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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: V ZB 188/08
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 72 Abs. 2
ZPO § 794 Abs. 1
ZPO § 795
a) Mit der Vollstreckungsabwehrklage wird nicht das Verfahren fortgesetzt, das zu dem Erlass des Vollstreckungstitels geführt hat, sondern ein eigenständiger neuer Rechtsstreit eingeleitet.

b) Die Zuständigkeitsregelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG gilt auch für die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil, mit dem über die gegen die Vollstreckung aus einem in einer Wohnungseigentumssache erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete Vollstreckungsabwehrklage entschieden wurde.


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 19. Februar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,

die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch,

die Richterin Dr. Stresemann und

den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.164,76 EUR.

Gründe:

I.

Die Beklagten betreiben gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung aus einem am 12. Juli 2007 in einem Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Die Vollstreckungsabwehrklage hat das Amtsgericht mit Urteil vom 25. März 2008 abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil es sich nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG für örtlich unzuständig gehalten hat.

Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Kläger die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses erreichen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2 Nr. 1, 575 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet.

1.

Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (siehe dazu Senat, BGHZ 151, 221, 223) . Es muss die Frage geklärt werden, ob die Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG auch für die Berufung gegen das Urteil eines Amtsgerichts gilt, mit welchem über eine Vollstreckungsabwehrklage entschieden wurde, die sich gegen die Vollstreckung aus einem in einem Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet.

2.

Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, denn es ist örtlich unzuständig.

a)

Nach § 23 Nr. 2 Buchst. c GVG sind die Amtsgerichte für Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG ausschließlich zuständig. Gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht in diesen Streitigkeiten ist für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat, das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht (§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG). Das ist hier das Landgericht Dresden.

b)

Die besondere Zuständigkeitsregelung gilt auch für Berufungen gegen Amtsgerichtsurteile, mit denen über Vollstreckungsabwehrklagen (§ 767 ZPO) entschieden wurde, die sich gegen die Vollstreckung aus in Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen richten.

aa)

Nach früherem Recht entschied über die in § 43 Abs. 1 WEG a.F. genannten Streitigkeiten das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück lag, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dieser Regelung lag das Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, Streitfälle innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft in möglichst weitgehendem Umfang dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen, weil dieses im Vergleich zum Zivilprozess einfacher, freier, elastischer, rascher und damit für Streitigkeiten mit einer häufig großen Anzahl von Beteiligten besser geeignet war; dementsprechend wurde die Zuständigkeitsbestimmung des § 43 Abs. 1 WEG a.F. weit ausgelegt, und es sprach im Zweifel eine Vermutung für die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte bei allen gemeinschaftsbezogenen Verfahrensgegenständen (Senat, BGHZ 152, 136, 141 f. m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass für die frühere Rechtslage angenommen wurde, für die Entscheidung über einen Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO analog, der sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem in einem Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtete, seien die Wohnungseigentumsgerichte zuständig (BayObLG WuM 1990, 621; OLG Frankfurt a.M. OLGR 2006, 758).

bb)

Daran hat sich durch die am 1. Juli 2007 in kraft getretene Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nichts geändert. Zwar werden die in § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG aufgeführten Wohnungseigentumssachen, die - mit Ausnahme der in Nr. 2 neu aufgenommenen Regelung - inhaltlich mit den in §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, 46a Abs. 1 Satz 2 WEG a.F. genannten übereinstimmen, nicht mehr im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern im Zivilprozess entschieden. Aber es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber damit an der Einordnung einer Streitigkeit als Wohnungseigentumssache etwas ändern wollte (Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 13 Rdn. 36). Deshalb ist die Zuständigkeitszuweisung in § 43 WEG - wie früher - weit auszulegen (Wenzel in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 43 Rdn. 30), um die Gefahr sich widersprechender oder unzutreffender Entscheidungen zu verringern und darüber hinaus sicherzustellen, dass mit spezieller Sachkunde ausgestattete Wohnungseigentumsgerichte bei allen gemeinschaftsbezogenen Verfahrensgegenständen entscheiden (siehe zu diesen Gesichtspunkten Senat, BGHZ 152, 136, 147) . Dass der Gesetzgeber diese Ziele mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nicht aufgegeben hat, wird besonders augenfällig in der Regelung des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG. Die Konzentration der Berufungen in den § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG genannten Wohnungseigentumssachen auf ein einziges Landgericht pro Oberlandesgerichtsbezirk soll nämlich die Qualität der Berufungsentscheidungen sichern (BT-Drucks. 16/887 S. 60).

cc)

Somit unterliegt die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO i.V.m. §§ 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 ZPO, mit welcher der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses erheben muss (Riecke/Schmid/Abramenko, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., § 50 Rdn. 12), denselben verfahrensrechtlichen Regelungen wie das Verfahren, in welchem der Vollstreckungstitel ergangen ist. Betraf dieses eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG, gilt für die Berufung gegen das in dem Vollstreckungsabwehrverfahren ergangene erstinstanzliche Urteil die besondere Zuständigkeitsregelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG.

c)

Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht führt die Übergangsregelung in § 62 Abs. 1 WEG nicht zur örtlichen Zuständigkeit des Berufungsgerichts. Zwar sind für die am 1. Juli 2007 bei Gericht anhängigen Verfahren in Wohnungseigentumssachen die Vorschriften des III. Teils des Wohnungseigentumsgesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden. Dies bedeutet, dass in diesen Verfahren nach §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG a.F., § 19 Abs. 2 FGG gegen erstinstanzliche Entscheidungen die sofortige Beschwerde zu dem für Rechtsmittel gegen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene Beschlüsse des Amtsgerichts örtlich zuständigen Landgericht das richtige Rechtsmittel ist; die besondere Zuständigkeitsregelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG kommt nicht zur Anwendung, denn sie betrifft nur Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG, die also im Zivilprozess ergangen sind, erfasst jedoch nicht Rechtsmittel gegen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidungen (OLG München NJW 2008, 859). Aber hier liegen die Dinge anders. Das Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage war am 1. Juli 2007 noch nicht bei dem Amtsgericht anhängig, denn der Kläger hat seine Klage erst am 25. Oktober 2007 erhoben. Mit ihr wurde nicht etwa das Kostenfestsetzungsverfahren, welches zu dem Vollstreckungstitel geführt hat, fortgesetzt, sondern ein eigenständiger und neuer Rechtsstreit eingeleitet (Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 767 Rdn. 3). Ziel der Klage nach § 767 ZPO ist nämlich der Anspruch, dass die Zwangsvollstreckung aus einem Titel unzulässig ist, nicht dagegen die Aufhebung des Titels oder die Feststellung, dass der titulierte Anspruch nicht oder nicht mehr bestehe; das der Vollstreckungsabwehrklage stattgebende Urteil lässt deshalb die materielle Rechtskraft des Titels unberührt (BGH, Urt. v. 20. September 1995, X ZR 220/94, NJW 1995, 3318 f.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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