dass die Wertgrenze überschritten ist.

3.

Unzutreffend ist schließlich die weitere Annahme des Beschwerdegerichts, bei Absehen von einem Ersuchen nach § 54 Abs. 1 Satz 4 GKG könne eine Wohnungseigentümergemeinschaft die Voraussetzungen für eine Anordnung der Zwangsversteigerung im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG oder einen Beitritt zu einem (eigenen oder anderen) Zwangsversteigerungsverfahren in diesem Rang nicht in der Form des § 16 Abs. 2 ZVG nachweisen. Der Nachweis kann vielmehr auch mit dem Beschluss des Vollstreckungsgerichts über den Verkehrswert nach § 74a Abs. 5 ZVG geführt werden (Senat , Beschl. v. 2. April 2009, V ZB 157/08, zur Veröff. bestimmt).

V.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Zwar können Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO auch im Zwangsversteigerungsverfahren anzuwenden sein. Das setzt aber voraus, dass bei dem zu entscheidenden Streit das Vollstreckungsrechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger im Vordergrund steht (Senat, BGHZ 170, 378, 381). Eine solche Fallgestaltung ist zwar bei dem Streit um die Anordnung des Verfahrens und auch bei einem Streit um den Beitritt zum Zwangsversteigerungsverfahren regelmäßig anzunehmen (Senat, aaO). Die Entscheidung über den Beitritt hängt hier aber entscheidend von der außerhalb des Vollstreckungsverhältnisses liegenden Frage ab, ob die Vollstreckungssumme die Wertgrenze des § 10 Abs. 3 ZVG überschreitet.

Ende der Entscheidung

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