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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.05.2008
Aktenzeichen: V ZR 179/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 544 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZR 179/07

vom 15. Mai 2008

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. September 2007 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 89.188,02 €.

Gründe:

I.

Die Beklagte kauft Altwohnbestände an und veräußert sie nach Durchführung von Renovierungsmaßnahmen als Wohnungseigentum weiter. Der Kläger erwarb im Oktober 1995 eine solche Wohnung in D. und trat einem Mietpool bei. Die Finanzierung erfolgte im sog. Dortmunder-Modell über ein Vorausdarlehen und zwei hintereinander geschaltete Bausparverträge der B. Bausparkasse.

Dem Kaufvertragsabschluss vorangegangen waren Beratungsgespräche, in denen ein Repräsentant der Beklagten unter Berücksichtigung der Finanzierungszinsen, der Sparleistung für das Bausparen, der Verwaltungskosten und der Mieteinnahmen eine Einnahmen- und Ausgaben-Berechnung erstellt hatte. Ferner war dem Kläger eine als "Rentabilitätsberechnung" bezeichnete Finanzierungsberechnung vorgelegt worden.

Mit der Behauptung, falsch beraten worden zu sein, verlangt der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz seiner weiteren Schäden verpflichtet ist.

Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen; dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. II.

I. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

1. Die Klage ist unter dem Gesichtpunkt der Schlechterfüllung eines mit der Beklagten zustande gekommenen Beratungsvertrages auch auf die unterbliebene Aufklärung darüber gestützt worden, dass nach Ablauf der Zinsbindung für das Vorausdarlehen eine weitere Zwischenfinanzierung mit eventuell höherem Zinssatz abzuschließen sein werde und die Zuteilung des Bausparvertrages nicht sicher bestimmt werden könne. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung hat der Kläger diesen Beratungsfehler auch in der Berufungsinstanz angesprochen, nämlich im Schriftsatz vom 4. April 2005.

Das Berufungsgericht hat den Vortrag bei seiner Urteilsfindung unberücksichtigt gelassen und damit den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat; eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kann deshalb nur festgestellt werden, wenn sie sich aus den besonderen Umständen des Falls ergibt (BVerfGE 96, 205, 216 f.). So liegt es hier indessen. Dass das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen auf den Vortrag zu der - offenbar unstreitig - unterbliebenen Aufklärung über das mit dem Ablauf der Zinsbindungsfrist verbundene Risiko in keiner Weise eingegangen ist, lässt sich nur daraus erklären, dass es ihn entweder übersehen oder aber im Kern missverstanden hat. Beides begründet einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Senat, Beschl. vom 17. Januar 2008, V ZR 92/07).

2. Der Vortrag ist entscheidungserheblich.

Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkennt, bildet die Ermittlung des monatlichen Eigenaufwands das Kernstück der von der Beklagten geschuldeten Beratung, da sie den Interessenten von der Möglichkeit überzeugen soll, das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und halten zu können (Senat, BGHZ 156, 371, 377). Demgemäß muss der Verkäufer nicht nur über im Zeitpunkt der Beratung absehbare ungünstige Veränderungen der in die Berechnung eingestellten Einnahmen und Ausgaben aufklären, sondern auch über Unwägbarkeiten für den monatlichen Eigenaufwand, die sich aus den Besonderheiten des Anlagemodells ergeben (Senat, Beschl. vom 17. Januar 2008, V ZR 92/07).

Dazu zählt das Risiko, welches sich daraus ergibt, dass die Zinsbindungsfrist für das Vorausdarlehen in aller Regel deutlich kürzer ist als der - zudem nicht sicher bestimmbare - Zeitraum, in dem der Käufer mit den Zinsen dieses Darlehens belastet sein wird. So verhält es sich auch hier, denn dem Vertrag über das Vorausdarlehen lässt sich entnehmen, dass die Zinsbindungsfrist lediglich fünf Jahre betrug, während die Ansparphase des ersten Bausparvertrages auf mindestens zehn Jahre berechnet war. Bereits im Zeitpunkt der Beratung war für die Beklagte deshalb erkennbar, dass der errechnete monatliche Aufwand nur für die ersten fünf Jahre kalkuliert werden konnte. Für die Folgejahre hing er dagegen maßgeblich von der - nicht vorhersehbaren - Entwicklung der Kapitalmarktzinsen ab. Über das damit verbundene Risiko einer Erhöhung des monatlichen Aufwands musste die Beklagte aufklären (vgl. Senat, Urt. v. 9. November 2007, V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91 f. Rdn. 22).

Entsprechendes gilt im Übrigen für das von dem Kläger in anderem Zusammenhang angesprochene Risiko einer Erhöhung des monatlichen Aufwands nach Zuteilung des ersten Bausparvertrages. Von diesem Zeitpunkt an muss der Käufer drei verschiedene Zahlungen erbringen, nämlich die Zinsen auf das - immer noch zur Hälfte valutierende - Vorausdarlehen, die Tilgungsraten für das zugeteilte erste Bauspardarlehen und die Raten für den nunmehr anzusparenden zweiten Bausparvertrag. Selbst wenn das Modell so berechnet sein sollte, dass sich die Tilgungsraten für den zugeteilten ersten Bausparvertrag und die eingesparten Zinsen für das (nunmehr zur Hälfte getilgte) Vorausdarlehen ausgleichen, ergibt sich wiederum eine systemimmanente Ungewissheit für den monatlichen Eigenaufwand, weil nicht absehbar ist, wie hoch die Zinsen für das Vorausdarlehen bei der Zuteilung des ersten Bausparvertrages, also etwa zehn bis zwölf Jahre nach Vertragsabschluss, sein werden. Auch hierüber muss aufgeklärt werden.

II. Weitere Gründe für eine Zulassung der Revision sind von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufgezeigt worden.

Soweit sie Überlegungen zu dem Inhalt einer Rentabilitätsberechnung anstellt, übersieht sie, dass ein Verkäufer, der den Käufer über die Möglichkeit berät, eine Eigentumswohnung zu erwerben und zu halten, in der Regel nicht die Vorlage einer Rentabilitätsberechnung, sondern nur die korrekte Ermittlung des (monatlichen) Eigenaufwands schuldet (Senat, Beschl. v. 12. Januar 2006, V ZR 135/05). Daran ändert sich nicht schon dadurch etwas, dass die Ermittlung des Eigenaufwands mit "Rentabilitätsberechnung" überschrieben wird.

Eine Divergenz des Berufungsurteils zu der Entscheidung des 34. Senats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. November 2006 (34 U 61/06) liegt nicht vor, weil der darin möglicherweise aufgestellte - unzutreffende - Rechtssatz, dass die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde auch für eine schriftlich dokumentierte Beratung gelte, nicht tragend war.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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