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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.10.2009
Aktenzeichen: V ZR 59/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 472 a.F.
ZPO § 544 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 29. Oktober 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,

die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch,

die Richterin Dr. Stresemann und

den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Schlussurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. Februar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung eines über 35.479,70 EUR nebst Zinsen hinausgehenden Betrags verurteilt worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Minderung wegen arglistig verschwiegener Mängel eines verkauften Einfamilienhauses in Höhe von 76.693,78 EUR. Die Klage hat das Oberlandesgericht in einem rechtskräftigen Grundurteil für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Mit dem angegriffenen Schlussurteil hat es die Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin zur Zahlung von 56.700 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Revision hat es nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wenden sich die Beklagten gegen eine Verurteilung zur Zahlung von mehr als 35.479,70 EUR nebst Zinsen. Die Klägerin beantragt

die Zurückweisung der Beschwerde.

II.

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Kaufpreis des Einfamilienhauses seinem Wert in mangelfreiem Zustand entspricht. Es hat die Minderung deshalb nicht entsprechend § 472 BGB a.F. nach der Proportionalmethode, sondern auf der Grundlage der Mängelbeseitigungskosten berechnet. Den von dem Sachverständigen errechneten Betrag hat es als Nettobetrag angesehen und diesem die Umsatzsteuer hinzugerechnet.

2. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, indem es den Minderungsbetrag abweichend von § 472 BGB a.F. berechnet und den von dem Sachverständigen errechneten Beträgen die Umsatzsteuer hinzugerechnet hat.

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 42, 364, 367; 50, 32, 35; 60, 247, 249). Außerdem darf ein Gericht ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f.; 96, 189, 204; 108, 341, 345 f.). Es hat in einem solchen Fall auf den Gesichtspunkt hinzuweisen und den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen (BVerfGE 84, 188, 191; 86, 133, 144; 98, 218, 263; BVerfG NVwZ 2006, 586, 587). Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht nicht gerecht geworden.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats darf von der in § 472 BGB a.F. vorgegebenen Proportionalmethode zur Berechnung der Minderung nur abgewichen werden, wenn der Kaufpreis dem Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand entspricht (Urt. v. 28. Juni 1961, V ZR 201/60, LM Nr. 1 zu § 472 BGB; Urt. v. 17. September 1971, V ZR 143/68, WM 1971, 1382, 1383). Diese Voraussetzung nimmt das Berufungsgericht mit der Begründung an, Umstände, die Zweifel an der Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises von 660.000 DM (= 337.452,64 EUR) begründeten, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Dabei berücksichtigt es indessen nicht, dass die Beklagten im Schriftsatz vom 12. Januar 2009 (GA 925 ff.) ihre Vorstellungen von der Berechnung der Minderung nach dem Sachverständigengutachten vorgetragen und dabei dargelegt haben, dass der Gebäudewert nach dem Sachverständigengutachten A. 345.000 EUR betrage. Demgegenüber betrage der Einsatzkaufpreis für das Gebäude nach Abzug von Einsatzbeträgen für das Grundstück und für Aufbauten nur 217.000 EUR. Das schließt ein Abgehen von der Proportionalmethode nach der Rechtsprechung des Senats aus. Daran änderte es nichts, wenn man mit der Beschwerdeerwiderung annähme, der Sachverständige habe den Betrag von 345.000 EUR als Wert des gesamten Anwesens verstanden. Denn dieser läge ebenfalls über dem Kaufpreis; ein Abgehen von § 472 BGB a.F. wäre deshalb auch bei dieser Sichtweise nicht möglich.

c) Mit dem Hinzurechnen der Umsatzsteuer hat das Berufungsgericht die Beklagten überrascht. Der Sachverständige A. hat in seinem Gutachten, auf das sich das Berufungsgericht stützt, die Umsatzsteuer nicht angesprochen. Deshalb durften die Beklagten die darin genannten Beträge als Bruttobeträge verstehen. Das ist auch deshalb der Fall, weil der Sachverständige den Minderwert nicht auf der Grundlage konkret erforderlicher handwerklicher Leistungen, sondern abstrakt auf der Grundlage von Normalherstellungskosten berechnet hat. Diese sind im Zweifel als Bruttobeträge zu verstehen. Daran ändert es nichts, dass sich der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 5. Februar 2009 mit dem Gutachten des Sachverständigen K. auseinandergesetzt hat, der seinerseits ausdrücklich von Nettopreisen ausgeht. Denn in der mündlichen Verhandlung haben alle Beteiligten übersehen, dass beide Gutachten wegen der unterschiedlichen Berechnungsansätze in der Frage der Umsatzsteuer nicht vergleichbar waren. Das Berufungsgericht hätte die Parteien deshalb auf diesen Punkt hinweisen und ihnen Gelegenheit geben müssen, dazu Stellung zu nehmen.

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Minderung wird nach § 472 BGB a.F. zu berechnen sein. Ein Abgehen von der darin vorgegebenen Proportionalmethode scheidet hier schon nach dem Gutachten des Sachverständigen A. aus. Denn danach liegt der Kaufpreis in jedem Fall unter dem Wert des Objekts in mangelfreiem Zustand.

b) Die Frage, ob Umsatzsteuer hinzuzurechnen ist, wird sich nicht ohne Rückfrage bei dem Sachverständigen klären lassen, ob die in seinem Gutachten genannten Beträge die Umsatzsteuer einschließen.

Ende der Entscheidung

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