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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: V ZB 8/05
Rechtsgebiete: ZwVwV (1970), BGB


Vorschriften:

ZwVwV (1970) § 24
ZwVwV (1970) § 24 Abs. 1 Satz 1
ZwVwV (1970) § 24 Abs. 2
ZwVwV (1970) § 25
BGB § 315 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 8/05

vom 2. Juni 2005

in dem Zwangsverwaltungsverfahren

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Zoll

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Zwangsverwalters wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluß der 2. Zivilkammer (Beschwerdekammer) des Landgerichts Stralsund vom 12. Juli 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Vergütung auf einen geringeren Betrag als (insgesamt) 92.756,51 € festgesetzt worden ist.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Vergütungsbeschluß des Amtsgerichts Greifswald vom 4. Juni 2003 abgeändert.

Die dem Zwangsverwalter zu gewährende Vergütung für das Kalenderjahr 2002 wird festgesetzt auf 79.962,51 €, die darauf entfallende Umsatzsteuer auf 12.794,00 €, insgesamt 92.756,51 €.

Dieser Betrag ist abzüglich der bereits erhaltenen Vorschüsse im Verfahren in Höhe von 61.355,04 € an den Verwalter auszuzahlen, der insoweit berechtigt ist, den Differenzbetrag von 18.607,47 € der Teilungsmasse zu entnehmen. Soweit die Masse hierzu nicht ausreicht, hat der Zwangsverwalter einen Anspruch gegen die Gläubiger.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin zu 61 %, der Zwangsverwalter zu 39 %. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 61.837,68 €.

Gründe:

I.

Mit Beschluß vom 10. August 1999 ordnete das Amtsgericht die Zwangsverwaltung über den im Grundbuch von G. , Blatt 00574, eingetragenen Grundbesitz des Schuldners an und bestellte den Beteiligten zu 1 zum Zwangsverwalter. Auf dem Grundstück befinden sich u.a. ein Hotel und weitere Gewerbeeinheiten, die durch Vermietung und Verpachtung genutzt werden.

Mit Beschluß vom 4. Juni 2003 hat das Amtsgericht die dem Zwangsverwalter für das Kalenderjahr 2002 zu gewährende Vergütung einschließlich Umsatzsteuer antragsgemäß auf 123.675,35 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht die Vergütung auf die Hälfte herabgesetzt (61.837,67 € einschließlich Umsatzsteuer). Dagegen wendet sich der Zwangsverwalter mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Wiederherstellung der Vergütungsfestsetzung des Amtsgerichts erstrebt.

Nach Wirksamwerden der Entscheidung des Beschwerdegerichts haben die Beteiligten in einem anderen zwischen ihnen schwebenden Verfahren am 18. April 2005 einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beteiligte zu 2 verpflichtet hat, die sofortige Beschwerde in dem vorliegenden Verfahren gegen den amtsgerichtlichen Beschluß zurückzunehmen. Mit Schriftsatz vom selben Tage hat die Beteiligte zu 2 die Rücknahme der sofortigen Beschwerde erklärt.

II.

Das Beschwerdegericht hält die Normalvergütung nach § 24 ZwVwV (1970) für angemessen. Eine davon nach oben abweichende Festsetzung nach § 25 ZwVwV (1970) sei nur gerechtfertigt, wenn individuelle, tätigkeitsbezogene Besonderheiten der Geschäftsführung im Einzelfall diese als besonders schwierig oder aufwendig erscheinen ließen und deshalb ein Mißverhältnis zur Regelvergütung entstünde. Solche Besonderheiten seien im konkreten Fall nicht gegeben.

III.

1. Der Senat ist an der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nicht dadurch gehindert, daß die Beteiligte zu 2 die sofortige Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluß zurückgenommen hat. Diese Rücknahme ist nämlich wirkungslos, weil sie erst erklärt worden ist, nachdem der angefochtene Beschluß in der Welt war. Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, daß die Zurücknahme einer Beschwerde nur so lange zulässig ist, wie die Entscheidung darüber noch nicht ergangen ist (BGH, Beschl. v. 29. April 1969, X ZB 14/67, GRUR 1969, 562, 563; OLG Frankfurt/Main, MDR 1995, 744; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 573 Rdn. 32; MünchKomm-ZPO/Lipp, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 569 Rdn. 19; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 572 Rdn. 22).

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 führt die Rücknahme in diesem Fall nicht dazu, daß die Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben und die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 als unzulässig zu verwerfen wäre. Vielmehr ist in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. BGH, Beschl. v. 29. April 1969, X ZB 14/67 aaO). Allerdings hat das Oberlandesgericht Frankfurt (aaO) angenommen, daß die bindende Vereinbarung über die Rücknahme des Rechtsmittels trotz der Wirkungslosigkeit der dann erfolgten Rücknahme dazu führe, daß der mit dem weiteren Rechtsmittel (dort weitere Beschwerde) angefochtene Beschluß keinen Bestand haben könne und auf Rüge des Verfahrensgegners die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig zur Folge habe. Dieser Auffassung kann jedoch, jedenfalls für die hier vorliegende Fallkonstellation, nicht beigetreten werden. Wenn die nach Ergehen der Entscheidung erklärte Rücknahme des Rechtsmittels die Wirksamkeit der Entscheidung unberührt läßt, dann kann das Rechtsmittel dagegen auch nicht wegen der Vereinbarung über die Rücknahme als unzulässig verworfen werden. Denn dann müßte der Beschwerdeführer dieser Rechtsfolge auch dadurch entgehen können, daß er sein Rechtsmittel zurücknimmt. Es ist widersprüchlich, ihm einerseits die vereinbarungsgemäß erfolgte Rücknahme zu verwehren, ihm andererseits aber durch Verwerfung seines Rechtsmittels als unzulässig vorzuhalten, das Rechtsmittel verstoße gegen die bindende Vereinbarung der Rücknahme. Dies geht zumindest dann nicht, wenn - wie hier - die Vereinbarung über die Rücknahme erst nach Ergehen der Entscheidung getroffen wird. Denn der Rechtsmittelführer hat dann keine Möglichkeit, das Vereinbarte zu erreichen.

Es bleibt also dabei, daß über die Rechtsbeschwerde sachlich zu befinden ist.

2. Die Rechtsbeschwerde ist teilweise begründet.

a) Keinen Erfolg hat die Rechtsbeschwerde mit dem Einwand, die sofortige Beschwerde der Gläubigerin sei mangels Beschwer unzulässig. Unabhängig davon, ob ihr mit Rücksicht auf eine bei der Verteilung vorgehende Gläubigerin aus der Zwangsverwaltungsmasse ein Auskehrbetrag zusteht, ist sie durch die Festsetzung der Verwaltergebühren schon deswegen beschwert, weil sie als betreibende Gläubigerin (vgl. Beschluß des Amtsgerichts Greifswald vom 9. November 1999) hierfür subsidiär haftet (Stöber, ZVG, 17. Aufl., § 153 Rdn. 7.4; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Handbuch zur Zwangsverwaltung, 2002, Kapitel 3 II 8, Rdn. 29; dies., Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 22 ZwVwV Rdn. 18).

b) Zutreffend ist demgegenüber der materielle Einwand der Rechtsbeschwerde, daß die angefochtene Entscheidung nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung der Zwangsverwaltergebühren entspricht, wobei dem Beschwerdegericht die maßgebliche Entscheidung vom 25. Juni 2004 (IXa ZB 30/03, NJW-RR 2004, 1528) wohl noch nicht hat bekannt sein können.

aa) Die von dem Beschwerdegericht zugrunde gelegte Berechnung der Vergütung entspricht den Maßstäben, die der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 12. September 2002 gesetzt hat (BGHZ 152, 18). Mit dem zitierten Beschluß vom 25. Juni 2004 hat er es indes mit Rücksicht auf die Veränderungen der wirtschaftlichen Grundlagen für erforderlich erachtet, die Regelvergütungssätze in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 1 BGB durch eine pauschale Steigerung anzuheben. Angelehnt an die Neuregelung der Zwangsverwalterverordnung vom 19. Dezember 2003 hat er schon für die Jahre 2000 bis 2003 in der Regel eine Erhöhung der gem. § 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZwVwV berechneten Vergütung um das 1,5-fache als notwendig angesehen, um den Zwangsverwalter für seine Tätigkeit angemessen zu entschädigen. Eine solche Anhebung der Regelvergütung ist auch im vorliegenden Fall vorzunehmen. Sie führt zu dem von dem Senat festgesetzten Betrag.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lassen die Umstände eine darüber hinausgehende Erhöhung auf das 2-fache des Regelvergütungssatzes nicht zu. Der verwaltete Komplex weist keine derart gravierenden Besonderheiten auf, daß von der regelmäßig vorzunehmenden Erhöhung um das 1,5-fache nach oben abzuweichen wäre.

Dies rechtfertigt insbesondere nicht der Umstand, daß wesentliche Teile des verwalteten Komplexes gewerblich genutzt werden. Der dadurch möglicherweise erforderliche Mehraufwand wird nämlich schon in der Regelvergütung selbst erfaßt, weil die - im gewerblichen Bereich üblicherweise höheren - Miet- und Pachtzinsen Bemessungsgrundlage gem. § 24 ZwVwV (1970) sind, so daß von vornherein eine anteilige Erhöhung stattfindet (vgl. BGHZ 152, 18, 28). Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang rügt, das Beschwerdegericht habe den eingehenden Vortrag des Zwangsverwalters zu dem monatlichen (Mehr-) Aufwand nicht hinreichend gewürdigt, hat sie damit keinen Erfolg. Die vorgetragenen Maßnahmen weisen keine Besonderheiten auf, die die Verwaltung des vorliegenden Komplexes aus dem Durchschnitt einer Verwaltung gewerblich genutzter Objekte heraushebt. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß die nunmehr zugesprochene Vergütung von netto knapp 80.000 € für 2002 unter Zugrundelegung der von dem Zwangsverwalter angesetzten 537 Stunden einem Stundensatz von annähernd 150 € entspricht. Dieser Satz erreicht den von ihm selbst angenommenen Mindestsatz, wenn man diesen als Nettowert versteht, und übersteigt ihn deutlich, wenn man diesen - was nach dem Gesamtzusammenhang eher noch näher liegt - als Bruttowert begreift.

c) Aufgrund derselben Überlegungen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei auch eine abweichende Festsetzung der Vergütung nach § 25 ZwVwV (1970) abgelehnt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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