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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: V ZB 55/07
Rechtsgebiete: ZVG, ZPO


Vorschriften:

ZVG § 10 Abs. 1
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 55/07

vom 27. September 2007

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 28. März 2007 und der Beschluss des Amtsgerichts Haldensleben vom 22. Dezember 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 225,64 €.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 betreibt seit dem 16. November 2005 die Zwangsversteigerung in das im Eingang dieses Beschlusses bezeichnete Grundstück der Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 2 beantragte mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 die Zulassung des Beitritts zu dem Verfahren; als bevorrechtigte Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG machte er den Restbetrag eines mit Bescheid vom 15. April 1997 festgesetzten Schmutzwasserbeitrag von 275,64 € und Säumniszuschläge seit Januar 2001 geltend. Die Fälligkeit des Beitrags trat laut Bescheid einen Monat nach seiner Bekanntgabe ein.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter.

II.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Antrag zurückzuweisen, weil der Schmutzwasserbeitrag im Mai 1997 fällig geworden und damit länger als vier Jahre rückständig sei, so dass er nicht in die Rangklasse 3 des § 10 Abs. 1 ZVG gehöre. Ein anderer Fälligkeitszeitpunkt komme nicht in Betracht, weil die Fälligkeitsbestimmung in dem Heranziehungsbescheid auf der seinerzeit geltenden Satzung des Beteiligten zu 2 beruhe. Daran ändere nichts, dass eine wirksame Satzung erst im Jahr 2003 in Kraft getreten sei. Der zulässige Austausch der Ermächtigungsgrundlage mit Inkrafttreten einer wirksamen Satzung ohne Neubescheidung führe nicht dazu, dass die der öffentlichen Last zugrunde liegenden Beiträge erstmals fällig würden. Der Austausch wirke vielmehr zurück mit der Folge, dass die öffentliche Last als von Anfang an bestehend anzusehen sei. Zwar habe der Beteiligte zu 2 nicht ausdrücklich vorgetragen, die wirksame Satzung im Jahr 2003 rückwirkend erlassen zu haben; die Berufung auf einen Austausch ergebe aber nur dann Sinn, wenn er von seiner Befugnis zum Erlass einer rückwirkenden Satzung Gebrauch gemacht habe. Dann könne es nur bei der ursprünglichen Fälligkeit verbleiben. Davon gehe der Beteiligte zu 2 bei der Berechnung der Säumniszuschläge selbst aus.

Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

III.

Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob bei der Berechnung des in § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG festgelegten Vierjahreszeitraums von dem Tag der ersten Beschlagnahme des Grundstücks, wie der Beteiligte zu 2 meint, oder von dem Tag des Zuschlags auszugehen ist. In beiden Fällen trat die Fälligkeit des Beitrags innerhalb des Zeitraums ein.

a) Zu Recht geht der Beteiligte zu 2 davon aus, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und damit die Beitragsfälligkeit u.a. eine wirksame Satzung voraussetzt (siehe für das Erschließungsbeitragsrecht nur BVerwGE 64, 218, 219; OVG Lüneburg NdsVBl. 1996, 68). Außer Frage steht, dass dieses Erfordernis im Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids am 15. April 1997 nicht erfüllt war, sondern dass erst die Abwasserabgabensatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung des Beteiligten zu 2 vom 22. September 2003 die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung schuf. Die Bestandskraft des Bescheids hat deshalb allenfalls zur Folge, dass die persönliche Haftung des Adressaten in Höhe des auferlegten Beitrags feststeht; die dingliche Haftung des Grundstücks (§ 6 Abs. 9 KAG-LSA) begründete er ab seinem Erlass jedoch nicht (vgl. Senat, Urt. v. 22. Mai 1985, V ZR 69/80, NJW 1981, 2127). Für die von dem Beschwerdegericht angenommene Rückwirkung dieser Satzung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Gebührenbescheids (vgl. zur Zulässigkeit der Rückwirkung, BVerwGE 50, 2, 7 f.) gibt es nämlich keine Anhaltspunkte. Nach der Regelung in § 33 ist die Satzung, welche der Beteiligte zu 2 dem Beschwerdegericht in einem Parallelverfahren vorgelegt hat, zwar rückwirkend, aber erst zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Das schließt das frühere Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und damit auch die frühere Fälligkeit des Beitrags aus.

b) Mit Erfolg macht der Beteiligte zu 2 geltend, dass die Beitragspflicht seit dem 1. Januar 2003 besteht. Ab diesem Zeitpunkt bildet die Satzung vom 22. September 2003 die Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung. Denn das Inkrafttreten dieser Satzung bewirkte, dass ein vorher erlassener, mangels Entstehens der Beitragspflicht zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wurde; die von dem Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit der nachträglichen Heilung von Beitragsbescheiden im Erschließungsbeitragsrecht (BVerwGE 64, 218, 220 ff.; NVwZ 1984, 435, 436; 1993, 979) gilt auch, wenn das nachträglich hinzugetretene, als Heilung in Betracht kommende Ereignis in dem Erlass einer gültigen Beitragssatzung besteht (BGH, Urt. v. 13. Oktober 1994, III ZR 24/94, DVBl. 1995, 109, 110; vgl. auch BVerwG aaO).

2. Das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht hat zur Folge, dass ab dem 1. Januar 2003 auch die auf dem Grundstück ruhende öffentliche Last (§ 6 Abs. 9 KAG-LSA) entstanden ist, denn sie ist ausschließlich von der sachlichen Beitragspflicht, und nicht von dem Beitragsbescheid abhängig (OVG Magdeburg VwRR MO 2000, 103, 105). Ein Befriedigungsrecht des Beteiligten zu 2 an dem Versteigerungsobjekt wegen des Schmutzwasserbeitrags besteht somit erst ab diesem Zeitpunkt. Der Vierjahreszeitraum (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG) ist deshalb in jedem Fall gewahrt. Legt man für seine Berechnung den Tag der ersten Beschlagnahme des Grundstücks zugrunde, ergibt sich das ohne weiteres, denn sie erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16. November 2005. Sieht man die Erteilung des Zuschlags als den maßgebenden Berechnungszeitpunkt an, gehört der Beitrag in die Rangklasse 3, wenn der Berechtigte innerhalb des Vierjahreszeitraums wegen seines Anspruchs auf Entrichtung des Beitrags die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt hat (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 10 Anm. 6.17 b). Diese Voraussetzung liegt hier vor, weil der Antrag auf Zulassung des Beitritts im Dezember 2006 bei dem Amtsgericht eingegangen ist und die Zulassung zugunsten des Beteiligten zu 2 als Beschlagnahme des Grundstücks gilt (§§ 20, 27 Abs. 2 ZVG).

3. Somit haben die Vorinstanzen zu Unrecht den Antrag des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Die angefochtenen Beschlüsse sind deshalb aufzuheben. Das Beschwerdegericht muss bei seiner erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Beitragsfälligkeit am 1. Januar 2003 über die Höhe der Säumniszuschläge befinden.

Ende der Entscheidung

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