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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: V ZR 247/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2
Eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kommt nicht in Betracht, wenn mehrere Rechtsfehler des Berufungsgerichts zu einer im Ergebnis richtigen Entscheidung führen (Abgrenzung zu Senat, Beschl. v. 2. Oktober 2003, V ZB 72/02, NJW 2004, 72).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZR 247/03

vom 12. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Februar 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin Dr. Stresemann beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 21. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 160.000 €.

Gründe:

I.

Mit notariellem Vertrag vom 4. November 1998 kaufte der Kläger von dem Beklagten zu 1 ein im Außenbereich gelegenes Hofanwesen zum Preis von 770.000 DM; hinsichtlich des Kaufpreises unterwarf sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung. Auf dem Grundstück war neben einem Wohngebäude ein "Gästehaus" errichtet, in dem sich vier Wohnungen sowie vier Doppelzimmer befanden.

Nach Zahlung der ersten Kaufpreisrate hat der Kläger die vorliegende Vollstreckungsgegenklage erhoben. Er sieht sich von dem Beklagten zu 1 insbesondere deshalb arglistig getäuscht, weil für die Nutzung des "Gästehauses" - es handelt sich um eine umgebaute frühere Scheune - zur Vermietung an Feriengäste keine baurechtliche Genehmigung vorliegt. Dagegen behauptet der Beklagte zu 1, er habe vor Abschluß des Kaufvertrages den Kläger über die insoweit fehlende Genehmigung unterrichtet. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht - soweit für den Rechtsstreit noch von Interesse - die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde insoweit für unzulässig erklärt, als aus ihr die Vollstreckung über einen Betrag von 267.150,01 € (= 522.500 DM) hinaus betrieben wird. Es hat außerdem festgestellt, daß beiden Beklagten aus dem Kaufvertrag keine Ansprüche über diesen Betrag hinaus zustehen, und daß der Beklagte zu 1 zum Ersatz aller weiteren Schäden wegen der arglistigen Täuschung des Klägers verpflichtet ist. Zur Begründung führt das Oberlandesgericht aus, dem Kläger stehe gegenüber dem Beklagten zu 1 der "kleine" Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB a.F. zu, mit dem er gegenüber der Kaufpreisschuld aufrechnen könne. Der Beklagte zu 1 habe insbesondere durch das Exposé ein volleingerichtetes Gästehaus zur Nutzung für Feriengäste angeboten und damit durch positives Tun bei dem Kläger einen Irrtum hervorgerufen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich nicht feststellen, daß der Beklagte zu 1 den Kläger über die fehlende baurechtliche Genehmigung aufgeklärt habe. Dies gehe im vorliegenden Fall zu Lasten des Beklagten zu 1. Der Wert der Immobile sei wegen der fehlenden Nutzungsmöglichkeit als Ferienanlage um 25 % gemindert.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Beklagten zu 1.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) ist zulässig, bleibt in der Sache selbst jedoch ohne Erfolg, weil der Beklagte zu 1 einen Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht dargetan hat.

1. Ungeachtet der weiteren Voraussetzungen läßt sich der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) insbesondere nicht aus einem Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Verteilung der Beweislast für die behauptete Aufklärung des Käufers herleiten.

a) Dem Berufungsgericht sind allerdings bei der Begründung der von ihm vorgenommenen Verteilung der Beweislast in zweifacher Hinsicht Rechtsfehler unterlaufen.

aa) Im vorliegenden Fall ist nicht die Rechtsprechung des Senats maßgebend, wonach auch für einen Anspruch aus § 463 Satz 2 BGB a.F. der Käufer die Darlegungs- und Beweislast für den gesamten Arglisttatbestand trägt und mithin im Fall des arglistigen Verschweigens vortragen und nachweisen muß, daß der Verkäufer ihn nicht gehörig aufgeklärt hat (Senat, Urt. v. 30. April 2003, V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, 2381; auch Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64, 65). Vielmehr ist hier auf Grund der fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts von einem arglistigen Vorspiegeln der Fehlerfreiheit auszugehen. Der Beklagte zu 1 täuschte in vorsätzlicher Weise dadurch, daß er insbesondere in den Zeitungsannoncen und im Exposé die Nutzung des Gästehauses für Vermietungen an Feriengäste herausstellte, so daß der Kläger von einer Erlaubnis für diese Nutzung ausgehen durfte (vgl. Senat, Urt. v. 2. April 1982, V ZR 54/81, WM 1982, 696, 697). Zu prüfen ist daher, ob der durch die Täuschung hervorgerufene Irrtum des Klägers vor Vertragsschluß durch die behauptete Aufklärung über die insoweit fehlende Baugenehmigung beseitigt worden ist. Dies ist eine Frage der Kausalität zwischen Täuschung und Vertragsschluß.

bb) In der von dem Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung (Urt. v. 22. Oktober 1976, V ZR 247/75, LM § 123 BGB Nr. 47) hat der Senat die Frage, ob ein durch die Täuschung hervorgerufener Irrtum vor Schadenseintritt durch Aufklärung beseitigt worden ist oder nicht, ausdrücklich "zur Beweislast des Getäuschten, nicht des Täuschenden" gestellt. Erst wenn der getäuschte Käufer den Beweis geführt hat, daß er durch einen Irrtum zum Vertragsschluß bestimmt worden ist, obliegt es dem - nach wie vor nicht beweispflichtigen - Verkäufer, den Gegenbeweis etwa dadurch zu führen, daß er spätere Irrtumsbeseitigung darlegt. Grund für diese Verteilung der Beweislast ist, daß - anders als hinsichtlich des Fortbestands einmal entstandener Rechte - keine Vermutung für die Fortdauer eines einmal eingetretenen tatsächlichen Zustands (hier des Irrtums) mit der Wirkung einer Umkehr der Beweislast besteht. Danach wäre im vorliegenden Fall der Kläger und nicht - wie das Berufungsgericht auf Grund eines Fehlverständnisses der Senatsrechtsprechung annimmt - der Beklagte zu 1 beweisbelastet.

cc) Das Berufungsgericht hat allerdings auch verkannt, daß die genannte Entscheidung hier nicht einschlägig ist. Sie ist zu einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB und culpa in contrahendo auf Grund arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) ergangen, nicht aber zu einem Schadensersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB a.F., über den (in analoger Anwendung) im vorliegenden Fall zu entscheiden ist. Bei dem letztgenannten Anspruch ist die Beweislastverteilung abweichend von der bei § 123 BGB; denn der Käufer braucht hier nicht zu beweisen, daß die arglistige Täuschung für seinen Kaufentschluß ursächlich geworden ist. Bei § 463 Satz 2 BGB wird die Ursächlichkeit der Täuschung vielmehr von Gesetzes wegen vermutet (Senat, Urt. v. 7. Juli 1989, V ZR 21/88, NJW 1990, 42, 43; Urt. v. 30. April 2003, V ZR 100/02, aaO). Behauptet der Verkäufer daher, daß der Käufer bei Vertragsschluß Kenntnis von dem Mangel hatte, sich also nicht in einem Irrtum befand, so wendet er einen gesetzlichen Haftungsausschlußtatbestand (vgl. § 460 BGB a.F.) ein, für den er die Beweislast trägt (Senat, Urt. v. 7. Juli 1989, V ZR 21/88, aaO). Hiernach ist es der Beklagte zu 1, der die Kenntnis des Klägers von der fehlenden Nutzungsgenehmigung auf Grund nachträglicher Aufklärung beweisen muß, womit das Berufungsgericht über die Verteilung der Beweislast im Ergebnis zutreffend entschieden hat.

b) Die Rechtsfehler des Berufungsgerichts rechtfertigen keine Zulassung der Revision.

aa) Dies ergibt sich allerdings nicht aus den Erwägungen, die der Entscheidung des Senats vom 2. Oktober 2003 (V ZB 72/02, NJW 2004, 72) zugrunde liegen. Dort war die Berufung wegen Nichterreichens der Wertgrenze aus § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen worden. Die Beschwerde wandte sich gegen die zugrunde liegende Auffassung des Berufungsgerichts zur Bewertung minimaler Teilflächen und sah die damit aufgeworfene Rechtsfrage als grundsätzlich an. Das Berufungsgericht hatte jedoch den höheren Wert zumindest eines Hilfsantrags übersehen, der nach § 5 ZPO zum Erreichen der Berufungssumme führte. Damit beruhte die auch im Ergebnis unzutreffende Entscheidung der Vorinstanz alternativ auf mehreren (möglichen) Rechtsfehlern, darunter einem, an dessen Bereinigung ein öffentliches Interesse im Sinne der Zulassungsgründe nicht dargelegt wurde. Unter diesen Umständen läßt sich bei Prüfung der Zulassungsfrage nicht feststellen, daß das Revisionsverfahren seinen Zweck einer im Interesse der Allgemeinheit liegenden Entscheidung (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 66) erreichen könnte. Da die angefochtene Entscheidung schon aus Gründen aufzuheben wäre, die eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen, führt das Revisionsverfahren weder zur Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage, auf die eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung abzielt, noch zu Leitsätzen für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen, wie vom Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts bezweckt, noch zur Ausräumung eines das Allgemeininteresse berührenden Rechtsfehlers, wie sie die Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erstrebt. Mangels Entscheidungserheblichkeit könnte das Revisionsgericht die für die Zulassung maßgebenden Gesichtspunkte nur als abstrakte Rechtsfragen beantworten. Dies gehört jedoch nicht zu seinen Aufgaben; das Revisionsgericht kann nur wegen einer Streitfrage angerufen werden, die sich im konkreten Rechtsstreit stellt (BGH, Beschl. v. 7. Januar 2003, X ZR 82/02, NJW 2003, 1125, 1126, zur Veröffentlichung in BGHZ 153, 244 bestimmt). Mithin sind in dieser Situation die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht erfüllt.

bb) Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall, weil die mehreren Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht jeder für sich zu einer unzutreffenden Entscheidung führen, sondern im Gegenteil durch ihr Zusammenwirken zu einer im Ergebnis richtigen Entscheidung. Allerdings ist auch hier ein Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Zulassungsgrundes der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erfüllt sind. Ungeachtet der Frage eines über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Interesses, fehlt es wegen der letztlich zutreffenden Verteilung der Beweislast an einer Entscheidung, die einer Korrektur durch ein Urteil des Revisionsgerichts bedürfte. Auch die Rechtsfehler, die dem Berufungsgericht bei der Herleitung dieses Ergebnisses unterlaufen sind, können nicht zur Zulassung der Revision führen. Ihnen mangelt es bereits an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831).

2. Mit ihren weiteren Ausführungen gelingt es der Beschwerde ebenfalls nicht, einen Zulassungsgrund darzulegen. Insoweit sieht der Senat gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO von einer Begründung ab.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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