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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.10.1999
Aktenzeichen: V ZR 125/98
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 125/98

Verkündet am: 15. Oktober 1999

Kanik , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Februar 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 27. März 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 9. März 1992 übertrug die Mutter des verstorbenen und von ihr allein beerbten Ehemanns der Beklagten diesem ihr Wohngrundstück. Der Übernehmer verpflichtete sich, "den übertragenen Grundbesitz bis zum Tod des Übergebers ohne dessen Zustimmung nicht zu veräußern". Einen Teil davon verkaufte er am 21. August 1992 für 40.000 DM an Dritte weiter. Die Kläger sind die Kinder seines Bruders. Diese berufen sich aus abgetretenem Recht ihrer Großmutter auf ein grundsätzliches Veräußerungsverbot und eine Rückübertragungsregelung in dem Überlassungsvertrag und verlangen die Rückauflassung des Grundbesitzes sowie Schadensersatz. Das Landgericht hat nach Beweiserhebung die Klage abgewiesen, weil die Großmutter der Kläger der Veräußerung zugestimmt habe. Auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht nach erneuter Beweiserhebung unter Abweisung der Klage im übrigen und Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte im wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, den Klägern stehe aus abgetretenem Recht nach der Regelung des Überlassungsvertrages ein Anspruch auf Rückübertragung des noch im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks und ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich des verkauften Grundstücksteiles zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, daß die Großmutter der Kläger eine von einem Rechtsbindungswillen getragene Zustimmungserklärung abgegeben habe. Dies gehe zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten.

II.

Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die Erteilung einer Zustimmungserklärung im Beurkundungstermin fehlerfrei verneint hat. Das Berufungsurteil hat jedenfalls deswegen keinen Bestand, weil das Berufungsgericht den zustimmenden Äußerungen der Übergeberin zur Frage des Verkaufs der Teilfläche anläßlich des Familientreffens vor Pfingsten zu Unrecht einen Rechtsfolgewillen abgesprochen hat.

1. Das Berufungsgericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, daß die Übergeberin in einem Gespräch vor Pfingsten auf eine Äußerung ihres Sohnes, daß zur Finanzierung der Hausrenovierung der Garten verkauft werden solle, geantwortet hat: "Na, dann verkauf doch" oder "Na, dann verkauf doch endlich, damit es etwas wird". Es vermochte einer solchen Äußerung jedoch keine mit dem hierfür erforderlichen Rechtsfolgewillen erklärte Zustimmung zu einer Veräußerung des Gartenteils zu entnehmen. Dies ist nicht haltbar.

2. Es kann insoweit dahinstehen, ob diese Wertung, wie die Revision meint, nur auf einer Spekulation oder einer unzureichenden Befragung der Zeugen beruht. Denn das Berufungsgericht hat bei der Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu dieser Erklärung den objektiven Erklärungswert der Aussage, wie er sich für den damaligen Erklärungsempfänger darstellte, verkannt. Die von ihm verneinte Frage, ob ein Rechtsbindungswille vorhanden gewesen sei, richtet sich nicht nach dem verborgen gebliebenen inneren Willen der Erklärenden, sondern ist danach zu beurteilen, ob ihr Verhalten aus der Sicht des Erklärungsempfängers nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Ausdruck eines bestimmten Willens erscheint (vgl. BGHZ 91, 324, 328 ff; 109, 171, 177 m.w.N.). Das Berufungsgericht stützt seine Wertung nur darauf, daß die Erklärung aus der Sicht der Übergeberin im Hinblick auf die äußeren Umstände und ihre möglicherweise fehlende Vorstellung über die Bedeutung einer derartigen Erklärung nicht als verbindlich gewollt gewesen sei. Es kommt aber nicht darauf an, ob die Übergeberin den Willen oder auch nur das Bewußtsein hatte, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Auch bei fehlendem Erklärungsbewußtsein liegt eine Willenserklärung vor, wenn sie als solche dem Erklärenden zugerechnet werden kann. Das ist dann der Fall, wenn dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte (BGH aaO, 330). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

3. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die Frage des Verkaufs einer Teilfläche, mit dessen Erlös der auch im Interesse der Übergeberin liegende Umbau zumindest mitfinanziert werden sollte, Gegenstand der Gespräche bei dem Familientreffen vor Pfingsten. Die Übergeberin war daran beteiligt und wußte, daß es letztlich auf ihre Haltung zu dieser Frage ankam. Daraus ergibt sich, daß sie die Deutung ihres Verhaltens als Willenserklärung bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können. Der Finanzierungsbedarf und die von den Beteiligten als "Garten" bezeichnete Teilfläche des Grundstücks war ihnen bekannt. Damit hätte sich der Übergeberin die Erkenntnis aufdrängen müssen, ihr Sohn werde ihre Äußerung als eine verbindliche Zustimmung zum Verkauf verstehen. Denn ihr konnte bekannt sein, daß bindende Willenserklärungen grundsätzlich auch formfrei abgegeben werden können. Vor allem im familiären Bereich ist dies nicht unüblich.

Auf die vorsorgliche Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht jedenfalls eine Auslegung des Vertrages dahingehend unterlassen, daß sich der Rückauflassungsanspruch nur auf den ohne ihre Zustimmung veräußerten Teil des Grundstücks beziehe, kommt es damit nicht mehr an. Gleiches gilt für die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge der Kläger, ihnen stehe jedenfalls ein Kondiktionsanspruch wegen der Vereitelung des Zweckes des aufgehobenen Erbvertrages zu. Denn Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur der abgetretene Rückübertragungsanspruch aus dem Überlassungsvertrag.

Ende der Entscheidung

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