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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.1998
Aktenzeichen: V ZR 117/97
Rechtsgebiete: EGBGB 1986


Vorschriften:

EGBGB 1986 Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c
EGBGB 1986 Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c

Die Berechtigung aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB ist nicht auf eine Fläche von 500 qm beschränkt. Die Größe des Grundstücks, das dem Erben gegenüber dem Auflassungsanspruch des Fiskus zu verbleiben hat, wird vielmehr durch die zur Benutzung des Wohnhauses und der diesem untergeordneten Nebengebäude und die als Hausgarten bei Ablauf des 15. März 1990 genutzte Fläche bestimmt.

BGH, Urt. v. 17. Juli 1998 - V ZR 117/97 - OLG Brandenburg LG Neuruppin


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 117/97

Verkündet am: 17. Juli 1998

Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt, Dr. Wenzel, Schneider und Dr. Klein

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Februar 1997 aufgehoben, soweit über die Kosten des Rechtsstreits nicht zugunsten der Beklagten zu 2 entschieden ist.

Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Das klagende Land (Kläger) verlangt von der Beklagten zu 1 nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB die Auflassung eines Grundstücks aus der Bodenreform.

Bei Ablauf des 15. März 1990 war E. F. als Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Grundbuch eingetragen, die ihr aus dem Bodenfonds zugewiesen waren. Der Bodenreformvermerk war im Grundbuch eingetragen. E. F. verstarb am 2. April 1988. Sie wurde von ihren Töchtern, den Beklagten, beerbt.

Am 17. Dezember 1991 schlossen die Beklagten einen "Erbauseinandersetzungsvertrag", nach welchem die ihrer Mutter aus dem Bodenfonds zugewiesenen Grundstücke zwischen ihnen aufzuteilen waren. Der Beklagten zu 1 sollte unter anderem das 3.472 qm große Grundstück Flur 2, Flurstück 19 der Gemarkung B. übertragen werden. Dieses Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut, in welchem sie bei Ablauf des 15. März 1990 wohnte.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. Mai 1994 verkaufte sie eine im Vertrag näher beschriebene Teilfläche des Grundstücks. Diese Fläche bildet nach Vermessung das Flurstück 19/1.

Mit der Klage hat der Kläger von den Beklagten die Auflassung der ihrer Mutter aus dem Bodenfonds zugewiesenen Grundstücke verlangt. Die Beklagten haben den Anspruch des Klägers anerkannt, soweit die Grundstücke bei Ablauf des 15. März 1990 landwirtschaftlich genutzt wurden. Insoweit hat das Landgericht die Beklagten ihrem Anerkenntnis gemäß verurteilt. Den gegen die Beklagte zu 1 geltend gemachten Anspruch auf Auflassung des Flurstücks 19/1 hat es abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstrebt er die Verurteilung der Beklagten zu 1 zur Auflassung dieses Flurstücks.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Das Flurstück 19 sei am Stichtag von der Beklagten zu 1 bewohnt und als "Hauswirtschaft", mithin nicht land- oder forstwirtschaftlich, genutzt worden. Damit scheide ein Auflassungsanspruch des Klägers aus.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Der Abschluß des "Erbauseinandersetzungsvertrages" zwischen den Beklagten hatte gemäß Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 1, Satz 2 EGBGB zur Folge, daß die Beklagte zu 1 mit Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes am 22. Juli 1992 alleinige Eigentümerin des ihrer Mutter aus dem Bodenfonds zugewiesenen Hausgrundstücks wurde. Gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB kann der Kläger von der Beklagten die Auflassung des Flurstücks 19/1 verlangen, sofern dieser Teil des Grundstücks bei Ablauf des 15. März 1990 weder zur Nutzung des von der Beklagten bewohnten Hauses erforderlich war noch als Hausgarten von ihr genutzt wurde. Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB bildet einen Auffangtatbestand, nach welchem das jeweilige Bundesland die Auflassung aller Grundstücke aus der Bodenreform verlangen kann, hinsichtlich derer es an einer besseren Berechtigung ihres vorläufigen Eigentümers fehlt (Senat, BGHZ 132, 71, 77).

Das Berufungsgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, daß die Beklagte zu 1 dem Wortlaut nach den Tatbestand einer besseren Berechtigung nach Art. 233 § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c EGBGB erfüllt. Es verkennt jedoch, daß gemessen am Sinn und Zweck des Gesetzes dieser Tatbestand zu weit geraten ist und deshalb einer sinngemäßen Einschränkung bedarf. Ziel des Gesetzes ist es, in pauschalierter Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der DDR das Eigentum an den Grundstücken aus der Bodenreform demjenigen zu übertragen, dem sie nach den Grundsätzen der Besitzwechselverordnung zukamen (Senatsurt. v. 7. Februar 1997, V ZR 107/96, WM 1997, 785, 786). Diese Zielsetzung hat dem Senat wiederholt Anlaß gegeben, Regelungslücken und -widersprüche durch einengende Auslegung des Gesetzes zu schließen oder aufzuheben (vgl. Senat BGHZ 132, 71, gewerblich genutzte Grundstücke; Senatsurt. v. 7. März 1997, V ZR 107/96, WM 1997, 785, Kleinstflächen; Senatsurt. v. 18. Juli 1997, V ZR 121/96, WM 1997, 2172, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke).

Ein solcher Widerspruch droht auch bei der Anwendung von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB. Diese Bestimmung zeichnet § 4 Abs. 4 BesitzwechselVO nach. Hiernach konnte einem Erben, der nicht in der Land-, Forst oder Nahrungsgüterwirtschaft tätig war, unter bestimmten Voraussetzungen ein Nutzungsrecht an dem von dem verstorbenen Begünstigten aus der Bodenreform bewohnten Hausgrundstück eingeräumt werden. Insoweit galt die in § 2 BereitstellungsVO vom 9. September 1976 (GBl. I, 426) und § 7 Satz 2 EigenheimVO vom 31. August 1978 (GBl. I, 425) für den Bau von Eigenheimen auf genossenschaftlich genutztem bzw. volkseigenen Grundstücken bestimmte Beschränkung des privaten Grundbesitzes auf eine Fläche von 500 qm nicht. Zweck der Bestellung eines Nutzungsrechtes nach § 4 Abs. 4 BesitzwechselVO war, die Nutzung des Hauses eines verstorbenen Begünstigten aus der Bodenreform durch seinen Erben als Wohnhaus zu ermöglichen. Die Beschränkung des Umfangs des Nutzungsrechts folgte insoweit durch den Verweis auf § 3 Abs. 1 BesitzwechselVO. Hiernach war die Bestellung des Nutzungsrechts auf die zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses erforderlichen Gebäude und die zu deren Nutzung erforderliche Fläche beschränkt. Das waren nach der amtlichen Anmerkung zu § 3 Abs. 1 BesitzwechselVO die Hofanlage und der Hausgarten.

Wollte man diese Beschränkung bei der Auslegung des Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB unbeachtet lassen, so würde dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber denjenigen Erben des Begünstigten aus der Bodenreform führen, die während der Geltung der Besitzwechselverordnung die Übertragung oder Überlassung einer Hofstelle beantragt und erhalten haben (Senatsurt. vom 21. November 1997, V ZR 137/96, WM 1998, 405, 407). Dies führt in zweckorientierter Einschränkung von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB dazu, daß eine besssere Berechtigung der Beklagten zu 1 nur insoweit anzuerkennen ist, als es um die Nutzung des Wohnhauses nebst untergeordneten Nebengebäuden und der als Hausgarten genutzten Fläche geht.

Die Beschränkung des Umfangs der Übertragung bzw. Bestellung eines Nutzungsrechtes auf die Hoffläche und den Hausgarten findet in Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, b EGBGB dadurch Ausdruck, daß das Gesetz von der Zuweisung eines Grundstücks oder Grundstücksteils ausgeht. Die Berechtigung nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB geht nicht weiter. Soweit die Fläche des dem Verstorbenen aus dem Bodenfonds zugewiesenen Hofgrundstücks über die zur Nutzung des Wohnhauses, die diesem untergeordneten Nebengebäude und die als Hausgarten genutzte Fläche hinausgeht, kann das jeweilige Bundesland daher Teilung des Grundstücks und Auflassung der am Stichtag nicht als Hof oder Hausgarten genutzten Teilflächen verlangen (Senatsurt. v. 21. November 1997, V ZR 137/96, aaO).

Ob das aus der Teilung des Flurstücks 19 hervorgegangene Flurstück 19/1 am Stichtag (15. März 1990) zur Nutzung des Wohnhauses der Beklagten erforderlich war oder ob es von ihr als Hausgarten genutzt wurde, ist nicht festgestellt. Diese Feststellung ist nachzuholen.

III.

Der Angriff der Revision auf die Kostenentscheidung des Berufungsurteils scheitert gegenüber der Beklagten zu 2 schon daran, daß sie nicht Partei des Revisionsverfahrens ist. Auch gegenüber der Beklagten zu 1 ist die Kostenentscheidung der Nachprüfung durch den Senat entzogen, soweit diese Entscheidung auf § 93 ZPO beruht. Insoweit fehlt es an einem Rechtsmittel in der Hauptsache, ohne das die Überprüfung der Kostenentscheidung im Revisionsverfahren ausscheidet (BGHZ 58, 341). Dies ist auch bei der erneuten Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits durch das Berufungsgericht zu beachten (BGH, aaO).

Ende der Entscheidung

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